Die Referentin #9 - Beiträge der Ausgabe

„Mit Eierstock und Herz gegen Kommerz“

Andrea Winter | Kolumnen, 1. September 2017
Die Referentin #9

Mit einem sensationellen Auftritt voller Leidenschaft und kraftvollem Einsatz begeisterte das österreichische Frauenfußball-Nationalteam bei der EM in den Niederlanden. Der Einzug ins Halbfinale mit einem abgebrühten, knallharten und dennoch mental lockeren (entspanntes Lachen im Gesicht!) Elfmeterschießen gegen Spanien ließ die österreichische Volksseele zu neuem Leben erblühen. Jubelschreie schallten durch die offenen Fenster in diesen heißen Sommertagen.

Die kritische Masse der VerfechterInnen der selbstverständlichen Nennung der „Töchter“ in der Bundeshymne scheint dennoch nicht erreicht worden zu sein. Wohl noch immer zu wenig Kampf. Denn entsprechend dem Vokabular der derzeitigen Frauenministerin und einer Wiener Stadträtin gibt es Dank an erfolgreiche Frauen v. a. für ihren Kampf. Aber, liebe Verantwortliche mit Außenwirkung, wir Frauen sind des Kämpfens müde. Müde. Ja, müde! Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um ständig für meinen Platz in der Welt und für meine Rechte kämpfen zu müssen. Zu viele Kämpfe.

Zu viele Kämpfe wurden auch im Fußball verloren. So gegen die übermächtigen Verbände des Männerfußballs im Jahr 1972. Nach nur dreijährigem Bestehen wurde die „FIEFF – Fédération Internationale et Européenne de Football Féminin“ in die Knie gezwungen. Oder eher auf den Boden geworfen. Die zweimalige sehr erfolgreiche Austragung einer jährlichen Weltmeisterschaft im Frauenfußball mit medialer Begleitung in den großen Zeitungen, Live-Übertragungen im Fernsehen und mit bis zu 110.000 StadionbesucherInnen (!!) in Mexiko wuchs zu einem unerträglich bittergroßen Dorn im Auge der kapitalistischen Gier und Eitelkeit der patriarchalen UEFA. Diese drohte den nationalen Fußballverbänden mit Sanktionen, sollten Frauenteams an der neuerlichen WM teilnehmen, was viele nationale Verbände veranlasste, diesen die Teilnahme zu verbieten. Es dauerte 12 Jahre, bis die UEFA einen ersten offiziellen, internationalen Bewerb im Frauenfußball ausrichtete.

Den so lobenswert kämpfenden österreichischen Fußballfrauen widmete der Hip-Hop-Musiker Kid Pex einen eigenen Song, dessen Text erwähnenswert ist. Meine Lieblingszeile: „Ohne billige Schwalbe, ohne vorgespielten Schmerz – Eierstöcke und Herz gegen Kommerz“.

Apropos Eierstöcke, auch wir Frauen haben Eier, ja wir produzieren sie sogar selbst, natürlich unbezahlt und kontinuierlich, fast ein Leben lang. Ein spezieller Dank all den Töchtern, die die Mütter dieser starken Frauen sind. Diese Frauen haben mit ihrer freudvollen Kompromisslosigkeit, ihrer taktischen Disziplin und Antizipationsfähigkeit, einem laufstarken körperlichen Einsatz, und bis auf das Elfmeter-Verhalten im entscheidenden Halbfinale, durch mentale Stärke und einem unbedingten Willen überzeugt. Dies bescherte dem ÖFB das höchste eingespielte Preisgeld mit der berechtigten (und hoffentlich erfolgten) Forderung, diese 700.000 € ausschließlich in den Frauen- und Mädchenfußball zu investieren, v. a. in die Breite, so der Fachjargon.

Lobenswert die ORF-Studiosendungen mit mehrheitlich weiblichen JournalistInnen und ExpertInnen. Auf eine weibliche Stimmbesetzung der KommentatorInnen bei der Spielübertragung bleibt zu hoffen. Aber ob das die männliche österreichische Fußballseele verträgt … oder überwiegt schon der weibliche Anteil an Fußballfans bei der Höchstquote von 1,2 Millionen ZuseherInnen (Marktanteil von 44 %), die das Elfmeterschießen auf ORF eins sahen? Da fangen die Köpfe der MarketingstrategInnen angesichts der möglichen Absatzmärkte zum Rauchen an. Der Kommerz rollt an. Ob der Frauenfußball davon profitieren kann, ist fraglich.

Profitieren werden auf alle Fälle die vielen Mädchen, die sich nun für den aktiven Fußballsport begeistern. Das Ergebnis einer Studie im Rahmen der Aktion „Together #WePlayStrong“ zur Stärkung des Frauenfußballs besagt, dass Fußball selbstbewusst macht und den Zusammenhalt fördert. Sehenswert das Video der Imagekampagne.

PS: Ab diesen Sommer lautet die Hymne: Heimat bist du großer Töchter!!

 

„Oh Burger Burger Burger – oh Nina Nina Nina ich häng zum Bild vom Krankl – dein Poster in mein Zimmer“

Liedtext-Tipp: Rot-Weiß-Rote Schwestern, Kid Pex

Sport-Tipp: Die Nr. 1 im Frauenfußball in Linz – Union Kleinmünchen (1. Bundesliga)

Andrea Winter
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