Die freundinnen der kunst sind ein Künstlerinnenkollektiv, das Kunst und Performanceprojekte seit vielen Jahren auf unbestechliche wie subtile Weise umsetzt. Dieses Jahr wurde etwa der OK-Höhenrausch mit Skyblow, einer Austreibung von bösen Geistern, eröffnet. Im Herbst folgt in der gfk eine Reihe von Interventionen zur Angst. Über einige angstlust-luftige Querverbindungen bei den freundinnen der kunst und ein seelenverwandtschaftliches Treffen im Lentos schreibt Tanja Brandmayr.
Seit 1999 arbeiten die freundinnen der kunst als Künstlerinnenkollektiv in Linz. Die Gründungs- und Kernmitglieder sind Claudia Dworschak, Helga Lohninger und Viktoria Schlögl. Das der Kunstszene jahrelang als 4er-Konstellation bekannte Kollektiv wurde 2012, nach dem Austritt von Martina Kornfehl, über wenige Jahre zum Trio. 2015 wurden die freundinnen der kunst mit einer jahresprogrammatisch durchinszenierten Erweiterung nämlich zeitweilig wieder mehr („2015 sind wir mehr“). Und seit 2016 besteht das Kollektiv nach der Aufnahme zweier zuvor temporärer Kollaborateurinnen fix aus fünf Personen: Marion Klimmer und Maria Meusburger-Schäfer wurden damit zu Beginn des Jahres zu permanenten freundinnen der kunst.
Skyblow und himmeln
Bereits in Fünferkonstellation konzipiert und zelebriert wurde im Mai 2016 die Eröffnungsperformance des OK Höherausches: „Skyblow“ versammelte 22 Kunst- und KulturaktivistInnen unter der Dirigentschaft von Thomas Pichler zu einem Laubbläserorchester, das die Komposition des Dirigenten durch gekonnt getaktetes Ein- und Ausschalten ebenso vieler Laubbläser zum Tönen brachte. Das Spiel erfolgte auf Sichtkontakt: 22 hochkonzentrierte Augenpaare auf den Dächern rechts und links des Platzes ließen den Dirigentenberserker für zweieinhalb Minuten nicht aus den Augen und erfüllten gehorsam die in den Himmel blasende Geräuschanweisung. Eröffnet wurde das Höhenrausch-Format also mit einem gleichzeitig seriösen Spektakel aus Inszenierung, Hierarchie und Performance sowie einer Persiflage darauf. Und so manche ZuseherIn dachte wohl nicht nur an die bösen Geister, die unter anderem ausgetrieben werden sollten, sondern auch an subtil verblasene Kunstkonventionen, Kunstavantgarden und Kunstspektakel an sich (die freundinnen griffen Ängste, Illusionen, allgemein die diffusen Bedrohungen laut Ausschreibungstext in einem grotesken Akt des Reinigens „mit viel luft und lärm an“). Umfassende Reinigungsrituale also jenseits der Gartenzäune – und andere Himmels- und Luftkontexte im OK bereits zuvor: War Skyblow 2016 eine performative Inszenierung der freundinnen vor größerem Publikum, bei der ein Konzept mit vielen AkteurInnen und vor Publikum umgesetzt wurde, ist, was die Herangehensweise des Kollektives selbst betrifft, ein anderes Projekt vielleicht sogar bezeichnender, das bereits 2010 am Dach des OK performt wurde: Als Teil der Serie „Sehnsucht“ wurde „himmeln“, ein traumhaft leichtes Trampolinspringen in Hochzeitskleidern, von den freundinnen ohne Publikum durchgeführt. Was bei „himmeln“ dabei als typisches Merkmal herangezogen werden kann: Als Inszenierung von Erfahrung stehen Aktion, Einzelne und auch die Gruppe im Zentrum – und eben nicht das Agieren vor Publikum. Ebenso zeigen die Konzepte der freundinnen nicht ein, wie in den 60er und 70er Jahren üblich, performatives körperliches Ausagieren an (auch wenn sie dieses Ausagieren durchaus zitieren), sondern rücken eine Art planerischen Absichts- und Erfahrungshorizont des Kollektiv selbst ins Zentrum ihres Interesses. Was die Art der Erfahrung charakterisiert, scheinen die Konzepte der freundinnen eine gewisse feierliche Leichtigkeit sich selbst zu verordnen, auch wenn etwa die „Hochzeit“ am himmeln-Trampolin vielleicht bis zur Erschöpfung ausgekostet wurde. Übrig bleiben zumeist Fotomaterial und diverse Dokumentationen, was als Teil des Prozederes ebenso als wesentlich erachtet werden kann. Die freundinnen kommen aus der bildenden Kunst, haben sich zu performativen Formaten entwickelt und, gerade wegen der Flüchtigkeit und Verborgenheit dieser Formate, früh eine Entscheidung zur Dokumentation getroffen. Dabei scheint sich das Prozedere von der Performance als gemeinsam inszenierter – oder auch designter – Erfahrungsakt bis hin zum Fotomaterial als Ergebnis in den letzten Jahren noch verdichtet zu haben. Dazu aber weiter unten mehr.
Die Damen und andere Bezüge
Natürlich nicht zufällig gewählt fand das Gespräch mit den freundinnen der kunst im Lentos statt: Ingeborg Strobl, die derzeit dort ausgestellt ist, war für ein paar Jahre Mitglied der Gruppe „Die Damen“, denen sie in der Schau eine einzelne Vitrine gewidmet hat. In der Damen-Vitrine befinden sich Schuhe in 80er-Jahre-Zebra-Design und eine Einladungskarte: „Ona B, Evelyne Egerer, Birgit Jürgenssen, Ingeborg Strobl bitten aus gegebenem Anlaß am 8. Jänner 1988 um 19 Uhr in das Bahnhofsrestaurant 1. Stock Wien Westbahnhof“. Befragt nach einer möglichen künstlerischen Verwandtschaft zur 4er-Formation der Damen entspinnt sich rund um die Vitrine ein Gespräch über den Umgang mit Klischees aus Kunst, Dasein und „damenhaft“-förmlicher Haltung; die ironische Stilisierung, die subtile Herangehensweise an Rollenbilder und Frauenbilder, den feministischen Kontext und die Inszenierung der Gruppe als eigenes Thema; eine Inszenierung der eigenen Künstlerinnenschaft, die viel leiser, humorvoller, aber dennoch kräftig war; anders, als die männlichen Kollegen das in den 80ern praktizierten („Die Männer sind damals aber alle gekommen“, O-Ton freundinnen). Und auch wenn die Damen im freundinnen-Gründungsjahr 1999 bereits längst aufgelöst waren, bezeichnen die freundinnen ihre spätere Entdeckung der Damen, und die hier und dort stattfindenden Inszenierungen als Gruppe und der ironisch gestalterischen (Rollen)Konzepte bis hin zu gerne verwendeten Dresscodes, sowohl als verblüffende Seelenverwandtschaft wie als hochinteressantes vergleichendes Zeitdokument im feministischen Kontext.
Lassen sich zu Ingeborg Strobl, bzw. aus deren Mitgliedschaft bei den Damen Verknüpfungen herstellen, beziehen sich die freundinnen der kunst in einem größeren Kontext außerdem auf aktuelle Praxen und Diskurse zu Kollektivität, Kooperation und Kollaboration: Vorangestellt findet sich auf den Netzseiten ein Zitat der bolivianischen Aktivistin Maria Galindo „I can work with you because I can speak for myself.“ Die freundinnen verweisen neben dieser emanzipativen Kraft der Einzelnen außerdem auf die Entwicklung der heutzutage anderen, meist selbst entworfenen und formulierten Zielen und Praxen von Kollektiven. Eine Programmatik, deren Entwicklung und Gestaltung, wie bereits angesprochen, geradezu selbst zum inhaltlichen und ästhetischen Thema der freundinnen der kunst geworden ist; und die auch wahrscheinlich an sich unabgeschlossen, weiteres Thema bleiben wird. Neben dem aktivistisch-emanzipativen Zitat von Maria Galindo könnte man ebenso einen kunsttheoretischen Konnex zur „togetherness“ von Nicolas Bourriaud herstellen, und seiner Forderung nach dem sozialen Moment innerhalb einer Werksstruktur. Neue Ästhetiken entstehen allerorts, bzw sind in der jahrelangen prozesshaften Thematisierung der freundinnen bereits entstanden. Wobei man betonen kann, dass der Diskurs über den Prozess des Gemeinsam-Seins bei den freundinnen der kunst wahrhaft gemeinsam gekocht wird: Anhand der Überprüfung der eigenen künstlerischen Konzeption, der Erfahrung, wie sich das Individuelle sowie Gemeinsame anfühlt. Das Ich also im Wechselspiel mit der togetherness, wenn man so will, oder auch mit einem permanenten Diskurs in der Gruppe, was Kollaboration oder auch damit zusammenhängende Begriffe wie Autorinnenschaft anbelangt, ist also eigentliches künstlerisches Material unter anderen konventionelleren Materialien der Kunst. Natürlich thematisiert sich das Kollektiv dabei nicht nur selbst, sondern spiegelt sich auch in Gesellschaft, bzw. nimmt gesellschaftliche Thematiken ins Kollektiv herein, um sie im Prozess zu überprüfen. Bei alldem handelt es sich also um theoretisch unterfütterte Dinge, aber vor allem auch um Tatbestände, die einen im künstlerischen Prozess unmittelbar betreffen; und für die man für sich und eine engere oder sich erweiternde Gruppe auch Verantwortung übernehmen will und kann. Und, was das engere Prozessdesign, die „Spielregeln“ des Kollektivs anbelangt, galt diese Umsichtigkeit besonders auch für das Erweiterungsjahr 2015, denn im Originalton sollten nicht alte Rezepte und bereits bekannte Themen über neue Menschen gestülpt werden: „Für die Dauer der Zusammenarbeit gibt es neue Ordnungen und eine neue Dramaturgie der Konzeption durch die Erweiterung des Kollektivs“.
Gewalt und Angst
2015 wurden die freundinnen nicht nur mehr, sondern „2015 war alles Gewalt“, so die freundinnen im Interview. Aus der Gruppe heraus wurde zu Beginn des Jahres ein Bedürfnis formuliert, „lauter zu sein“. Es wurden drei programmatische Formulierungen gefunden, mit denen man jeweils außenstehende KünstlerInnen ansprach: Sozusagen handelte es sich um drei jahresprogrammatische Formulierungen, mit der jeweils eine Person/Gruppe von außerhalb angesprochen wurde. Bei den in der Folge beschriebenen beiden Projekten handelte es sich um diejenigen, mit denen die Protagonistinnen Marion Klimmer und Maria Meusburger-Schäfer zu fixen freundinnen wurden.
Bei „die sache auf den punkt bringen“ im Mai und Juli 2015 handelte es sich als Ausgangspunkt um das Material Glas, das mit Maria Meusburger-Schäfer ins Kollektiv gekommen ist. Im Rahmen der Kunstuni-Tagung „KICKING IMAGES Bilderpolitiken – Sexualisierte Gewalt“ wurden in einer Performance zuerst die destruktiv auf das Material einwirkenden Kräfte erprobt – oder anders gesagt: Die von den freundinnen auf einer Tafel angerichteten und zuerst noch vom Publikum herkömmlich benutzten Wein- und Trinkgläser wurden hernach in einem Akt kontrolliert wirkender Gewalt mit Hämmern zerbrochen, zerschlagen und zersplittert. Der Tatort wurde quadratisch markiert, die Scherben ein Monat später in die Glaswerkstätte Stift Schlierbach gebracht, um sie dort wieder einzuschmelzen. Eine von vielen möglichen Fragen, die dabei entstehen könnte, ist diejenige, ob Einschmelzen nicht ebenso viel mit Gewalt zu tun hat wie Zerschlagen – hier spielt sozusagen das Material symbolische Fragen an sich selbst, in Richtung Gruppe aber auch Gesellschaft zurück. Jedenfalls, die Performance und das Thema schließt ein einziges Foto ab, das den gemeinsam inszenierten Erfahrungsakt insofern konzeptionell verdichtet, als dass er den dokumentarischen Akt noch weiter in den performativen Prozess hineintreibt, quasi auch die Aktion zu einem einzigen Schlussbild einschmilzt. Wobei „die sache auf den punkt bringen“ neben diesem einen Foto auch ein Objekt am Ende produziert hat – den Glasblock. Kommentar der freundinnen im Gespräch: „In diesem Fall war Maria nicht nur Glas-, sondern auch Objektbringerin.“
Das zweite vorgestellte Projekt „drauf los und vorbei“ wurde ebenso bereits 2015 mit einer Einladung an Marion Klimmer begonnen, sich in einem bestimmten Dresscode einzufinden und mit dem Kollektiv an einen unbekannten Ort zu kommen. Die anschließend stattfindende Schießübung erinnert an ein Aufnahmeritual, war allerdings als Einstiegsritual gedacht, um eine gemeinsame Erfahrung zu generieren, die zuerst in üblicher freundinnen-Praxis als gemeinsames Spiel, performative Situation und als körperlich-emotionale Erfahrung angelegt war; eine Erfahrung, die vermutlich in diesem Fall stark ambivalent empfunden wurde – was wohl im Thema Gewalt, das sich 2015 nicht zuletzt auch durch eine Gesellschaft im angeheizten „Ausnahmezustand“ immer mehr in den Vordergrund gespielt hat, begründet liegt. „drauf los und vorbei“ wird nun im Herbst 2016 abgeschlossen, was den performativen Akt selbst und die Auswahl dieses einzigen performativen Fotos anbelangt. Was den konkreten performativen Akt betrifft, hat man, aus einem zuerst archaischen Bedürfnis des „laut seins“ und der zu Beginn 2015 mitformulierten künstlerischen Thematik der Gewaltbereitschaft jetzt die dringende Wahrnehmung, dass „in der Welt der Angst und des Terrors ein vorsichtigerer Umgang mit dem Thema notwendig ist“ … Man ist versucht auszurufen wie großartig und richtig dieser Schluss ist, sowohl in der Analyse als auch einer Verantwortung sich selbst und schlichtweg allen gegenüber, zumal rundum durchaus weiter angeheizt wird, was eigentlich gesellschaftlich und individuell gesehen schon als Terror und Angst in uns brennt. Das archaische Bedürfnis als Abschluss von „drauf los und vorbei“ hat sich demnach von einem lust- und angstfanatischen Kontext befreit und sich konkret von einer Katapult-Installation, die diverse Dinge wegschießt, gewandelt in ein Katapult, das „selbst als dreidimensionales Wort in die Luft katapultiert wird“. Das scheint insofern paradox wie befreiend richtig, als dass sich, in einer Analyse der derzeitigen Verhältnisse, die Dinge gegen sich selbst zu wenden drohen. Was unter anderem, auf den Punkt gebracht, schlechthin die Gewalt unserer Zeit ausdrückt.
Die Werksschau der freundinnen liest sich, was die Orte der Umsetzung oder Kooperationen betrifft, wie eine Auflistung der Institutionen in Linz, die LeserInnenschaft möge das selbst auf den Netzseiten überprüfen. Ein wichtiger Kooperationspartner ist dabei der KunstRaum Goethestrasse xtd., nicht zuletzt wegen einer da wie dort programmierten künstlerischen Herangehensweise der prozesshaften Überprüfung (unter anderem). Möglicherweise konnte über das dort 2013 stattfindende Projekt „Raumen“ „sogar eine längere Reflexionsphase des Ausräumens, Umräumens, Einräumens“ eingeleitet werden – so die freundinnen. Vier Interventionen zum Thema Angst wird es außerdem im Herbst in der gfk, der Gesellschaft für Kulturpolitik, geben – unter der Betitelung „die beule, die mittendrin sitzt“ – im Rahmen von mehreren Veranstaltungsabenden der gfk zum im Herbst breiter angelegten Thema Angst. Erfreulicherweise wird es im Februar 2017 zudem erstmals eine Einzelausstellung der freundinnen geben. Und auch wenn das Konzept der Ausstellung noch nicht feststeht, sprich, inwieweit es eine tatsächliche Werksschau und nicht ein offeneres Format wird, scheint es doch dringend notwendig, ein Werk überblicken zu können, das in mittlerweile 17 Jahren konstant gewachsen und gediehen ist. Hübscherweise, wegen der von den freundinnen recht ambivalent empfundenen Bodenhaftung in Linz, wird diese Schau auswärts gezeigt werden – nämlich in Wels. Sich aufschwingen also in Wels, in der „Galerie Forum“, wo die Ausstellung stattfinden wird.
Auf den Netzseiten der freundinnen der kunst ist ein wunderbar persönlicher Text von Reinhard Winkler zu lesen, jahrelanger fotografierender Wegbegleiter und selbsternannter fdfdk – Freund der freundinnen der kunst: Er hat zu den freundinnen der kunst ein Abc verfasst.
„die beule, die mittendrin sitzt“
In wiederkehrenden Interventionen begleiten die freundinnen der kunst den aktuellen gfk-Schwerpunkt Angst. An vier Terminen aus dem aktuellen Programm der gfk finden Interventionen statt, konkret im Rahmen dieser Veranstaltungen. More to be announced.
Politics of Fear
gfk de:central im Architekturforum,
27. und 28. September, 15.00–18.00 h
Angst&Schall
Peter Androsch, Hörspaziergang #2,
6. Oktober, Start 17.00 h
Mehr Infos: gfk-ooe.at