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We need to talk about gonads.

By   /  1. September 2016  /  No Comments

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Sportliche Wettkämpfe wie Olympische Spiele interessieren mich nur bedingt und wenn, dann meist aus der aufrichtigen Bewunderung für gut trainierte Körper, die mir vor Augen führen, zu welch marmornen Stellen auch mein Körper – in seiner Grundausrichtung nicht unsportlich angelegt – fähig gewesen wäre.

In die mediale Berichterstattung über die diesjährigen Olympischen Spiele allerdings hat es mich regelrecht hinein gesogen, hauptsächlich mittels auf den ersten Blick harmloser, in der Summe aber sehr ernüchternder Berichte und Interviews: Wenn es um gleichwertige Anerkennung, Entlohnung und Wertschätzung von Arbeitsleistung unterschiedlicher Geschlechter geht, wurden wir offenbar ganz weit zurückgeworfen. Spätestens seit diesen Olympischen Spielen ist klar: Es ist schlicht und ergreifend Sexismus, den wir diskutieren müssen. Die Presseberichte und Interviews während diesen Olympischen Spielen, in denen männliche Leistungen hervorgehoben, weibliche kleingeredet wurden oder Ehemänner durch ihr Verhalten am Beckenrand etwa mehr an Aufmerksamkeit generierten als ihre Medaillen gewinnenden Ehefrauen, existieren in unübersichtlich großer Zahl. Unvergesslich auch die Diskussion darüber, ob Beachvolleyball spielende Frauen wirklich nur in knappen Bikinis oder doch auch in Ganzkörperanzügen zur Ausübung des Sports fähig sind. Tennisstar Andy Murray (der zwischen 2014 und 2016 von der Französin Amélie Mauresmo trainiert wurde und sich als Feminist bezeichnet) reagierte zwar in der Tat schlagkräftig, als ein BBC Reporter ihn als den „ersten“ ansprach, „der im Tennis zwei Goldmedaillen geholt habe“ und er betonte, dass Serena und Venus Williams wohl jede bereits vier Goldmedaillen gewonnen hätten – dennoch bleibt zu befürchten, dass dieser Sexismus, der hier durch die Medienberichterstattung zu und über Olympia einmal mehr an die Oberfläche schwappte, systemimmanent ist – unabhängig ob das System Sport, akademische Laufbahn, Politik oder Kunst und Kultur heißt. Im Sport allerdings scheint er sich besonders hemmungslos auszuleben, betrachtet man etwa den Leichtathletik-Weltverband IAAF und seine 2011 erstellten, seit 2015 nach einem Einspruch der indischen Läuferin Dutee Chand und einem Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes zumindest ausgesetzten „Testosteron-Regeln“ für weibliche Sportler, die im Fall erhöhter natürlicher Produktion von Hormonen wie Testosteron „medical interventions“ über sich ergehen lassen müssen, um weiterhin im Bewerb bleiben zu dürfen. Laut Journalistinnen wie Susie East für CNN, die darüber auch im Zuge der Olympiade 2016 berichteten, bestätigten vier anonym bleibende Sportlerinnen, dass bei ihnen zwischen 2011 und 2015 auch die Entfernung der Eierstöcke und Teile der Klitoris zu diesen „medizinischen Eingriffen“ zählten – medizinisch nicht notwendige Eingriffe, da etwa eine verlängerte Klitoris maximal ein Symptom von Hyperandrogenismus ist, wie dieser Überschuss an männlichen Hormonen genannt wird. Völlig zu Recht fragten sich andere Journalistinnen wie Emily Willingham auf forbes.com, ob denn auch die Penislänge bei Männern nun ausschlaggebend für die Teilnahme an Bewerben sei und nötigenfalls eine Verkürzung oder Verlängerung des Penis bzw. eine Entfernung der Hoden vorgeschrieben würde (Would the IAAF ask a man to give up his gonads and remove half of his penis to be allowed to compete, simply because that man naturally produces more testosterone than the average male? Emily Willingham, forbes.com, 15. 8. 2016).

Abgesehen von diesen ungeheuerlichen Eingriffen erzählt bereits die Vorgeschichte dieser „Sex Testings“ von einem besessenen, zwanghaften Beharren auf einem binären Geschlechtersystem und von purem Sexismus: Denn um in „den Verdacht“ zu kommen, als Athletin zu viel an Testosteron produzieren und sich anschließend dem IAAF Geschlechter-Test zu unterziehen, reicht es aus, unfeminin zu laufen, einen unfemininen Körper oder männliche Gesichtszüge zu haben.

Gegen diese Praxis des IAAF entlarvt sich der pseudofeministische Diskurs, den nicht nur rechtspopulistische Politiker_innen derzeit führen (wollen), einmal mehr als bloßer Deckmantel für Islambashing. Das „Beschneiden“ und „Zurechtstutzen“ eines weiblichen Körpers, das Bestimmen dessen, was als weiblich zu gelten hat aus der Perspektive und unter Ausführung eines männlichen Regulativs finden hier, in der westlichen Welt, vor unser aller Augen im Namen des Sports statt. Das schmälert nicht die Verbrechen an Frauen, die im Namen von Religionen begangen werden, keinesfalls. Aber es zeigt, worüber wir wirklich reden sollten.

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  • Published: 8 Jahren ago on 1. September 2016
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  • Last Modified: September 1, 2016 @ 12:51 am
  • Filed Under: Kolumnen

About the author

wiltrud katherina hackl forscht zu und schreibt über konstruktionen von weiblichkeit und wasser und ist aktuell als universitätsassistentin an der kunstuni linz tätig, wo sie u.a. zu flüssen als orte der erinnerung lehrt. für ihr projekt „die flüssin“ sammelt sie geschichten von und mit flüssen. wiltrudhackl.com

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