Dinner in Schwarz und Weiß
Die Referentin #42
In der kältesten Zeit des Jahres präsentieren die raumarbeiterinnen ein Dinner in Schwarz und Weiß. Im Fokus des mittlerweile traditionellen Winterdinners, das auch heuer im Raumschiff am Linzer Pfarrplatz stattfindet, stehen Begegnung mit dem Publikum und kollektives Erlebnis. Silvana Steinbacher hat die raumarbeiterinnen getroffen.

Schwarze Madeleines … hmmm, lecker! Die raumarbeiterinnen und Mother of Pearl laden am 12. Dezember zum Winterdinner. Foto Mother of Pearl
Das Raumschiff streift das Meer, süßer Schnee fällt, verkündet die Einladung, eine Momentaufnahme in Schwarzweiß, lautet dieses Jahr das Motto des Winterdinners, das bereits zum dritten Mal serviert wird. Die vier Frauen der raumarbeiterinnen haben sich für die Ausgabe heuer mit dem Düsseldorfer Kollektiv Mother Of Pearl zusammengeschlossen. Mother of Pearl setzten sich auf vielfältige Weise mit Lebensmitteln auseinander, mit ihren Texturen, mit Süße und Formen des Zuckers, verschiedenen Esskulturen, Farbe und Material, sagt Kerstin Reyer, eine der raumarbeiterinnen. Wie kann man sich ein schwarz-weißes Essen vorstellen? Angeboten werden beispielsweise schwarze Madeleines, insgesamt sind die Speisen sowohl mit natürlichen als auch künstlichen Zusätzen gefärbt.
Bevor es mit dem Winterdinner weitergeht, ein paar Worte zu den raumarbeiterinnen und Mother Of Pearl: Die raumarbeiterinnen – Sophie Netzer, Kerstin Reyer, Simone Barlian und Theresa Muhl – kennen sich bereits von ihrem Studium der raum &designstrategien an der Kunstuniversität Linz. Nach einem Atelierstipendium im Salzamt Linz festigten sich ihre gemeinsamen Anliegen und sie gründeten einen Verein. Der Raum, so wie wir alle ihn sehen und wie wir uns in ihm bewegen, ist kein architektonischer mit künstlichen Grenzen, das Kollektiv versteht Raum vor allem als soziales Geflecht. Und daraus leiten sich Fragen ab: Was macht der Mensch im Raum, wie verhält er sich zu ihm? Im Vordergrund der Projekte der vier Frauen steht das Hinterfragen des Nutzungsverhaltens sowie die Förderung von Kommunikation und Diskurs direkt vor Ort.
Mother Of Pearl haben raumarbeiterinnen in St. Florian kennengelernt, wo beide Kulturkollektive innerhalb des Ausstellungsgeländes für zeitgenössische Kunst, flora pondtemporary, vertreten waren. Das Düsseldorfer Kollektiv Mother Of Pearl hat vor vier Jahren die gleichnamige künstlerisch-architektonische Intervention Mother Of Pearl in St. Florian bei Linz geplant und gebaut. Der Pavillon wurde extra für einen der Karpfenteiche des Stifts St. Florian konzipiert.
Soweit der Einschub, jetzt aber wieder zum Winterdinner: Am 12. Dezember 2025 erwartet das Publikum ein Programm, bei dem auch der reizvolle Raum des Veranstaltungsortes „mitspielen“ soll, sagt Sophie Netzer. Und so wird vom Aperitif, den Appetizern und dem Hauptgang bis zum Dessert alles – und alles in Schwarz-weiß wie gesagt – in verschiedenen Räumen des 1700 Quadratmeter großen Raumschiffes angeboten. Das Publikum sitzt aber nicht an einer Tafel, sondern bewegt sich durch die Räume. Winterdinner wird erst durch die Teilnahme der Besucher:innen belebt, sie sind wesentlicher Bestandteil des Projekts. Es wären aber nicht die raumarbeiterinnen und Mother Of Pearl, wenn es nur um kreatives Essen ginge. Auch Musik – diesmal von der deutschen Musikerin und Performancekünstlerin Magdalena Spinka – und eine Ausstellung sind Bestandteil des Abends, der um 17:30 Uhr beginnt.
Die begleitende Ausstellung im Raumschiff am Pfarrplatz ist dann noch am anschließenden Wochenende zu sehen. Sie zeigt Resultate des Dinnerevents sowie Arbeiten von Mother Of Pearl im Kontext von Essen und Esskultur.
Bereits einige Tage später wird in der mobilen Artist Sauna der raumarbeiterinnen unter dem Titel „How to collective?“ bei hitziger Temperatur in und an Plätzen rund um die Stiftsteiche in St. Florian diskutiert. Warum gerade eine Sauna? Die Sauna ist ein total demokratischer Raum, die Hierarchien sind aufgehoben, sagt die raumarbeiterin Simone Barlian. Im Zuge der Kulturhauptstadt 2024 realisierte das Kollektiv gemeinsam mit der Kunstuniversität Linz das Projekt Plateau Blo am Traunsee in Gmunden, und auch hier kam diese mobile Sauna bereits zum Einsatz. Es wurde an Orten am See zu gesellschaftlichen und kulturellen Themen diskutiert.
Um zu verdeutlichen, wie aktiv das Kollektiv raumarbeiterinnen ist, abschließend noch ein paar Aktionen der vergangenen Zeit:
Hausbesuche, Performancekunst für Zuhause (Gemeinschaftsprojekt mit den Fabrikanten): Es ist alles andere als selbstverständlich, seinen privaten Rückzugsort fremden Menschen zu öffnen, wie das konzeptuell bei den Performance-Hausbesuchen vorgesehen war. Eine Gastgeberin sieht es als neue Erfahrung, ein anderer als nahe Begegnung. Einige Performer:innen empfanden es als zwar neu, aber nicht unangenehm, vor nur drei oder fünf Personen in Privaträumen aufzutreten.
Niemand lügt im Wasser von Sophie Netzer und Kerstin Reyer: Vor der Kunsthalle Wilhelmshaven hängt eine Installation mit einer überdimensionalen metallenen Muschel. Sie erzählt von Wasser und Wahrheit, sie ruft uns ins Gedächtnis, dass Wahrheit kein überprüfbarer Tatbestand ist, sondern etwas, das wir gemeinsam festgesetzt und verhandelt haben. Stichwort Wilhelmshaven: raumarbeiterinnen geht es bei jedem ihrer Projekte um Austausch, um Vernetzung, um Ausweitung, was sich etwa auch in der Zusammenarbeit mit Mother Of Pearl zeigt.
Und was ist die räumliche Konsequenz, Ausstellung in St. Pölten: Diese Schau stellt die Frage nach der Veränderung der Gesellschaft bezüglich des Raumes. Das Projekt kreist um die Thematik, was die Kunst für die jetzige Gesellschaft tun kann und vice versa.
Noch einmal um den Block, Videowalk zur Selbsterfahrung: ein typisches Projekt der raumarbeiterinnen, geht es hier doch um das Wahrnehmen, das Erfassen des Raumes. Eine in sieben Abschnitten erzählte Geschichte lässt die Stadt Salzburg im jeweils eigenen Tempo individuell erfahren und erleben. QR-Codes auf einer beigefügten Karte führen zu den entsprechenden Videos.
Und schließlich
Schichtarbeit: In der ehemaligen Papierfabrik Steyrermühl nähern sich die raumarbeiterinnen performativ der Arbeit, den Räumen der Arbeit und den Menschen darin.
Das sind nur einige Projekte des Kollektivs. Auffallend dabei ist die Vielzahl und die dichte Aufeinanderfolge.
Doch zurück zur unmittelbaren Zukunft: Jetzt laden die raumarbeiterinnen erst einmal ins Raumschiff zum Winterdinner und einige Tage später zum Schwitzen und Diskutieren an den Stiftsteichen in St. Florian.
Winterdinner
12. 12. 2025, 17:30 h: Dinner (Ticket erforderlich)
21:00 h: Vernissage und Konzert von Magdalena Spinka (Ohne Ticket)
Raumschiff, Pfarrplatz 18, 4020 Linz
Die begleitende Ausstellung ist im Raumschiff am Samstag 13. 12. und Sonntag 14. 12. von 14:00 bis 17:00 h geöffnet.
raumarbeiterinnen.org/winterdinner2025
Artist Sauna
17. 12. 2025, 15:00 bis 19:00 h
Stiftsteiche St. Florian, Bachgasse, 4490 St. Florian
Redaktionell geführte Veranstaltungstipps der Referentin
(5. Dezember 2025)