Im April fand das erste Forum zum Thema LGBTIQ* im offiziellen Linz statt. Es wurde vom Büro für Gleichbehandlung der Stadt Linz organisiert. Das Forum diente auch als Plattform, um bekannt zu geben, dass im Herbst ein LGBTIQ* Kompetenzzentrum in Linz eröffnet wird. Mar Pilz war beim Forum.
Am 11. April 2024 fand das erste Forum zum Thema LGBTIQ* in Linz im Festsaal des Magistrats Linz statt. Es wurde vom Büro für Gleichbehandlung der Stadt Linz im Rahmen einer Reihe von Aktivitäten zur Förderung eines Klimas der Toleranz und Offenheit in Städten, die Teil des „Rainbow-City-Networks“ sind, organisiert, dem Linz seit 2020 angehört.
Über vier Stunden hinweg teilten drei Expert*innen aus verschiedenen Bereichen ihr Wissen, ihre Arbeit und ihre Erfahrungen zu dem Thema. Vor Beginn der Vorträge und während der Pause bestand zudem die Möglichkeit, die Stände von eingeladenen Organisationen, Vereinen und Initiativen zu besuchen, wie etwa der Verein Homosexuelle Initiative Hosi Linz, die Bily Beratungsstelle des Vereins für Jugend-, Familien- und Sexualberatung, der Arbeitskreis Regenbogenpastoral der Diözese Linz und die YOUnion, die Daseinsgewerkschaft als Teilgewerkschaft des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, sowie den Stand von Vertreter*innen der Landeshauptstadt Bregenz.
Das Forum diente auch als Plattform, um bekanntzugeben, dass im Herbst ein LGBTIQ*-Kompetenzzentrum in Linz eröffnet wird. Es wird das erste seiner Art sein.
Expert*innen und ihre Vorträge
Der Auftakt des Forums wurde von Nikolaus Benke gestaltet, einem renommierten Rechtswissenschaftler, der sein profundes Fachwissen einsetzte, um die rechtlichen Aspekte des Diskriminierungsschutzes zu beleuchten und Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung dieses Schutzes in Österreich aufzuzeigen. Besonders fesselnd war seine Vorstellung des Projekts „Levelling Up“, das darauf abzielt, den Diskriminierungsschutz über den traditionellen Arbeitskontext hinaus zu erweitern. Seine Definition von Diskriminierung bot einen tiefgreifenden Einblick in ein Schlüsselkonzept, das für die Diskussion von LGBTIQ*-Anliegen von entscheidender Bedeutung ist.
Als nächste Rednerin betrat Miriam M. Mottl die Bühne, Fachärztin für Gynäkologie, Geburtshilfe und Sexualität und Partnerschaft. Mit beeindruckender Empathie teilte sie ihre Erfahrungen als medizinische Fachkraft im Umgang mit Transpersonen und verdeutlichte die vielfältigen Herausforderungen, mit denen diese auf dem Weg zur Unterstützung konfrontiert sind. Dabei präsentierte sie die komplexen Konzepte von Sexualität und Identität auf anschauliche und zugängliche Weise, unterstützt von der Darstellung des Gender-Unicorn, eine einfache und bunt gestaltete Grafik, die anhand weniger Parameter zentrale Begriffe zum Thema Geschlecht aufzeigt. Die Darbietung war gleichermaßen informativ und unterhaltsam und ermöglichte es, unabhängig von Vorkenntnissen, das Verständnis zu vertiefen.
Schließlich ergriff Karl Sibelius das Wort, der bekanntermaßen lange Jahre in Linz als Schauspieler und darüber hinaus aktiv war, mittlerweile ist er tätig auf dem Gebiet der Psychologie und Therapie. Ähnlich wie Frau Mottl widmete er sich der Erklärung grundlegender Identitätskonzepte, jedoch mit einem Fokus auf Transidentitäten. Er betonte die Bedeutung der Begleitung während des Prozesses der Selbstfindung und verdeutlichte die Herausforderungen, denen er und seine Patient:innen sowie deren Umfeld gegenüberstehen. Seine Darstellung trug dazu bei, das Bewusstsein für die komplexen persönlichen Reisen zu schärfen, die viele Menschen durchlaufen.
Meine Erfahrung im Forum
Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich keine Expertin in LGBTIQ*-Themen bin. Aber das Thema interessiert mich aus einer intersektionalen feministischen Perspektive sowie aus Sicht von Inklusion und Exklusion. Außerdem interessiert es mich zu erfahren, welche Maßnahmen Institutionen und Regierungsstellen ergreifen, um sich an eine Welt anzupassen, die sich verändert; und wie diese Stellen nicht nur beim Diskurs bleiben, sondern wie sie handeln.
Wie viele andere Menschen habe ich die farbenfrohen Zebrastreifen, die bunten Bänke in den Parks und die Ampeln mit zwei gleichgeschlechtlichen Figuren und Herz bemerkt. Diese ressortübergreifend in Linz umgesetzten Maßnahmen mit Signalwirkung wurden im Rahmen der Eröffnung auch von Gastgeberin Tina Blöchl erwähnt, die als Vizebürgermeisterin und LGBTIQ*-Referentin der Stadt Linz das Forum eröffnete. Ich stimme zu, dass durch dieses signalhafte Sichtbarmachen bestimmte Thematiken an anderer Stelle tiefere Gespräche über Probleme und potenzielle Lösungen geführt werden können. Dahingehend wurde mit dem LGBTIQ*-Forum innerhalb der Stadtregierung auch Raum geschaffen. Es freut mich auch zu bemerken, dass Regierungen, die oft für traditionelle oder bürokratische Ansätze bekannt sind, versuchen, sich zu modernisieren und sich für Gespräche zu öffnen, die für die neuen Generationen relevant sind, sie bewegen und ihr tägliches Leben beeinflussen. Insofern war das Format für mich interessant, mit ansprechenden Themen, die leicht verständlich waren. Dennoch muss ich sagen, dass während des Forums bestimmte Einstellungen oder Handlungen auftraten, die an einem Ort, an dem wir über Themen wie Inklusion, Diskriminierung, Stereotypen und Vorurteile sprechen, nicht passieren sollten. Während der Pause hatte ich die Gelegenheit, mit einigen Aktivist*innen bzw. Vertreter*innen anderer Organisationen zu sprechen. Wir waren uns einig, dass das erste LGBTIQ*-Forum eine zu exklusive Veranstaltung war: Denn natürlich gab es einzelne Personen, die keiner Organisation angehörten, aber das Publikum wurde zumindest weitgehend durch Personen definiert, die eine Organisation vertraten. Eine meiner größten Kritiken an solchen Veranstaltungen ist außerdem, dass sie gerade hinsichtlich der diskutierten Themen von Inklusion oft ohne intersektionale Perspektive auskommen, sondern aus einer Mainstream-Sichtweise sprechen. Was meine ich damit? Dass das verwendete Format immer darin besteht, dass eine Person, die nicht zur Gruppe gehört, über die gesprochen wird, versucht, die Erfahrungen dieser Personen zu erklären, anstatt diesen Personen Raum zu geben, ihre eigenen Geschichten und Erfahrungen zu erzählen. Dass gesellschaftlich wirkende Mechanismen alleine zu Ausgangssituationen führen, dass über bestimmte Gruppen gesprochen wird, als dass Personen mit verschiedenen Anliegen einfach bereits selbstverständlicher Teil der Gruppe sind, ist die eine Sache. Als intersektionale Perspektive hätte ich mir innerhalb dieses Formates aber zum Beispiel außerdem gewünscht, dass Personen zur Sprache kommen, die konkret aus der LGBTIQ*-Community kommen; um direkt über ihre Erfahrung mit mehrfacher Diskriminierung zu hören, und welche Strategien sie entwickelt haben. Auch welche Bedürfnisse sie haben, damit Politiken wirklich inklusiv für die Gemeinschaft werden. Um tatsächliche Verbesserungen herzustellen, ist es unumgänglich, betroffene Personen als für sich selbst sprechende handelnde Subjekte zu verstehen. Ich erlebe es zu oft, dass sich existenzielle und soziale Realitäten, die sich aus mehreren Unterdrückungsmechanismen herstellen, nicht entsprechend widerspiegeln. Und ohne konkret über die Art der Beteiligung oder Einladungspolitik des Forums Bescheid zu wissen, hätte ich mir als Zuseherin und Besucherin gewünscht, dass diesbezüglich mehr Expertise und Empowerment der Betroffenen sichtbar wird. Ich denke, es wäre sicher eine Bereicherung gewesen, wenn die Expertise von auch in Bereichen von Geschlecht, Identität und Intersektionalität tätigen Linzer Vereinen wie maiz, das kollektiv, Fiftitu oder Vimö mehr Platz gefunden hätte, als das augenscheinlich der Fall war – nur um beispielhaft zu vermitteln, was hier aus meiner Sicht wesentlich gewesen wäre. Denn diese Vereine haben zwar verschiedene Schwerpunktsetzungen, sind aber aus einem Gedanken der Selbstermächtigung entstanden und auch in ihrer täglichen Arbeit durch eigene Expertise oder unmittelbare Zusammenarbeit mit Betroffenen mit Themen von Geschlecht, Identität konfrontiert. Beziehungsweise sind sie Expert*innen in Richtung intersektional wirkende mehrfache Diskriminierungsmechanismen. Aus meinen eigenen Tätigkeitsfeldern kann ich auch berichten, dass auch im Feminismus intersektionale Perspektiven fehlen, die Frauen eine Stimme verleihen, die aus ihrer Erfahrung mit Mehrfachdiskriminierung sprechen. Auch hier erlebe ich es, dass ein Mainstream-Feminismus die intersektionalen Feminismen erklärt, anstatt patriarchale Strukturen zu durchbrechen und Platz auf der Bühne zu schaffen, um Erfahrungen direkt aus den Mündern von erfahrenen Personen zu hören. Auch im Zusammenhang mit Feminismus soll beispielhaft erwähnt sein, dass die sozialen Realitäten und Zuschreibungen, mit denen etwa Migrant*innen, biracial oder multikulturelle Menschen konfrontiert sind, andere sind, als diejenigen von hier geborenen Personen.
Bleibt zu hoffen, dass dem Umstand der komplex ineinandergreifenden Mechanismen in Zukunft mehr Rechnung getragen wird. Insgesamt können wir sehen, dass wir nicht so weit sind, wie wir vielleicht denken. Wir sollten beginnen, uns mit Intersektionalität auseinanderzusetzen und uns über unsere von der Gesellschaft aufgezwungenen oder zumindest vordefinierten Geschlechterrollen Gedanken zu machen.
Eine kleines, aber vielleicht aussagekräftiges Beispiel, das verdeutlichte, dass wir immer noch in Stereotypen denken, ist die Tatsache, dass am Ende der Präsentationen, beim Dank an die Referierenden, eine so tief verwurzelte machistische Einstellung in der Gesellschaft reproduziert wurde, dass sie nicht einmal bemerkt zu werden schien. Die Tatsache, dass die „weibliche aussehende“ Vortragende Blumen erhielt, während die „männlich aussehenden“ Vortragenden in rot-weißes Papier verpackte Geschenke erhielten, ist etwas, das unbedeutend erscheint, aber großen Einfluss hat. Wir erkennen, dass wir immer noch bestimmte Geschenke als weiblich und andere als männlich betrachten. Warum fällt es uns schwer zu akzeptieren, dass Blumen nicht nur für Frauen sein können und dass auch ein Mann sich über einen Blumenstrauß
freuen kann? Oder warum bei einem LGBTIQ*-Forum nicht allen das gleiche Geschenk geben? Ich lasse das zur Reflexion stehen.
Insgesamt hat es mich gefreut, an diesem ersten Forum teilzunehmen und meine Meinung zu dem Erlebten abgeben zu können. Ich hoffe, dass weitere solche Räume geschaffen werden, indem wir aus Erfahrungen lernen können und zunehmend mehr Räume schaffen, in denen Mitglieder der LGBTIQ*-Community ihre eigenen Geschichten aus ihren eigenen Erfahrungen erzählen können. Ich schätze die Teilnahme von Expert*innen zum Thema, ihre Präsentationen waren interessant und bereichernd. Dennoch glaube ich, dass es Menschen innerhalb der Community gibt, deren Geschichten in einem Raum, der sich um sie dreht, gehört werden sollten.