Bernadette Huber ist bekannt für künstlerische Projekte, die in sehr unterschiedlichen Räumen und Kontexten umgesetzt werden. Über Bernadette Hubers Arbeiten, über Feminismus, Arbeitswelt und über einen humanistisch-ironischen Stressfaktor Kunst schreibt Elisabeth Lacher.
In Ausstellungsräumen wie im öffentlichen Raum thematisiert Bernadette Huber gesellschaftspolitische Fragestellungen und legt dabei besonderen Wert auf einen feministischen Blickwinkel. Mit verschiedenen künstlerischen Mitteln greift sie in die Alltagsrealität der Menschen ein und fordert sie dadurch heraus, sich gesellschaftlichen Problemstellungen und Tabus zu stellen. Hubers vielschichtiges Werk zeichnet sich durch eine unglaublich große Liebe zum Detail, eine sinnliche Verspieltheit und ein humoristisches Augenzwinkern aus. In ihren Arbeiten zu Frauen, Sexualität und Körperlichkeit versteht sie Feminismus nicht als Vorschreibung, sondern als immer wieder neu auszulotendes Phänomen. Bernadette Huber wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, unter anderem 1999 mit dem Staatsstipendium für Bildende Kunst und 2012 mit dem Gabriele-Heidecker-Preis. Ihre Arbeiten sind national wie international in Ausstellungen zu sehen, zuletzt im Belvedere, im Leopold Museum und dem Wien Museum wie auch im Schiele Art Centrum Krumau.
In der Projektreihe Kunst, die berührt realisierte Bernadette Huber bisher drei feministische Interventionen, die auf unterschiedliche Weise mit Frauenbildern einst und jetzt spielen. Als Trägermaterial setzt sie den Frauenkörper ein und entlehnt dabei zwei Gemälde aus dem 16. Jahrhundert – wohlgemerkt, und wohl auch der Zeit geschuldet, von Männern gemalt. Das Bildnis Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern aus der Schule von Fontainebleau hängt im Louvre und zeigt eine sinnliche Darstellung von badenden Frauen. Im Vordergrund sitzen zwei unbekleidete Frauen am Wannenrand und eine Frau berührt die Brustwarze der anderen. Bernadette Huber verwendet dieses Bildnis für eine Neuinterpretation und montiert auf den Frauenkörpern ihr eigenes Gesicht, das von einer kunstvollen Frisur umrahmt ist. Unwillkürlich schleicht sich beim Betrachten der badenden Kunstfigur in gedoppelter Form ein stilles Schmunzeln ins Gesicht. Diese gelungene Übersetzung von klassischer Kunst in die Moderne ist der Künstlerin hier außerordentlich gut gelungen und berührt die BetrachterInnen auf sehr persönliche und humoristische Art und Weise.
Im Jahr 2015 war die Arbeit in der Linzer Galerie Paradigma als digitaler Druck auf Plane und als Installation im Ausstellungsraum zu sehen. Vergangenen Sommer brachte Huber das Bildnis als Teil einer Ausstellung auch in den öffentlichen Raum der Stadt Steyr: so durfte es für knapp zwei Monate mit dem Stadtbus fahren: als Folie an der Rückwand des Fahrzeugs.
Bernadette Huber erläutert: „Für mich war das Interessante dabei, dass man im öffentlichen Raum auf einem Stadtbus anstelle von Werbung auf Kunst trifft: auf Kunst, die berührt. Anders als bei anderen Projekten in Steyr bin ich dieses Mal als Künstlerin nicht anonym geblieben, sondern die Kunstfigur HuberNADETTE schlüpfte in die Rolle der badenden Frauen. Darunter waren mein Logo und eine Telefonnummer aufgedruckt, die ich für das Projekt eingerichtet hatte. So konnten die Steyrerinnen und Steyrer direkt mit mir in Kontakt treten. Ich war sehr gespannt darauf, wie sie darauf reagieren würden. Schließlich kann man nie genau sagen, was durch eine interaktive Kunstinstallation im öffentlichen Raum dann tatsächlich ausgelöst wird.“
Bemerkenswert an Kunst, die berührt ist der Bruch, der auf mehreren Ebenen erzeugt wird. Besonders Gemälde der klassischen Kunst implizieren einen erhebenden, stillen, kontemplativen Kunstgenuss. Sie vermitteln einen Kunstbegriff, der Kunst als Hochkultur mit ihrem festen Platz im Museum definiert. Diese Kunst aus dem ihr zugewiesenen Platz im Museum herauszureißen und in eine profane Umgebung zu setzen, verleiht dem Kunstwerk – und auch der Erotik, mit dem das Kunstwerk spielt – eine neue Dimension.
Bernadette Huber legt Wert darauf, mit ihren Werken nicht nur in Ausstellungsräumen präsent zu sein. Für sie persönlich hat interaktive Medienkunst im öffentlichen Raum einen besonderen Stellenwert, da sie so die Kunst mitten in die Lebensrealität der Menschen bringen kann. Besonders beschäftigt sie diesbezüglich auch der umgangssprachliche „Tratsch“ in einer Stadt. „Menschen glauben gerne das, was sie glauben wollen“. Dies wurde 2010 in einem Projekt verdeutlicht, das mit der Macht des Tratsches spielte und das Bernadette Huber gemeinsam mit Christina Hinterleitner realisierte. Mit Bar NADETTE – Die Macht des Tratsches. Ein Stresstest für Steyrdorf setzte Huber ihren Wohnort einem regelrechten Stresstest aus und kündigte die Eröffnung eines erotischen Etablissements mitten im Stadtviertel Steyrdorf an.
Bernadette Huber verklebte die Fenster eines Altbaugebäudes mit himbeerroter Folie und Logo der Bar NADETTE und montierte ein dazugehörendes Türschild, das kunstvoll gestaltet auf das erotische Etablissement hinwies. Ein Flyer wurde via Postwurf an den Stadtteil geschickt und kündigte die Eröffnung des Bordells mitten im Herzen der Altstadt von Steyr an. Die ausgewiesene Webseite www.barnadette.at versprach erotischen Genuss auf höchstem Niveau mit diversen, lustvollen Damen und Herren.
In unmittelbarer Nähe zum ersten Weihnachtsmuseum Österreichs ein neues Puff? Zahlreiche Nachfragen und auch Beschwerden gingen damals ein. Die Bevölkerung war ratlos, was es mit der Bar NADETTE auf sich hatte. Schließlich kam ein Schreiben von der Stadtverwaltung an die „Damen und Herren der Bar NADETTE“ mit der Aufforderung, die Folien zu entfernen und hier kein Etablissement zu errichten, da es dafür schlichtweg keine Bewilligung gäbe.
Doch die Schaufensterverklebung blieb bis zur angekündigten Eröffnung als erotische Versprechung bestehen. Erst am Tag der Eröffnung entfernten rot gekleidete Personen – organisiert als Flashmob – die Schaufensterverklebung und enttarnten die Bar NADETTE als Fake-Bordell. In den Schaufenstern montierte die Künstlerin den Hinweis, dass Menschen alles glauben, was sie glauben wollen. Als Trost für diejenigen, deren Vorfreude enttäuscht wurde, gab es einen Wegweiser zu den anderen Bordellen in Steyr, inklusive Angabe der Gehminuten.
Bernadette Huber wurde für dieses Projekt mit dem Gabriele-Heidecker-Preis ausgezeichnet. Vor allem gelang ihr mit dieser Arbeit, auf künstlerisch-interaktive Weise das Thema käufliche Liebe, Prostitution, Tabu und Doppelmoral mit dem Tratsch einer Kleinstadt zu verknüpfen.
Die Künstlerin beschäftigt der Tratsch als interaktives Mittel auch weiterhin in ihren Kunstprojekten: „Für mich hat sich der Tratsch als Möglichkeit der Interaktion mit dem Publikum aufgetan. Mich interessiert daran die Vielschichtigkeit, die mögliche Interaktion, die Überschreitung beziehungsweise Provokation: Was kann der Katalysator des Tratsches sein, was ist Gesprächsstoff? Der Tratsch kann durch meine Projekte initiiert werden, aber dann nicht vorausgesagt oder beeinflusst werden. Für mich selbst ist das dann auch immer ein Stresstest, da ich in den Vorbereitungen zu einem Projekt nie weiß, wie sie ausgehen werden. Das ist immer eine Herausforderung, aber mein Interesse daran ist ungebrochen.“
Anlässlich des Festivals der Regionen 2015 in Ebensee realisierte Bernadette Huber eine sehr poetische Arbeit, mit der sie auf eine immer härtere und menschenfeindlichere Arbeitsrealität hinweist. Sie thematisiert mit In die Luft schauen die Fragilität von Erwerbsarbeit und die Austauschbarkeit von ArbeitnehmerInnen. „Wer nichts tut, fliegt“. Dieses Damoklesschwert, das über vielen ArbeitnehmerInnen hängt, dieser Imperativ, permanent tätig zu sein und genug tun zu müssen, wurde per Flugbanner als doppeldeutige Textbotschaft über Ebensee geflogen. Wer nichts tut, fliegt: Im wahrsten Sinne des Wortes oder übertragen als Grausamkeit des Arbeitsmarktes? Auch hier fehlt das humoristische Element nicht und brachte die EbenseerInnen dazu, in die Luft zu schauen, zu staunen und nachzudenken.
Mit einer zweiten Botschaft verweist Huber auch auf eine gewisse Härte der eigenen Arbeitsrealität als Künstlerin. Das zweite Banner, das per Flugzeug über Ebensee gezogen wurde, war mit SUCHE ARBEIT und Handynummer versehen: Teilweise skurrile, kreative oder auch überlegte Arbeitsangebote wurden auf die Mailbox gesprochen und per Soundinstallation in eine Ebenseer Gasse in den öffentlichen Raum zurückgespielt. Auf der Projekthomepage www.indieluftschauen.at sind die Arbeitsangebote weiterhin nachzulesen.
Der baldige 1. Mai würde sich übrigens gut für einen Besuch der Webseite und ein Nachdenken über Arbeitsrealitäten anbieten. Und angesichts der aktuellen politischen Situation bleibt wohl zu hoffen, dass Arbeitssuchende in Zukunft nicht zu solch drastischen Mitteln der Arbeitssuche greifen müssen, um künftig ihr tägliches Auskommen zu sichern …
Tipp für den 1. Mai: www.indieluftschauen.at