Nach der Verfilmung des gehypten Romans nun auch die Theateradaptierung: „Er ist wieder da“ wird aktuell im Phönix gespielt. Christian Wellmann hat sich das Stück, das noch bis Mitte Jänner läuft, angesehen und die Instant-Kritik-Kapsel to go geschluckt.
Sein Kampf geht weiter. Weil er noch immer in uns, unter uns und nun wiederauferstanden ist, fiktiv wie bei Jesus. Der Archetyp des skrupellosen Massenmörders, durchleuchtet wie wohl kein zweiter, sich morphingeschwängert als Erlöser inszenierend. „Es braucht wieder einen starken Mann …“, wie es Hitler-Schauspieler Simon Jaritz fanatisch in klassischem Befehlston knödelig rrrrauskrächzt. Das Stück muss für die Stimmbänder brutal sein – lies nach in Marcel Beyers grandiosem Roman „Flughunde“ – vor allem etliche Aufführungen, die noch bevorstehen … Die schwierig überzeugend darzustellende Figur driftet bei Jaritz nicht ins Karikatur/Kabarett-Terrain, er gibt einen glaubhaften, zeitgenössischen Führer, der seinen Müll verbal über dem Publikum ergießt. Er wirkt fast wie ein Hologramm, wie ein „Jesus Christ Superstar“-Revival für die Zehnerjahre, als Bad Cop-Variante. Nach dem Bestseller von Timur Vermes und der gerade in den Kinos laufenden Verfilmung kommt der Overkill „Er ist wieder da“ nun nach den deutschen auch auf die österreichische Theaterbretter, in der Inszenierung von Harald Gebhartl. Passenderweise in der Lieblingsstadt seiner Hauptfigur – „Linz, heimliche Jugendliebe“, wie es im Stück heißt. Das Linzer Qualitätstheater Phönix, nach 2014 heuer abermals Nestroypreis-nominiert, hat den Anspruch „politisches Theater zu machen, und auch gesellschaftskritische, aktuelle Romane zu dramatisieren“, wie es der künstlerische Leiter und Regisseur Gebhartl formuliert. Mit dieser Medien-Satire beweist er, dass sich das Buch auch als Theater-Stoff eignet: überzeichnet, und durchaus erschreckend real. Ins Mark treffen einige Speerspitzen des Stücks: dem Lager seiner hiesigen Verehrer-Partei, die als Dilettanten vor dem Führer dastehen, fehlt’s an Disziplin …
Nach 70 Jahren erwacht der Diktator in Berlin-Mitte, ein Comeback als Führer-Zombie, quasi. Wiederauferstehungs-Update. Soweit die Verschwörungsausgangslage, diesmal ganz ohne Nazi-Ufos. Kein Krieg, keine Partei, keine Blondi oder ihr Welpe Wolf, ach ja, die ham ja eine Giftampulle im „Bonker“ bekommen … Bei einer Filmproduktionsfirma taut er bald im wahrsten Sinne auf, Propaganda ist ja sein Ding. Geändert hat sich für ihn eigentlich nicht viel, eine oberflächliche Schar gehorcht ihm immer noch und vor allem wieder aufs Wort. Er spürt die dunkle Seite der Macht, die Magie der Bildschirme, der YouTube-Videos. „Internet … DAS hätte Goebbels erfinden müssen!“ Der unaufhaltsame Aufstieg in den Comedy-Olymp, hoch zu den neuen Göttern germanischer Ausgeburt. Als Comedian Unharmonist veredelt er Abgestumpftheit mit teutschen Tugenden und zeigt alte Lösungen für die neue Gesellschaft. Die – klar! – politisch völlig unkorrekte Sprache des Neo-Führers als Medienstar bringt das Publikum bei der Aufführung (zu) oft zum Schmunzeln, bis auf eine geschickt getimte Szene. Ist das noch Humor, tja. Zusätzlich schwirren nervige Lachkonserven durch den Saal, auf dass es ja weh tut – sicher, lachen über die Ur-Quelle der rechten Kloake. Dabei kritische Distanz aufzubauen ist oft schwer. Manchmal, und da wird es zappenduster, ihn gar allzu „menschlich“ zu sehen. Parallelen des Stoffs zum Klassiker „Springtime for Hitler/The Producers“ (1968) sind offensichtlich: wie wirkt Hitler auf die Gegenwart.
Die Marke Hitler gefällt, das Böse ist immer und überall, nicht nur auf Weinflaschen. Die Klone sind unter uns. An dieser Figur haben sich u. a. etliche beim Film vergriffen, wie Helge Schneider (irgendwie surreal, grandios lächerlich: „Mein Führer“), Bruno Ganz (spooky, nahe am Original: „Der Untergang“), Udo Kier (als Junkie-Adolf in Schlingensiefs „100 Jahre Adolf Hitler“, ein total verstörender Film über den zugedröhnten Kerl im „Bonker“), Chaplin (die wohl beste Satire: „The Great Dictator“), „Inglorious Basterds“, mit einem durchgeknallten, irren Hitler, wobei hier Christoph Waltz glänzt, und wohl eine der gruseligsten Nazi-Rollen auf die Leinwand bannte – oder viel zu viele TV-Comedies mit dem Führrrer-Schmäh. Der Trend scheint in letzter Zeit zuzunehmen, jahrelang hat man sich im deutschsprachigen Raum nur selten an eine Hitler-Inszenierung gewagt, nun will man immer tiefer ins Innere des Biests blicken. Ich hab da so meine Zweifel, am „Aufgeilen“, anstatt „nachdenken“ „sensibilisiert“ werden, damit meine ich vor allem filmische Werke. Viele „Titanic“-Scherze setzen das Grögfrast ebenfalls in die Gegenwart, aber um die Nuance geschmackloser und gemeiner. Unvergessen auch Hubsi Kramars Auftritt vor der Wiener Oper in Uniform, das hat gesessen! Wie Taboris Drama „Mein Kampf“ oder „Adolf, die Nazi-Sau“ des deutschen Comicautors Walter Moers. Mega-Hip, das Hipstler-„Phänomen“, Hitler-Katzen – popkulturell krass, da lacht man noch 1000 Jährchen von … Scheitel, Oberlippenbärtchen (zentriert!), knorzige Sprache: garantierte Lacher galore! Zudem läuft gerade eine neue „Erfolgsserie“ („The Man in the High Castle“): Hitler hat den Krieg gewonnen, und in den USA regieren Nazis – wohl ziemlich an Philip Roths „Verschwörung gegen Amerika“, einer Alternativweltgeschichte, angelehnt. Wem dann noch fad ist, der findet sicher auf ZDF-Info die ein oder andere Doku zum geneigten Thema, tagtäglich. Oder bis zum 1. 1. 2016 warten, denn da läuft das Urheberrecht zur Mutter aller Hetzschriften aus, sein Kampf eben, seine Bibel, dann ist er tatsächlich wieder da …
Instant-Gesellschaftskritik-Kapseln to Go.
Im Folgenden nun ein Interview mit dem künstlerischen Leiter des Theater Phönix, Harald Gebhartl, zudem Autor, Regisseur, Dramatiker und Mitbegründer des Theater Phönix Linz (1989).
Warum haben Sie gerade diesen Bestseller inszeniert?
Weil die Zeit nach einer kritischen Satire in diesem Sinne schreit! Rechtsruck in ganz Europa, Rechtspopulisten auf dem Vormarsch, Alltagsfaschismus, Ausländerhetze, Kulturverfall … der Geist eines sogenannten „Führers“ ist in Europa viel zu wach, um als Theater nicht mahnend zu reagieren!
Das Lachen über Unkorrektheit wird mit der Sprache Hitlers dem Publikum als Spielball gereicht. Kann man über so eine Farce überhaupt noch lachen oder soll das alles im Hals stecken bleiben?
Schon Charlie Chaplin hat gezeigt, dass gute Satire im Sinne von kritischer Haltung zu Diktatur und Faschismus alles darf. Satire in unserem Sinne stellt „das Böse ins Schaufenster“, führt es vor und macht es klein und lächerlich. Lachen ist dabei nur eine Nebensache.
Die deutschsprachige Unterhaltungsindustrie: Glauben Sie ist das Ende (an gutem Geschmack) bereits längst überschritten? Kann nur mehr Satire Linderung schaffen oder wird das ein „Führer“, wie im Stück, an sich reißen?
In der Unterhaltungsindustrie geht es nicht um Geschmack, es geht ausschließlich um Geld und Quote! Das schließt ein, dass „Geschmack“ in der Intuition der Medien als Idee nicht mehr vorkommt. Da schafft nichts mehr Linderung. Sogenannter „Medienfaschismus“ ist keine Frage der Zeit mehr …
Viele Anspielungen im Stück sind auf österreichische Verhältnisse umgemünzt – mit den Waffen des Theaters bloßgestellt. Sie haben dem Autor ja das Stück vorgelegt, ist dieses universelle „Deutschtum“ aufzuzeigen ihre Idee gewesen?
Es genügt alleine die Idee des Roman-Autors, den „Führer“ wieder erwachen zu lassen, um Parallelen zur derzeitigen Gesellschaftssituation, zu politischen Haltungen, zum Medienverhalten und zu politischen Machtverhältnissen zu erkennen.
Soll mit „Er ist wieder da“ eher die Jugend angesprochen werden – und liegt es in der Tradition des Theater Phönix auch einmal bewusst vermeintliche „Kassenschlager“ zu zeigen?
Mit „Er ist wieder da“ sollen alle Altersklassen angesprochen werden. Das Theater Phönix ist ein politisches Theater, das ausschließlich „brandheiße“, aktuelle Themen anspielt. Klassiker werden von Autoren bearbeitet und zeitkritisch interpretiert, Autoren schreiben Auftragswerke für das Phönix oder gesellschaftskritische, aktuelle Romane – wie im Fall – werden dramatisiert. Das macht das Phönix insgesamt zum „Kassenschlager“.