B-Girling, Breakdance, Popkultur, zeitgenössischer Kontext: Junge Kunstformen der Bewegung betreibt Silke Grabinger mit Formaten wie SILK Fluegge Art Performance, Youth Audience und Youth Interventions. Franz Michael Woels hat sie getroffen.
Die Breakdance-Szene in Österreich ist laut Silke Grabinger überschaubar. Deshalb kümmert sie sich mit ihrem KünstlerInnen-Kollektiv SILK Fluegge speziell um die Jugendförderung. Angesiedelt ist SILK Fluegge zur Zeit noch in der Tabakfabrik Linz, hier wird an Aufführungen in Theatern, Interventionen in musealen und öffentlichen Räumen geprobt. Wie in der Akrobatik schätzt auch hier Silke Grabinger die Herausforderung: „Ich produziere mit SILK Fluegge Youth Audience für junges Publikum. Ab diesem Jahr nun auch bewusst für +16. Man denkt immer, dass Produktionen für Jugendliche einfacher durchzuführen sind als Produktionen für Erwachsene, aber das stimmt meiner persönlichen Erfahrung nach nicht. Ich finde, es ist genau umgekehrt, der hohe Anspruch ist für junges Publikum zu produzieren. Das ist ein hartes, schwer zu fassendes Publikum.“ Pionierarbeit zu leisten scheint für Silke Grabinger selbstverständlich zu sein: „Ich war als B-Girl eine der ersten Frauen aus Linz, die international bei Battles getanzt hat und ich habe es nicht leicht gehabt. Du musst dir überhaupt erst mal eine Position schaffen. Die Breakdance-Szene ist immer noch stark männerdominiert, aber ich stelle gerade mit dem B-Girl Circle 35 B-Girls aus Linz auf, das ist weltweit einzigartig.“ Und weiters zu ihrer Verortung in der Tanzszene ergänzt sie: „Breakdance hat sich orientiert an Stepptanz, an Capoeira, tänzerisch wie kämpferisch, an afrikanischen Tänzen und traditionellen Tänzen. Alles funktioniert im Kreis. Breakdance ist ja extrem extrovertiert, in your face. Das ist ja auch ein Spannungsmoment zwischen zeitgenössisch performtem Tanz und Breakdance. Introvertierte Performances als Gegenpart zu Breakdance oder Urban-Styles – für mich ein großes Thema. Ich fühle mich ja manchmal wie ein Alien in der Tanzszene, ich habe ja nie Tanz, sondern Grafikdesign und Raum- und Designstrategien studiert, beziehungsweise studiere zur Zeit Film, und habe die Bewegungen autodidaktisch kennengelernt.“
Da Silke Grabinger also keine klassische Tanzausbildung hat, kann es zu folgenden Situationen kommen: „Ich habe ja nicht gelernt, wie man sich als Tänzerin zu verhalten hat. Für Produzenten ist das manchmal irritierend, wenn ich ganz klar sage, was ich möchte. Das ist auch der Grund, warum ich gerne in der Freien Szene bin.“ Selbstbestimmung ist der künstlerischen Leiterin somit von großer Bedeutung: „Ich will in einer Position sein, in der ich entscheiden kann, welches künstlerisches Risiko ich eingehe. Das ist doch schließlich auch ein Grund, warum ich Kunst mache: der Wunsch Risiken einzugehen, ein Arbeiten ohne „Sicherheitsnetz“, ein Entwickeln und Adaptieren von neuen Theorien und Systemen.“ Sie sieht ihre B-girling/B-boying/Breakdance Stücke nicht bloß als reine Unterhaltung mit Wow-Effekten, sondern als „ein weiteres Bewegungsmaterial um eine Bildhaftigkeit auf der Bühne umzusetzen. Es bleibt nicht in der Akrobatik verhaftet, in der Kunstform der Bewegung, sondern es wird als Erzählform verwendet.“
Durch ihre Auseinandersetzung mit dem Medium Film erkannte sie unter anderem, dass „du ja bei Film den Vorteil hast, die Perspektive des Zuschauers lenken zu können. Bei einer Aufführung haben wir meist die normale 4. Ebene Sitzposition, eine frontale Sicht. Wie geht man damit um? Ich bin da sehr penibel und teste Sitzpositionen um zu sehen, wer was sieht.“
Schwerpunkte bei SILK Fluegge sind neben SILK Fluegge Art Performance und SILK Fluegge Youth Audience auch Kunst- und Kulturvermittlung im Rahmen von SILK Fluegge Youth Interventions. Sie beinhalten sowohl Kurse als auch Workshops für Anfänger bis zur Masterclass: „Die ganzen Jugendlichen, die über die Schiene der Breakdance-Battles Queen & King of Styles von Elements of Style zu uns kommen, haben die Möglichkeit, in den Performance und Theaterbereich zu wechseln oder Kunstprojekte auszuprobieren. Sie können sich im Rahmen von Praktika ansehen, wie wir so arbeiten. Wir gehen auch mit diversen Projekten in Schulen und finden so auch neues Publikum, das sich von dieser Kunstform einen Begriff machen kann.“ SILK Fluegge kooperiert auch mit Gästen im Studio in der Tabakfabrik Linz, dazu gehören auch die Uncurated Encounters. Junge KünstlerInnen haben nach Einsendung eines kurzen Konzeptes die Möglichkeit, an einem Abend kurze oder längere unfertige Arbeiten, ohne Kuratierung oder Auswahlverfahren, einem interessierten Publikum zu präsentieren. Im direkten Anschluss daran gibt es dann Publikumsgespräche, um über die jeweiligen Stücke zu reflektieren.
Abschließend noch einmal Silke Grabinger zum Kontext ihrer Arbeiten: „Und ich komme ja vom B-Girling/Breakdance mit seiner Popkultur-Geschichte und arbeite mit popkulturellen Themen, stelle diese aber auch immer in einen zeitgenössischen Kontext. Man muss dabei manchmal haarscharf am Klischee vorbeigehen, um ein gewisses Publikum anzureizen – um sie dann zu ganz anderen Themen rüberzuziehen und dafür zu öffnen.“
Das Kollektiv SILK Fluegge besteht im Kern aus der Choreographin Silke Grabinger, der choreographischen Assistentin und Projektleiterin Olga Swietlicka, aus der Videokünstlerin und 3D-Animateurin Magdalena Schlesinger und der Dramaturgin Angela Vadori. Alle weiteren Mitwirkenden, Tänzerinnen und Tänzer des Fluegge-Teams sind auf www.silk.at zu finden.
Premiere „Disappear“ 6. 12., 20.00 h, Central Linz, Vom Verschwinden in der Welt des Anderen