Theresa Gindlstrasser hat das Fabrikanten-Projekt Hotel Obscura und die dazugehörige Filmdoku gesehen, die auch beim diesjährigen Crossing Europe Filmfestival läuft.
Eine Frau mit Trolley und honighellen Haaren fährt eine Rolltreppe nach oben. Die Frau heißt Elise Terranova, ist Künstlerin, lebt in Kopenhagen und Berlin. Die Kamera begleitet sie am Weg zum magdas Hotel in Wien. In der letzten Szene steht sie dann in einem dunkelblauen Gang und drückt eine rote Rose gegen die Kamera. Schwarz. Aus. Credits. Anatol Bogendorfer hat für das, oder von dem, Mega-(EU-geförderten-) Projekt „Hotel Obscura“ eine 18-minütige Filmdoku gemacht. Seit 2014 propagieren Die Fabrikanten (AT), Triage (AU), Mezzanine Spectacles (FR) und Ohi Pezoume (GR) unter diesem Titel Live-Art als Möglichkeit intimer Begegnungen.
Was im Februar 2015 im Hotel Wolfinger am Hauptplatz Linz schon probiert worden war, wurde im Herbst desselben Jahres ins besagte magdas Hotel nach Wien verlegt. Dort dann waren es insgesamt 20 internationale Kunstschaffende, die jeweils eine Publikumsperson in ein Hotelzimmer zur one-to-one Performance einluden. Wie verschieden die dafür gewählten Rahmenbedingungen und wie divers die dadurch zustande gekommenen Begegnungen zwischen artist und audience aussehen können, dem geht die Filmdoku nach. Und vermittelt dergestalt einen sachten Überblick über die Gesamtveranstaltung, den eine Publikumsperson beim Live-Event so nicht hätte haben können.
„Ein gewisses Niveau an Offenheit“, so der ebenfalls beteiligte Künstler Mario Sinnhofer, müsse das Publikum mitbringen. Denn der Zutritt zu einem Zimmer im „Hotel Obscura“ erfolgt über das Prinzip Pralinenschachtel-weißt-du-nie-was-du-kriegst. Und dann stehen sich Publikumsperson und kunstschaffende Person für 15 Minuten gegenüber. Das ist aufregend. Das ist vor allem jedes Mal anders, weil bei dieser Form von Live-Art mehr ein Rahmen denn eine feststehende Choreographie geboten wird. Was dann Performance genannt werden könnte, besteht in der intimen Begegnung zwischen den Menschen. „Wie tun wir miteinander?“, so formuliert Wolfgang Preisinger von den Fabrikanten die zentrale Frage.
Die Filmdoku versammelt Interviews mit Beteiligten, Begegnungssequenzen in den Hotelzimmern und obskures, also fragwürdig-verlockendes, Bildmaterial vom magdas Hotel. Die Premiere war im Januar dieses Jahres im Rahmen von raw matters im Schikaneder Kino in Wien. In Linz wird der Film im Rahmen vom Crossing Europe zu sehen sein. Was vor allem in den Interviews anklingt, nämlich die Frage „WTF is Live Art“, treiben die Fabrikanten auch in einem weiteren Projekt voran. In einer Videosammlung unter demselben Titel (zu finden auf youtube) stellen sich Kunstschaffende, Kuratierende und noch allerlei andere dieser Problemstellung. Und? What the fuck is live art?
Nun, Elise Terranova zum Beispiel dekoriert die Menschen, stilisiert sie zu totenbetthaften Ikonen. Und lässt anschließend dasselbe an sich vollziehen. „Ich glaube, die Leute sind entwaffnet, wenn sie dich dekorieren.“ Schließlich fassen wir fremden Menschen, außer vielleicht im Frisurenladen, nicht so häufig ins Haar. Die Zärtlichkeit solcher Gesten motiviert eine Zärtlichkeit im Gespräch. Und wer sich so schnell nahe kommt, spricht schnell mal über Tod und Leben. Das Projekt „Hotel Obscura“ neigt sich seinerseits einem erstmaligen Ende zu. Nach Stationen in Tours und Melbourne soll es im März 2016 ein abschließendes Treffen in Berlin geben.