Die Referentin #42 - Aktuelle Beiträge

GLASHAUSFANTASIE

Genoveva Rückert | Kunst und Kultur, 4. Dezember 2025
Die Referentin #42

Ein Glashaus in seiner einfachsten Form begleitet die freundinnenderkunst seit 2020. Das konventionelle Gewächshaus ist reich an vielschichtiger symbolischer Wirkkraft und eröffnet damit ein weites Themenfeld zum Fantasieren, daher auch der Titel der Ausstellung im Francisco Carolinum Linz. Genoveva Rückert, Kuratorin der Ausstellung, über eine Präsentation auch anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Künstlerinnengruppe. 

Ausstellungsansicht, freundinnenderkunst GLAUSHAUSFANTASIE.
Ausstellungsansicht, freundinnenderkunst GLAUSHAUSFANTASIE. Foto kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez 

GLASHAUSFANTASIE 1–10

Ein Glashaus als Labor und Bühne für Performances war von 2020 bis 2022 der Ausgangspunkt für zehn Inszenierungen und Interventionen des Künstlerinnenkollektivs freundinnenderkunst. 
Als Readymade aus dem Baumarkt wurde das Gewächshaus zum Atelier, Treibhaus und Labor – ein Ort für künstlerische Experimente, poetische Annäherungen und kollektive Überlegungen. Der einfache und rundum einsehbare Raumkörper wurde während der Zeit des gesellschaftlichen Rück­zugs in der Corona-Pandemie als Rahmen, Ort der Forschung und des kreativen Austauschs genutzt. Vorstellungen von Freiheit, Wachstum und Begrenzung wurden damit auf poetische Weise hinterfragt. 

Das Glashaus mit seiner Enge und Schutzfunktion wurde zum treffenden Symbol für das, was kollektiv in der Pandemie erlebt wurde. Nach der Erkundung im Innenraum im Jahr 2020, machte sich das Objekt im Jahr 2021 auf den Weg durch eine leere Stadt, um vor großen Kulturinstitutionen Kontakt aufzunehmen, und migrierte 2022 in seine natürliche Umgebung, die kultivierte Natur. 

Das Glashaus als Objekt und in Variation

Das 247 × 185 × 208 cm große, handelsübliche Glashaus aus Kunststoff und Aluminium erscheint in jedem Raum der Ausstellung anders. Es wird konzeptuell durchleuchtet und formal durchdekliniert: 
In seiner Grundform ist es ein Schauraum für die Edition und Pop-up-Ausstellung aus der Schachtel der ersten zehn GLASHAUSFANTASIEN mit ihren Werken. Die Stahlunterkonstruktion dreier Glashäuser, die ein Jahr im Botanischen Garten gelebt und hörbar „geatmet“ haben, wird ohne schützende Fassade zur Skulpturengruppe „GLASHAUSFANTASIE 10“ (2021). Die Skulpturen waren zuletzt am Attersee im Außenraum installiert und sind nun ins Francisco Carolinum in den Ausstellungsraum gezogen.
Im Stiegenhaus des Francisco Carolinum Linz erscheint das Gewächshaus in seine Seitenflächen zerlegt als Mobile. Die ortsspezifische kinetische Installation „GLASHAUSFANTASIE 12, Mythos“ (2025) ist eine poetische, leichte Transformation und eine Reflexion über die Auflösung des begrenzten Raums im erweiterten institutionellen Raum des historistischen Musentempels.
Das Francisco Carolinum mit seinem gläsernen Dach wirkt mit seiner Oberlichte selbst wie ein Glashaus, in dem die Seitenteile formal als Displays fungieren und der Präsentation von Videos und Fotografien dienen – im Raum, der dem Artist-in-Residence-Aufenthalt in Namibia gewidmet ist.

Artist-in-Residence-Aufenthalt in Namibia

Ausgehend von ihrem 11-tägigen Aufenthalt in Namibia entwickelten die freundinnenderkunst als Teil der Langzeitperformance die Arbeiten „GLASHAUSFANTASIE 11“ (2024–2025), die wiederum vom Glashaus ausgehen. Das auch in Afrika gebräuchliche Gewächshaus wird zum symbolischen Raum für ein geschütztes Klima und fungiert als Ausgangspunkt für die performativen Inszenierungen des Kollektivs. Die Künstlerinnen setzen sich mit ihren Kostümen in Bezug zur Landschaft, eine auf über 1000 Höhenmeter gelegene Dornstrauch-Savanne an der Grenze zur Kalahari. Der monochrome blaue Himmel und die besonderen Lichtsituationen wurden ebenso für die Konzeption der Bildideen aufgegriffen, ebenso wie auch sich vor Ort aufdrängende Themen wie Jagd, Land und Ter­ritorium sowie Grenzen. In einer narrativen Präsentation von Fotoserien, Videos und Textauszügen aus dem Logbuch wird der Prozess und seine Dynamik sichtbar gemacht. Eine dreiteilige Fotoserie zeigt die Künstlerinnen, die die Motive „Fahne, Tiere und Zaun“ in den inszenierten Fotografien performativ darstellen.

Die freundinnenderkunst in Namibia.
Die freundinnenderkunst in Namibia. Foto freundinnenderkunst

Über die freundinnenderkunst

Das 1999 in Linz gegründete Künstlerinnenkollektiv freundinnenderkunst arbeitet in Linz an der Schnittstelle von Performance, Fotografie, Intervention und feministischer Kunstpraxis. In kollektiver Autorinnenschaft entwickeln die Künstlerinnen prozessorientierte Projekte, die sich mit gesellschaftlichen, politischen und räumlichen Themen auseinandersetzen. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch bewusste Selbstinszenie­rung, performative Strategien und eine vielschichtige Bildsprache aus. Sie thematisieren Gegenwartserfahrungen und erzeugen neue visuelle Narrative jenseits etablierter Rollenbilder.
Die Gruppe ist bekannt für ihre feministisch fundierte, reflexive Arbeitsweise und arbeitet mit Partner:innen und Institutionen auch abseits des Kunstsystems zusammen. Zentrale Bestandteile ihrer Praxis sind Lang­zeitprojekte und ortsspezifische Performan­ces, die häufig im öffentlichen Raum oder in experimentellen Ausstellungskontexten stattfinden.

Das Werk der freundinnenderkunst verbindet fundierte Analyse mit ästhetischer Poesie und aktivistischer Geste. Es umfasst inszenierte Fotoarbeiten und Performances mit performativer Freiheit. Damit beweisen die Künstlerinnen, wie Kunst gesellschaftliche Rollenbilder nicht nur reflektiert, sondern aktiv transformiert. Als Künstlerinnen und Performerinnen gestalten sie einen kollektiven Prozess, der in seiner Offenheit und Vielfalt beispielhaft ist. Die freundinnender­kunst sind ein dynamisches Modell kollektiver Kunstproduktion, das sowohl historische als auch gegenwärtige Rollenverhältnisse hinterfragt und neu verhandelt.

Zu den langjährigsten Werkzyklen zählt die Serie „GLASHAUSFANTASIE“ (2020–2025), in der ein Readymade-Gewächshaus als symbolischer Raum für Schutz, Transparenz und Begrenzung in unterschiedlichen Kontexten performativ und fotografisch verhandelt wird, zuletzt im Rahmen eines Artist-in-Residence-Aufenthalts 2024 in Namibia. Die Ausstellung GLASHAUSFANTASIE im Francisco Carolinum Linz markiert zugleich das 25-jährige Bestehen des Künstlerinnenkollektivs, das sich durch kollektive Autorinnenschaft, eine kritische Bildsprache und eine prozessorientierte, me­dienübergreifende Arbeitsweise auszeichnet.

Aktuell besteht das für seine feministische Praxis bekannte Kollektiv aus den Künstlerinnen und Gründungsmitgliedern Claudia Dworschak, Helga Lohninger und Viktoria Schlögl und seit 2016 Marion Klimmer.

Claudia Dworschak ist Künstlerin und Kul­tur­arbeiterin. Sie studierte Audiovisuelle Me­dienge­staltung an der Kunstuniversität Linz und arbeitet an freien Kunst- und Videoproduktionen. 

Marion Klimmer ist Künstlerin und Videocoach bei der VSG AusbildungsFit Factory. Sie studierte ebenfalls Audiovisuelle Medi­engestaltung an der Kunstuniversität Linz.

Helga Lohninger ist Künstlerin und diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Sie absolvierte ein Studium der Visuellen Me­diengestaltung an der Kunstuniversität Linz.

Viktoria Schlögl ist Künstlerin, Grafikdesig­nerin und Lehrende im Bereich Kommunikationsdesign.

Ingrid Schöndorfer prägte als Gründungsmitglied die frühe Phase und Martina Kornfehl seit der Gründung die langfristige Entwicklung der Gruppe. Letztere war gemeinsam mit Maria Meusburger-Schäfer bis 2021 Teil der Gruppe.    

freundinnenderkunst.at 
glashausfantasie.at

Ausstellung 
freundinnenderkunst
GLASHAUSFANTASIE
Ausstellungsdauer: bis So., 08. Februar 2026
Buchpräsentation: Do., 05. Februar 2026, 17:00 h 

Genoveva Rückert
ist Kunsthistorikerin und Kuratorin für zeitgenössische Kunst in der OÖ Landes-Kultur GmbH und verantwortet das Artist in Residence Programm OÖ AIR. Davor war sie im OK Centrum für Gegenwartskunst Kuratorin und leitete ab 2011 im OÖ Kulturquartier die Abteilung für Entwicklung und Vermittlung. Seit 2005 ist sie Lektorin an der Kunstuniversität Linz. Arbeitsschwer­punkte: Zeitgenössische Kunst, Rauminstallation und Medienkunst in institutionellen Räumen, Kunst im öffentlichen Raum und Raumtheorie.
Aktuelle Ausgabe
Dezember 2025/Jänner/Februar 2026
Die nächste Ausgabe erscheint am 6. März 2026.
Das professionelle Publikum

Redaktionell geführte Veranstaltungstipps der Referentin
(5. Dezember 2025)

25. November 2025 bis 10. Dezember 2025
splace am Hauptplatz
12. Dezember 2025
Raumschiff
12. Dezember 2025 17:30
Raumschiff
12. Dezember 2025 bis 14. Dezember 2025
Winter Market
17. Dezember 2025 15:00
Florianer Stiftsteiche
Weitere Beiträge dieser Ausgabe
Zufällige Beiträge aus dem Archiv
Über uns

Die Referentin ist ein freies Zeitungsprojekt und veranstaltungsbezogenes Print- und Onlinemedium, das zeitgenössische Kunst und Kultur in Linz und darüber hinaus fokussiert. Die Referentin erscheint vierteljährlich und bietet: zeitgenössische Bezugsrahmen, längere Texte, inhaltliche Auseinandersetzungen, beste Referenzen – in der Stadt, aus der Stadt und darüber hinaus!

Die Referentin liegt in diversen kulturellen Institutionen und anderen Szene-Knotenpunkten in Linz und darüber hinaus ständig auf.

Kooperation Versorgerin

Die Referentin ist ein Kooperationsprojekt 
mit der Zeitung Versorgerin und wird auch gemeinsam mit der Versorgerin vertrieben.

Abo

Die Referentin kommt mit dem Kooperationsblatt Versorgerin gratis ins Haus.

Sie möchten Die Referentin mit einer Spende unterstützen?

Inserieren

Wir bieten Inserat-Platzierungen im ganzen redaktionellen Teil der Referentin sowie im Professionellen Publikum, einem Zeitungsteil mit redaktionell ausgewählten Veranstaltungstipps.

Vorgängerprojekt

Das Vorgängerprojekt der Referentin war die Zeitung spotsZ

Von 2006 bis 2010 sind 42 Ausgaben des Heftes spotsZ erschienen, die monatlich in Form von unabhängiger redaktioneller Berichterstattung das Kultur- und Kunstgeschen in Linz thematisieren.