Ende August dieses Jahres begeht der Kulturverein Kapu sein 40jähiges Bestehen mit einem Fest, das das Haus in der Kapuzinerstraße als einen zwischen den Polen Hardcore-Punk und Hip-Hop leidenschaftlich musikaffinen, längst trans-generationalen Ort der Linzer (Sub-)Kultur feiert. Eine parteiische Reflexion von Rainer Krispel.
„Diesen Weg werde ich mein Leben lang auswendig kennen – wie man vom Hessenplatz hinauf in die Kapu geht. Und dort oben hast du dann Sachen sehen können, die du in Linz sonst nicht gesehen hättest. Ich glaube schon, dass die Kapu nach wie vor dadurch etwas bewirken kann, dass sie einfach da ist, in einer Stadt wie Linz, und dort eine gewisse Öffentlichkeit hat. Wo Leute, die sonst nie mit solchen Ideen konfrontiert würden, etwas Lässiges erleben und sehen können. Das ist unendlich viel wert. Und erhöht die Chancen, dass die Leute dann irgendwo hinkommen, wo sie sich gegenseitig finden können. Das ist ein Satz von Peter Donke: ‚Die Überwindung der Provinz ist es, Leute zu finden, mit denen man arbeiten kann.‘“
So werde ich in Andreas Kumps wichtigem Buch Es muss was geben zitiert, 2007 im Verlag Bibliothek der Provinz erschienen. Dabei Peter Donke zitierend, 2016 verstorben, dieser seinerseits mit der Stadtwerkstatt profund verbunden, legendärer Bassist der ebenso legendären Band Willi Warma, die 2024 endlich die Auflage eines Albums ihrer Musik auf Vinyl erfuhr. Ihre 1981 auf Single erschienene „Hymne“ Stahlstadtkinder Teil der musikalisch-inhaltlichen DNA nicht weniger damals junger Menschen, die involviert waren, als sich die Kapu als Kulturverein konstituierte – was mit dem 21. August 1984 seinen Niederschlag im Vereinsregister fand. Stimmig, dass später mit ihrer Band Dynamo Urfahr sowohl Peter Donke und Willi Warma-Gitarrist Julius Zechner (1992 verstorben), als auch Willi Warma-Sänger Kurt Holzinger (verstarb 2019) mit 7 Sioux und dem Stimmgewitter Augustin auf der überschaubar großen Kapu-Bühne standen.
„Überhaupt ist Linz generell gesegnet, was Locations angeht. Es gibt zum Beispiel die Kapu, unseren Stammladen, wohin wir meistens zu Konzerten gehen. Dort gibt es vor allem Punkrock. Es ist eigentlich immer super dort.“ Sagt Hannes, Drummer der Linzer Band Leber in einem Interview im deutschen Magazin Ox, Ausgabe April/Mai 2024. Leber, Ende 2022 entstanden, sind eine feministische Band und spielten heuer auf dem Wiener Popfest. Weiterführender O-Ton ihres Infos: „Unsere Leberwerte sind das Ergebnis einer feministischen Abrechnung mit dem Patriachat und verzerrten Machtverhältnissen.“
Offensichtlich sind die Stahlstadtkinders (of all non binary genders) alright, um Leber hier als Beispiel ungebrochener Relevanz der Kapu als Versammlungs- und Ereignisort junger Menschen, die einen anderen Blick auf Leben und die Welt haben, zu setzen, denen Musik auch (!) Möglichkeit ist, Ideen und Positionen zu kommunizieren.
Auf meine eigene Biographie bezogen, war die Kapu der Ort, an dem ich unendlich viel erlebt und erfahren habe, was es so schwer macht, darüber zu schreiben. Der erste Anziehungspunkt, in das damals klassische Jugendzentrum der Sozialistischen Jugend zu gehen, war das billige Freistädter-Bier (nein, lasst uns nicht vom Kaputoast reden!). In dem Jahr, in dem die Kapu ein eigenständiger Verein wurde, wir Punx schon über das Billigbiertrinken hinaus involviert, wurde ich 17. Am 20. November 1989, als Nirvana „zuhause“ (das war die Kapu für mich, und nicht nur für mich) spielten, war ich ein 22-jähriger werdender Vater, nicht wissend, wie ihm geschieht (darum hab ich Nirvana auch nicht gesehen, alle haben danach gesagt, dass Tad die bessere Band waren). Im Jahr, als das Buch Es muss was geben erschien, wurde ich 40, diesen Sommer bin ich Opa geworden. Das macht es fast grotesk, zu versuchen, Sinnvolles, für andere Menschen Lesenswertes über und zur Kapu zu formulieren, während ich gleichzeitig auch an einer Rede für eben dieses Jubiläum schreibe (Anm. d. Red.: zu Redaktionsschluss im Vorfeld des Festes) – und eigentlich nur an die vier Buchstaben eines Vornamens denke. Zu viele Eindrücke, Ideen, Gefühle, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, all at once. Wenigstens sind die Proben für die Kurzauftritte von 7 Sioux und Target Of Demand, also den Auftritten „meiner“ Bands beim Kapu-Fest, schon abgeschlossen, was mit der werdenden Opaschaft mehr Linz-Aufenthalte bedeute als seit vielen Jahren.
Dabei lebe ich seit gut 30 Jahren in Wien, Linz und die Kapu waren/sind für mich eigentlich relativ weit weg (gewesen), hatte die Kapu mit meinem Alltag, anders als von 1984 bis 1994 und Jahre darüber hinaus, überhaupt nichts mehr zu tun. Kapu, und/oder Subkultur sind nicht mehr das Alpha und Omega meines Empfindens und Denkens, die Kapu nicht mehr der Ort, an dem „es“ passiert/passieren muss, als die Zentrale von Hardcore-Hausen Linz samt leidenschaftlicher Diskussionen bei diversen Fahrten zu Konzerten und in Orten, die Aspekte und Strukturen der Kapu anderswo verkörperten, wie und was denn in der Kapuzinerstraße zu geschehen hätte … aber, um mich geht es eben auch nicht.
Denn wenn etwas über die Kapu zu erzählen ist, dann liegt dies in einem vermeintlich einfachen Wort: Wir! Dieses Wir macht, bei aller Professionalisierung, den Unterschied zum Posthof aus, der dieser Tage auch ein 40jähriges Jubiläum hat. Die positive Durchwachsenheit vom eigenen Erleben der Kapu-People und dem, was die Kapu dann nach außen trägt, sie ist und sein will. Was sich, wie ich mit Erstaunen im Gespräch mit Günther Ziehliger, der von Oktober 2010 bis diesen August die Kapu leitete, erfahren habe, immer noch unter anderem in der am Mittwoch stattfindenden Betriebsgruppe formt. In der die vielen Geschäftsführer_innen – too many to list – über und durch die Jahrzehnte, und denen allen Würdigung gebührt, sicher mitunter die Nerven wegschmeißen wollten. „Die Basis-Demokratie, die klappt doch nie“, frei nach Andreas Dorau. Oder eben doch?
Jahrelang hat mich Huckey (Harald „Huckey“ Renner) am Mittwoch abgeholt und dann sind wir in die Kapu gefahren, meist haben wir uns schon am Weg warmgeredet, Kuriositäten besprochen – lange Jahre wohnte etwa über dem Kapu-Konzertraum die liebe Frau Baumann – oder Psychohygiene betrieben. Weil den Geruch so einer Kapu nach einem dieser legendenträchtigen Abende muss mensch erst einmal aushalten (ich gestehe, als der amtierende Intellektuelle war ich bezüglich Putzdienst ein wahrer Abseil-Champion!) …
Es steht zu vermuten, dass, wenn die Menschen über den Harald Renner Platz in die Kapu kommen, dann am Mittwoch mit ähnlicher Hingabe besprochen wird, was alles ansteht – was in einer mitunter komplex veränderten kulturpolitischen und politischen Landschaft (samt strategischem, gezielten Fördergeiz) gewachsenes Know How, immer wieder neue Ansätze braucht. Und Langmut.
Aus der Ferne einzuschätzen, was das Projekt Zukunft Klostergarten für die Kapu bedeutet, gelingt nicht, die Wiener Erfahrung um Arena und das Baugeschehen dort, legt Wachsamkeit und Skepsis nahe. Aus der Wiener Perspektive wirkt gerade das Baugeschehen in Linz bei gehäuften Aufenthalten wie ein außer Kontrolle geratenes manisches, völlig hemmungs- und skrupelloses Duracell-Haserl, Hochglanz-Oberflächen-Politur (wenn Politiker_innen und Architekt_innen sich in der ästhetischen Wahrnehmungsstörung treffen) bei gleichzeitiger Verslumung anderswo – Bethlehem-Straße irgendwer? Union-Straße? So braucht es natürlich immer einen Ort, wie die Kapu, von dem aus Einsprüche formuliert werden können, oder Anmerkungen. Der aber zugleich unveräußerlich sich selbst gehören darf und muss, sich eben nicht nur an der Welt vor der Tür abarbeitet. Think globally, act locally gilt weiterhin.
Wobei, das Wir von dem die Rede war, bestach und besticht nicht zuletzt durch seine Vielfalt, durch seine oft beinahe dialektische Gerissenheit. Die nunmehrige Oma zu meinem Opa hat bei entsprechenden Gesprächen gerne erzählt, dass, während ich dachte, mit meiner Band Die Feuerlöscher auf der Kapu-Bühne Punk- und Hardcore-Musik innovativ nach vorne zu bringen, an den Grundfesten einer erstarrten Gesellschaft zu rütteln, ihre Freund_innen und sie im Keller – der in der Kapu damals noch genutzt werden konnte – eine wirklich lässige Zeit hatten. So wie andere Menschen von wichtigen Gesprächen und Begegnungen vor der Kapu zu erzählen wissen, während drinnen Bands wie No Means No oder Fugazi oder Team Dresch oder Le Tigre oder … vorführten, was Musik alles kann. Dass Bad Brains-Gitarrist Dr. Know nach einem Konzert im Posthof in die Kapu kam, was mich in Ekstase versetzte, er meinen Fanboy-Monolog aber gar nicht unhöflich unterbrach, und meinte, ob denn hier was zu rauchen aufzutreiben wäre, hat mich jahrelang irritiert beschäftigt. Von wegen – das Banale (Lebenserleichterungmittel) und das Erhabene (Bad Brains Rock For Light) –, scheint mir aber heute viel mehr untrennbar zusammenzugehören. Was etwas ist, das in der Kapu selbstverständlich gelebt wird. (Nein, ÖVP, FPÖ, das ist eine völlig konträre Aussage zu „Geförderte Drogenhöhle Subkultur“!)
Die Kapu-Geschichte ist auf so viele Arten zu erzählen, als Menschen-Geschichte, als
(Sub-)Kulturgeschichte, als Ideen-Geschichte, als Stadt-Geschichte, aber immer wieder als Liebesgeschichte, als solche natürlich Amour Fou, aber Hallo!, auch vor allem als eine Geschichte, die sich dem geradlinigen Erzählen entzieht.
In den ersten Kapu-Jahren wurde das Konzept, das ihrem Betrieb zugrunde lag, „institutionalisierte mit offener Jugendarbeit zu verbinden“ seitens der SPÖ mit einem Preis ausgezeichnet, Verleihung durch Innenminister Karl „Charly“ Blecha im Linzer Rathaus bei einem Parteiauftrieb. Wir also hin, im Punkkostüm unter zögerlichem Applaus der Genoss_innen auf die Bühne, wo uns Charly die Hand schüttelte und ein Papier überreichte, er und wir solidarisch verkatert (Samstagvormittag!). Mit Johnny wollte er smalltalken, der Dialog in etwa so – Blecha; „Und Sie, Punker?“ Johnny: „Na, Kulturmanager!“. Da war er baff, der Genosse Innenminister! Für solche Antworten war, ist und bleibt die Kapu immer gut.
Now go and tell or write your own Kapu-Tale!