YOUKI International Youth Media Festival 2015: Wer schon einmal da war, kennt sie, die Schwermut, der einen schnell überkommt, wenn man die YOUKI nach einer Woche wieder verlassen muss. Ein paar Gedanken zum temporären Leben auf einer überirdischen Insel.
„Beyond Time and Space“ lautete das diesjährige Festivalmotto, jenseits von Zeit und Raum also. Bei Screenings außerhalb des zentralen Wettbewerbs sowie Lectures war Science-Fiction das große allumfassende Thema, es gab Zombies, Roboter, Außerirdisches und Übernatürliches. So wurden etwa wegweisende Produktionen wie „Children of Men“ von Alfonso Cuarón, „Ghost in the Shell“ von Mamoru Oshii und, weniger international bahnbrechend als national trashig, der Heimathorror „Zombies From Outer Space“ von Martin Faltermeier im Programmkino gezeigt. Aus der Reihe fiel das vor kurzem in den Kinos angelaufene Drama „Einer von uns“ von Stephan Richter. Ein bodenständiger, unaufgeregter und leiser Film, dessen Bilder trotzdem und wahrscheinlich gerade deshalb gewaltiger scheinen als jene eines schrillen Sci-Fi-Krachers. „Einer von uns“ dreht sich um den Fall Krems, als ein unbewaffneter Jugendlicher im Jahr 2009 beim Einbruch in einen Supermarkt von einem Polizisten erschossen wurde. Richter macht den Supermarkt zum Soziotop, spielt mit seiner Ästhetik, macht ihn zum Ring für Jugendliche und Erwachsene. „Einer von uns“ ist wenn, dann nur insofern Science Fiction, als dass seine Geschichte, hinter der eine medial ausgeschlachtete Realität steckt, noch heute kaum irdisch fassbar ist.
Science Fiction im Kopf
Das kann grundsätzlich eine Interpretation des Begriffs Science Fiction sein, vielleicht nicht theoretisch und akademisch, aber individuell und emotional durchaus. So ist die YOUKI eine Insel, die es eigentlich im Alltag gar nicht gibt. Eine, die kurz für eine Woche im Jahr aus dem Nichts auftaucht, alle Besucherinnen und Besucher auf- und einnimmt, ordentlich durchwirbelt und schließlich wieder ausspuckt. Dann verschwindet sie wieder, diese Insel mitten in Wels. Man kann für ein Jahr nicht mehr auf sie zurück, muss warten bis der nächste Teil, die nächste Staffel öffentlich anläuft. Bis dahin ist man sich selbst überlassen mit allen Erlebnissen, Gefühlen und Gedanken. Das tut erst einmal weh. Es ist bei genauerem Hinsehen eine Post-Festival-Depression wie jede andere. Nur anders. Beschreiben lässt sie sich schwer, weil sie eben überirdisch ist, in der Realität kaum fassbar, für Außenstehende nicht wirklich nachvollziehbar.
Auch für das Rahmenprogramm wurde der Titel „Beyond Time and Space“ ausgedehnt. Es gab einen Animations-, Arduino- und einen Regie-Workshop. Dazu noch Vermittlungsprogramme und die alljährliche Magazin-Redaktion, die mit dem Festivalmotto im Kopf eine ganze Zeitschrift füllen sollte. Das hat sie auch geschafft. Science Fiction ist immer Zukunft, irgendwie technisch, irgendwie märchenhaft. So machten sich die Redakteurinnen Gedanken zu Themen wie Asylpolitik, Feminismus und Identität. Wie würde wohl eine Welt ohne Grenzen und Rassismus aussehen (siehe Lena Steinhuber) Was, wenn es in der Zukunft gar keinen Bedarf mehr gäbe nach gleichberechtigten Arbeits- und Lebensmodellen und nach feministischer Praxis? Wie wird wohl Kultur in ein paar Jahrhunderten wahrgenommen? Was werden wir überhaupt essen? Science Fiction lässt sich jedem Bereich aufsetzen, sofern genügend Fantasie vorhanden ist. Und die war im ganz weiblichen Redaktionsteam reichlich, fast schon im Überfluss da. Ohne Einschränkungen und mit dem blinden Vertrauen gesegnet, alles tun zu können, was wir wollten, konnte das kaum unproduktiv sein.
Schöne neue Welt
Tun und lassen zu können, was man will, komplett frei zu sein in seinen Entscheidungen, ist ebenfalls eine dieser Utopien, die oftmals im Zusammenhang mit Science Fiction aufkommt. Diese und ihr exaktes Gegenteil, wie es etwa im Film „Equilibrium“ von Kurt Wimmer thematisiert wird. Wimmer baut sich darin eine Zukunftsvision, die stark an Aldous Huxleys Roman „Brave New World“ oder im gleichen Atemzug an George Orwells „1984“ erinnert, in der Identität und Individualität obsolet geworden sind. So ist auch jegliche Art von Emotion, sprich das, was Menschen antreibt oder im Umkehrschluss schließlich bremst, zur Gänze verschwunden. Wäre ein Leben ohne Emotionen denn wirklich einfacher? Oft wünscht man sich, Gefühle abschalten zu können. Natürlich nur dann, wenn sie weh tun, wenn einem das Herz gebrochen wird. Freude abzuschalten wäre absurd.
Nachdem die YOUKI eine Insel war und ist, die keine außenstehende Person jemals betreten kann, passieren dort ganz wunderbare und eigenartige Dinge, die sonst nirgendwo passieren können. Und weil die Insel keine Regeln festschreibt, fühlt man sich eingeladen, tun zu können, was man will. Man schafft sich also selbst eine Utopie, eine wirklich schöne neue Welt und lebt eine Woche darin. Dass sie zeitlich begrenzt ist, diese Welt, wissen alle Besucherinnen und Besucher, was wahrscheinlich alle noch ein Stück näher zusammenrücken lässt. Es ist alles sehr besonders und selig inmitten einer Stadt, deren Politik sich immer weiter nach rechts schiebt, deren Kultur von ein paar wenigen starken Pfeilern gehalten wird, aber keiner weiß, wie lange noch. Die YOUKI passiert in einer Blase, in der das alles kein Thema sein will. Das tut auch einmal ganz gut zwischendurch. Es ist eine Art kurze Zeitreise in eine Nicht-Zeit, in eine Parallelwelt vielleicht.
Science Fiction ist gesund
Die Besucherinnen, Mitarbeiter, Filmemacherinnen, Musiker und Partygäste, die kommen, wissen das. „Beyond Time and Space“ war vielleicht das offizielle Thema dieser Ausgabe des Festivals, lässt sich aber über so ziemlich alles spannen, was in seinem Rahmen in den letzten Jahren passiert ist und in den nächsten Jahren noch passieren wird. Ein bisschen Science Fiction schadet nicht. Auch, wenn sie nur im Kopf stattfindet. Und irgendwann schwelt auch die grausige Post-Festival-Depression ab und geht in Vorfreude auf die nächste YOUKI über. Irgendwann in den nächsten Monaten. Sie ist es halt auch wert.