In Zeiten der Vereinzelung im Spielverhalten der Menschen, gekrönt mit dem Höhepunkt der kontrollierten Verblödung der Massen in der Öffentlichkeit mit Pokémon Go!, möchte ich auf das Wesen des Spiels Bezug nehmen. Laut Spielwissenschaft ist „das Spiel eine grundlegende menschliche Aktivität, die Kreativität, und im Wettkampf Energie und Kraft freisetzt. Es enthält somit das Potential, verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovation hervorzubringen.“ Anhand des Erklärungsmodell des Homo ludens (dt. der spielende Mensch) entwickelt der Mensch seine Fähigkeiten vor allem über das Spiel. Er entdeckt seine individuellen Eigenschaften und wird über die dabei gemachten Erfahrungen zu der in ihm angelegten Persönlichkeit. Spielen wird dabei der Handlungsfreiheit gleichgesetzt und setzt eigenes Denken voraus. Das Modell besagt: „Der Mensch braucht das Spiel als elementare Form der Sinn-Findung.“ Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Spielen, die einem spontanen Impuls nach spielerischer Betätigung folgen, die aus sich selbst heraus Sinn ergeben („zweckfreie Spiele“) und Spielen, die für bestimmte Interessen außerhalb des Spiels instrumentalisiert werden („zweckgerichtete Spiele“). Mit der Frage, welch bestimmte Zwecksetzung das obengenannte Spiel verfolgt, möge sich bitte jeder selbst auseinandersetzen und kritisch hinterfragen. Mein Plädoyer für das Spiel als sozio-kulturelles Phänomen, bei dem die Freude und das Zusammenkommen der Menschen im Vordergrund stehen, erläutere ich nun anhand diverser TischTennis-Aktivitäten in der Freien Szene Linz.
Das derzeit beliebteste Zusammentreffen vieler Menschen zum gemeinsamen Spiel ist wohl turn|table|tennis in der Stadtwerkstatt. Die Kombination aus Ringerlspiel und gepflegtem turntablism scheint das Herz vieler zu treffen und ist ebenso bei „Auswärtspielen“, z. B. Goldener Container am OK-Platz, ein beliebter Treffpunkt. Bei diesem Spiel besteht für schwächere SpielerInnen die Möglichkeit, sehr lange im Spiel zu bleiben. Meist geht es freundschaftlich zu und die Besseren spielen ihr Können nur gegen andere gute SpielerInnen aus, wenn es darum geht, selbst im Spiel zu bleiben oder letztendlich im Finale. Während des Rundgangs um den Tisch wird getratscht, getrunken, gescherzt, gelacht und guten Spielwechseln Applaus gezollt.
Bereits im Jahre 2012 organisierten Black Devil & The Cranes das größte Ringerl der Welt am Ottensheim Open Air. Jenes Kollektiv veranstaltet Turniere im Einzel- und Doppelmodus, nur um im Anschluss eine offenes Ringerl spielen zu können. Eine kreative Variante des TischTennisspiels setzte dieses Team bei den Kapustan Staatsmeisterschaften 2014 um. Das Doppel wurde auf zwei nebeneinanderstehende Tische verlegt, d.h. jeder der SpielerInnen verteidigte eine gesamte Tischfläche. Die Neuanordnung der Regeln und des Spielbereichs forderten Hobby- und ehemalige Vereinsspieler gleichermaßen und erwies sich als gelungene und spannende Abwechslung.
Ein ziemlich durchgeknalltes Spektakel gestaltete das Kollektiv qujOchÖ mit der Zusammenführung verschiedenster Genres unter dem Namen acidpingpongpunkallnighter. Mit einer speziell konstruierten Pingpongplatte, fluoreszierenden Spielflächen, Stroboskopblitzen, viel Trockennebel, obligatem 80er-UV-Licht, doppelten bis dreifachen Spiegelungen, live kredenzter verzerrter Acidelektro-mit-Punk-Attitüde über ein 4-Kanalsystem und SpielerInnen, die ihr Äußerstes gaben, wurde die Nacht zur „Tour de Force“.
Auf, ihr Menschen! Lasst uns weiter zweckfrei spielen und die phantastischen Möglichkeiten des TischTennis ausloten. Mir würde ja das Spiel auf einem runden Tisch gefallen!
PS: Letzte Meldung: Chuck Norris hat alle Pokémons mit einem Festnetztelefon erschlagen.
Die Welt dankt!
Buchtipp Comic: Mawil – Kinderland (u. a. TischTennis als Teil der Kindheit in der eh. DDR)
Termine:
Freitag 16. 9. 16, 19.00–20.00 h auf dorf tv: Sport im Dorf mit Schwerpunkt TischTennis Sport im Dorf ist die Pilot-Sendung unserer Spiele!-Kolumnistin Andrea Winter, dieses Mal im Rahmen von „Das globale Dorf“
turn|table|tennis jeden 1. Donnerstag im Monat