Das Klangfestival Gallneukirchen findet heuer bereits zum elften Mal statt und macht aus dem kleinen Städtchen im Mühlviertel einen Hotspot der experimentellen Musik. Von 13.–15. September wird ein umfangreiches Netz aus Musik, Filmen, Installationen, Bildern und Texten gewebt. Alexander Eigner sprach mit zwei der Organisator*innen, Tanja Fuchs und Vinzenz Landl, über das Programm, was ein Zine ist und über Surprises.
Seit 2008 wird das Klangfestival jährlich in Gallneukirchen veranstaltet. Zunächst in idyllischer Atmosphäre am Warschenhofer Gut, etwas außerhalb des Zentrums. Der Weg zur Musik führte damals über Wiesen, vorbei an Kühen und Misthaufen hin zu einem Stadel, wo sich der große Krach abspielte. Im Jahr 2015 endete allerdings die Zusammenarbeit zwischen dem Landwirt und dem Organisationsteam des Klangfestivals.
Leerstand
Diese Trennung war nun nicht das Ende der experimentellen Kunst in Gallneukirchen, vielmehr wurde sie dadurch auf ein neues Level gehoben. Mitten im Ortszentrum war plötzlich ein leerstehendes Gebäude, die Alte Nähstube, welches vom Verein Klangfestival seit 2016 regelmäßig benutzt wird. In diesem Jahr gab es kein typisches Klangfestival, sondern eine ganze Reihe von Veranstaltungen unter dem Namen „Klangfolger“. Der geänderte Rahmen zog viele neue Menschen an, was am vielseitigen Programm (Konzerte, Lesungen, Performances etc.) liegen mag, oder an der neuen Lokalität. Ein altes leerstehendes Gebäude hat eben einen ganz eigenen Charme. Als das Klangfestival 2018 zum gewohnten Format zurückkehrte, wurde außerdem ein weiterer Leerstand als Veranstaltungsort dazugeholt – die alte Feuerwehrhalle. Zwischen Gemeindeamt, Schule, unweit von Bank und Kirche wurde die „Halle X“ eingerichtet. Diese musste zwar raumakustisch etwas umgestaltet werden, dient seither allerdings als Hauptveranstaltungsort. Die Alte Nähstube erhielt für das diesjährige Festival den Beinamen „Soundspace # Alte Nähstube“. Der Soundspace soll die Zentrale des Klangfestivals darstellen, in der man sich treffen, ausruhen, sehen, hören, probieren kann. Hier können lose Fäden zusammenfinden und neue Verbindungen entstehen – weaving in!
Konzept
Mit dem diesjährigen Motto „weaving in“ versuchen die Veranstalter*innen ein Konzept zu erarbeiten, das sich durch das ganze Festivalprogramm ziehen soll. Spartenübergreifend werden zeitgenössische und experimentelle Strömungen verbunden, wobei neue Verflechtungen und Knotenpunkte entstehen. Das Klangfestival möchte damit Lösungen anbieten, für eine Gesellschaft von Einzelkämpfer*innen, leerstehenden Gebäuden und Unsichtbarkeit. Selbst sichtbar wird das Klangfestival spätestens bei der Eröffnungsfeier. Am Freitag um 19.00 wird mit „Vabrassmas“ eine Marching und Brass Band im New Orleans Style mit fünf Blasinstrumenten, zwei Percussions und mit zwei Stimmen lautstark durch die Straßen Gallneukirchens marschieren und das Festival gebührend eröffnen.
Klänge – Freitag
„Musheen“ sind drei Frauen: Sie verwenden in etwa gleich viele Griffe auf der Gitarre, dazu Schlagzeug, Loop-machine gepaart mit politischen Texten. „Gischt“ aka Ursula Winterauer ist nicht nur Musikerin, sondern auch die Gründerin des Labels „Ventil“. „Rojin Sharafi“ wurde in Teheran geboren und lebt in Wien. Sie sieht sich selbst als Sound-Artistin zwischen akustischer, elektronisch-akustischer und elektronischer Musik. Sie arbeitet allerdings auch interdisziplinär mit Projekten aus Film, Performance und Tanz. „Mermaid & Seafruit“ ist ein polnisch-österreichisches Duo bestehend aus Magdalena Chowaniec und Markus Steinkellner. Sie verbinden verschiedenste Musikstile wie Hip-Hop, Hardstyle und Noise zu einer knallharten Reflexion auf die eigene Gesellschaft.
Klänge – Samstag
Auf geballte Live-Power kann man sich bei „Ausländer“ freuen, wenn das Kollektiv seine Show einleitet: „We support the idea of Anarchism as collective functionality without any form of authority — that’s why we are all Ausländer“. Ausländer bieten neben ihrer unmissverständlichen Haltung einen Mix aus Punk, Electro und Noise. Ein weiterer Höhepunkt am Samstag wird das Ensemble „Gabbeh“. Die unkonventionelle Besetzung aus Klarinette, Kontrabass und Gesang lässt Klangwelten verschmelzen und erzeugt einen leidenschaftlichen, österreichisch-persischen Dialog. Weitere Auftritte am Samstag: „Duo Hofmaninger/schwarz“, „Katharina Ernst“ und „Guili Guili Goulag“.
Zine, Interventions & Surprises
Zum ersten Mal wird es beim Klangfestival ein Zine geben. Aber was ist das überhaupt? Es ist auf jeden Fall kein simples Programmheftl. Es ist viel mehr als das. Es ist eine Sammlung aus verschiedensten Texten, Bildern und Perspektiven, die zusammen ein vielschichtiges Kunstwerk bilden. Unter dem Leitmotiv weaving in wurden in einem Open Call Beiträge aus den Bereichen Kunst, Kultur, Gesellschaft, Politik und Literatur gesammelt. Dieses Projekt wird am Samstag präsentiert und kann vor Ort erworben werden. So bleibt das Klangfestival und die Wieder-Verknüpfung auch über den Zeitraum des Festivals hinaus sichtbar. Mehr kann man dazu noch nicht sagen; ebenso noch nicht zu den „Interventions & Surprises“, die beim Klangfestival auf die Besucher warten und immer wieder an den Strukturen der klassischen Festivalordnung rütteln werden.
Workshop – #KlappeAuf – Styx
Abseits der zahlreichen Konzerte gibt es noch weitere musikalische Akzente. Bereits am 8. und 9. September findet ein Workshop in Gallneukirchen statt. Dabei wird im Zusammenschluss von Jugendlichen aus der Region, der Sozialen Initiative und Student*innen der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien der Soundtrack für das Klangfestival 2019 erarbeitet, aufgenommen und schließlich am Samstag, 14. September, im Soundspace #Alte Nähstube präsentiert.
Hinter #KlappeAuf steckt eine Gruppe Filmschaffender, die bei der Verleihung der österreichischen Filmpreise 2018 zum Widerstand gegen Verhetzung und Entsolidarisierung aufgerufen hat. Sie verwenden Kunst und Kultur, um auf politische Diskurse zu reagieren. Mittels Kurzfilmen wollen sie die Zivilcourage und die Solidarität zwischen den Menschen stärken. #KlappeAuf ist parteiunabhängig und führt Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen und Positionen zusammen. Das passt perfekt zum Motto: weaving in. #KlappeAuf wird am Samstag und Sonntag verschiedene Beiträge zum Festival leisten.
Wenn das Klangfestival am Sonntag dem Ende zugeht, wartet mit „Styx“ noch ein schwerer und düsterer Film, der zur leichteren Verdauung zu einem Brunch serviert wird. „Styx“ handelt von der Notärztin Rilke (Susanne Wolff), die alleine auf dem Atlantischen Ozean segelt und nach einem schweren Sturm ein in Seenot geratenes Flüchtlingsboot entdeckt. Ihre Notrufe bleiben ungehört und größere Schiffe ziehen einfach vorbei. Rilke muss selbst aktiv werden. Der Film, bei dem Wolfgang Fischer Regie führte, wurde 2018 unter anderem mit dem Deutschen Menschenrechtsfilmpreis geehrt.
Das Klangfestival bietet seinen Gästen ein äußerst umfangreiches und spannendes Programm, was viele Menschen aus Gallneukirchen, Linz und Umgebung bereits seit mehreren Jahren sehr zu schätzen wissen. Gäste von außerhalb sind auch herzlichst willkommen. So gibt es in fußläufiger Distanz zum Festival einen Campingplatz, der nicht nur idyllisch, sondern auch gratis ist. Auch hier können lose Fäden zu neuen Verknüpfungen zusammenfinden und damit dem Motto des Klangfestival 2019 gerecht werden: weaving in!
Klangfestival Gallneukirchen
13.–15. September 2019
Info: klangfestival.at
Tickets: klangfolger.kupfticket.at
klangfestival.at/tickets