Ob ich denn gerne die neuesten Gerüchte hören möchte, die derzeit über sie kursieren, fragt mich letztens eine Wiener Freundin (bestens qualifiziert, ausgebildet und vernetzt), als ich von ähnlichen, eigenen Erfahrungen erzähle. Und sie sagt, dass „wo auch immer eine Frau einen guten Job macht, mindestens ein Mann sich wichtigmacht und meint, der Job stünde ihm zu“. Ähnliches habe ich in einer kurzen Rede anlässlich der Präsentation des Linzer Frauenberichts vor wenigen Wochen zusammengefasst: „So viele Beine kann ein Stuhl nicht haben, wie Männer schon dran sägen, sobald eine Frau darauf sitzt“ – und sie ist in der Tat so evident und sichtbar wie selten, jene Angst, die patriarchal strukturierte Männer antreibt, wenn es um Frauen in Führungs- oder halbwegs guten Positionen geht. Das deutsche Wochenmagazin Die Zeit veröffentlichte kürzlich eine Zusammenfassung von 1500 Erfahrungsberichten von Frauen in unterschiedlichsten Bereichen, was Diskriminierung, Diffamierung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz betrifft und betrachtete vier davon näher. Die Aussagen der Frauen sind fürchterlich, haarsträubend, unfassbar, sie sind aber offenbar vor allem eines, zumindest, wenn man etlichen Reaktionen auf Social-Media-Plattformen Glauben schenken würde: unglaubwürdig. Es sei eine Befindlichkeitsstudie, aus der sich wissenschaftlich nichts ableiten ließe, hieß es etwa, der Bericht sei „anekdotisch“, andere – wieder Männer in erster Linie – meinten, so etwas hätten sie in ihrem Arbeitsumfeld noch nie erlebt oder gehört, also könne das wohl nur schwer wahr sein. Sichtlich hilflos fragte einer, was man denn als Mann dagegen tun könne. Mein Sohn fällt mir dabei ein, der als Medizinstudent soeben an einem Krankenhaus famulierte und einige Male entsetzt von einem Primar erzählte – und den frauenfeindlichen Sprüchen, die der immer wieder von sich gab. In Hörweite aller, die es wohl hören sollten.
Auch wenn es viele Männer gibt, denen diese Sprüche, vor allem auch die strukturellen Diskriminierungen an ihren Arbeitsplätzen wenigstens auffallen und die auch noch vielleicht etwas dagegen tun – kaum etwas scheint Männer aktuell so sehr zu einen wie der Hass auf Frauen, Machtmissbrauch und die strukturelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Typen wie Epstein und Ronaldo, Politiker wie Trump und Bolsonaro, das Vorstandsmitglied, der Kollege oder der Chef, die uns schlicht weghaben wollen, weil sie uns als störend empfinden oder der Pimpf in der Straßenbahn, der uns gegenübersitzt und meint, hier sei wohl eine unterfickt, weil sie Platz beansprucht … es ist völlig egal, in welcher Position, in welchem Alter, in welcher Hautfarbe – Misogynität eint. Ungeachtet echter, realer Bedrohungen weltweit – merklich angsterfüllt reagieren auch Medien in erster Linie angesichts drohender Verweiblichung und angeblich sich abzeichnender Übermacht von Frauen. Merklich unbehaglich sind da die Schlagzeilen, wenn es um Frauen in der Politik geht – nachgerade irritiert in deutschen Medien angesichts Merkel, Kramp-Karrenbauer und von der Leyen Ende Juli: Ist das das Matriarchat? war da merklich ahnungslos zu lesen.
Ach, wäre es das bloß. Natürlich aber ist es das nicht, das sind nur drei Politikerinnen, die in unterschiedlich patriarchal strukturierten Systemen aufgewachsen und erzogen wurden, die keinesfalls und nicht die Spur matriarchalisch agieren oder Politik machen. Wäre es das Matriarchat, wären wir längst nicht in dieser ausweglosen Situation. So kennen matriarchale Gesellschaften weder Eigentum noch Besitz, wenn es um Grundbedürfnisse wie Wohnen etwa geht, wie die deutsche Matriarchatsforscherin und Philosophin Heide Göttner-Abendroth in einem Vortrag im Wiener MAK kürzlich ausführte. Ein „gutes Leben für alle“ stünde im Vordergrund, nicht die Anhäufung und das Horten materieller Güter. Menschen würden sich nicht über Statusgüter definieren, sondern darüber, wie nahe sie dem Status einer guten Mutter kämen. Die ist im Übrigen weder biologistisch noch geschlechtlich definiert; heißt: jeder und jede kann allein durch sein/ihr Verhalten eine gute Mutter sein, unabhängig von ihrer Bereitschaft oder Befähigung, sich selbst fortzupflanzen. Verantwortung für Kinder zu übernehmen bliebe nicht länger zwei Menschen überlassen. Göttner-Abendroth hat etliche noch oder bis vor kurzem existierenden matriarchalen Gesellschaften der Erde besucht und beforscht und entwirft in ihren Vorträgen auch Modelle für die Gegenwart bzw. Zukunft und bringt bereits existierende Beispiele – neue Modelle und Genossenschaften etwa, wenn es ums Wohnen geht oder um öffentliche, gemeinsame Gärten. Das alles schürt ein wenig Hoffnung, müsste aber mehr als ein bloßes Aufflackern eines grade interessanten, weil kapitalistisch verwertbaren Kreativwirtschaftszweigs sein, vielmehr bräuchte es ein Verinnerlichen dieses Gemeinschaftsgedankens, egal ob es um Wohnen, Mobilität, Soziales oder Grundversorgung geht. Vor allem aber bräuchte es mehr politischen Willen, Plan und Radikalität. Denn mit Ideen wie diesen gewinnt man keine Gefälligkeitsbewerbe. Im Gegenteil machen Begriffe wie Feminismus und Matriarchat Angst, wie sich zeigt. Wer sich die humorbefreiten, verständnislosen Reaktionen, Postings und Tweets allein angesichts des wunderbaren hashtags #dichterdran vor Augen führt, erkennt, dass das wohl noch eine Weile so bleiben wird, quasi: „Hilfe, da rotten sich Frauen zusammen und drehen mal alles um und wir wissen jetzt nicht, ob das ernst gemeint oder eh nur Spaß ist.“
Ja, es wird noch eine Weile dauern und es werden wohl auch keine Bedienungsanleitungen verteilt. Spannend im Übrigen, dass nach der Radikalität, mit der in den letzten ca. 300 Jahren mittels patriarchal geprägter Industrialisierung und Kapitalisierung die Erde, und damit wir an unsere Grenzen gekommen sind, und mit der patriarchale Systeme die Welt im Großen und im Kleinen (siehe KTMgate in OÖ) so selbstverständlich wie nix unter sich aufgeteilt haben, überhaupt noch irgendetwas radikal erscheinen kann. Bis auch die letzten das verstanden haben, werden Frauen* derweil weiterhin Banden bilden, sich zusammenrotten, sich in gegenseitiger bedingungsloser Wertschätzung, Unterstützung und Gleichberechtigung üben. Und eine* jede* ist dabei willkommen, auch die, die halt ein bissl länger brauchen.