Zum dritten Mal bespielt Holy Hydra heuer im September die Stadtpfarrkirche Urfahr. Holy Hydra widmet sich neben musikalischen und künstlerischen Beiträgen vor allem folgenden Fragen: Was sind die Gemeinsamkeiten von Clubkultur und Religion? Wie können Sakralräume anderweitig genutzt werden? Inwiefern können Kirche, Kunst und Kultur voneinander profitieren? Bettina Landl ist einer sehr zeitgemäßen Variante der Liaison von Kunst und Kirche nachgegangen.
Am 10. und 11. September ist es wieder soweit. Nach einer herausfordernden Organisations- und Produktionsperiode hat das höchst flexible und improvisationserfahrene Team der Holy Hydra, bestehend aus dem Linzer Hydra Kulturverein in Kooperation mit dem Raumteiler Kulturverein und mit wertvoller Unterstützung der Jugendkirche Grüner Anker sowie dem bestehenden Netzwerk ein zweitägiges Programm krisengerecht auf die Beine gestellt. Neben dem bereits in den ersten beiden Ausgaben bewährten visuellen Raumkonzept, einem 360°-Live-Projection-Mapping von 4youreye ProjectionArt sind auch Alja Ferjan und Barbara Vuzem mit einer Tanzperformance wieder mit an Bord. Besonderes Highlight ist die Bespielung der Kirchenorgel, für die u.a. die Künstlerin Monica Vlad eigens ein Stück erarbeitet.
„Unser Anliegen ist es, einen fluiden und smoothen Übergang von Theorie zu Praxis zu schaffen, wobei den AkteurInnen dabei eine möglichst offene und freie Plattform gegeben werden soll. Um ein breites Spektrum an Zugängen abzudecken und Diversität zu garantieren, wurden erneut KünstlerInnen vielfältiger Genres geladen. Augenmerk dabei liegt auf Performance und Interaktivität, um dem Publikum die Möglichkeit zu geben, sich als Teil der Holy Hydra zu fühlen“, heißt es vonseiten der Hydra.
Andere Räume
Hydra erweitert (Gedenk-)Räume, aber diesmal anders. Lange wurde darüber diskutiert, ob das Festival 2020 überhaupt stattfinden wird, aber: „Nichts machen geht auf keinen Fall“, lautet das Credo der VeranstalterInnen, die sich dazu entschlossen haben, trotz Widrigkeiten fix etwas zu organisieren. Situationsbedingt konzentriert man sich in diesem Jahr vielmehr auf den Kirchenraum als Gesamt-Installation als auf das Programm an sich. „Auf alle Fälle wird es aber wieder Sound geben, wenn auch nur bis Mitternacht. Es wurde auch ein Sicherheitskonzept entwickelt, welches stets den aktuellen Auflagen angepasst wird, um alle Corona-Bestimmungen in die Umsetzung zu integrieren“, schildert Amanda Augustin, die Obfrau des Hydra-Kulturvereins, den sie gemeinsam mit Lorena Höllrigl, Anna Friedinger, Björn Büchner, Bernd Himsl und Klaus Reznicek betreibt.
Die Hydra ist das vielköpfige Geschöpf aus Linz, das Tag und Nacht für die freie Szene kämpft und sich stets nach unbespielten Räumen, einzigartigen Raumkonzepten und neuen Möglichkeiten umsieht. Sie agiert aus einer inneren Notwendigkeit für eine kulturell vielfältige Veranstaltungskultur heraus, immer auf der Suche nach dem Plus X, angetrieben vom Zuspruch ihres Publikums. 2016 als Veranstaltungskollektiv „die geile Hydra“ gegründet, ist sie mittlerweile ein Kulturverein, der seit 2018 einmal im Jahr eine Kirche anvertraut wird, um sich darin zur Holy Hydra zu transformieren. Ihre sechs Köpfe haben sich über ihr kreatives Schaffen zusammengefunden, sind sowohl professionell als auch privat fester Bestandteil der Linzer Kulturszene und verfügen über profunde Erfahrungen als VeranstalterInnen im Kunst- und Kulturbereich. Ihr Anliegen ist es, dieses Format einer jährlichen Veranstaltungsreihe zwischen zeitgenössischer Kunst, Religion und Gesellschaft kontinuierlich zu etablieren.
#bumbummitniveau
Die ersten Schritte machte die Hydra bereits 2016, als man im Zuge der ersten Hydra-Parties auf Locationsuche war. Im Zuge dessen wurde der Raumteiler Kulturverein gegründet, dessen Räumlichkeiten als Lager, Produktionsbüro und Veranstaltungsort genutzt werden. 2018 fand die erste Veranstaltung in der Stadtpfarrkirche Urfahr unter dem Namen Holy Hydra statt, welche gleichzeitig die praktische Masterarbeit von Amanda Augustin und Lorena Höllrigl an der Kunstuniversität Linz (Abteilung raum&designstrategien) war.
Um autark zu sein, wurden die Vereine separat aufgestellt und haben unterschiedliche, wenn auch eng verwandte Missionen. Jene der Hydra lautet: Wie kann man Party mit Kunst vereinen und wie lässt sich daraus ein Mehrwert generieren? „Party“ wird als Kunstkonzept und Medium verstanden und soll als fixes Format neben und gemeinsam mit der Ars Electronica eingerichtet werden, deren Prinzip sie quasi umkehrt: Diskurs und dann Party wird zu Party mit Diskurs.
Was uns intern verbindet, ist die Neugierde neue Räume zu entdecken, Leerstand zu bespielen und jede Party als einzigartiges Erlebnis zu verstehen und zu zelebrieren“, erzählt Augustin. „Die ursprüngliche Idee für eine Holy Hydra kam uns in der Kapu, neben der sich die bereits länger leerstehende Kapuzinerkirche befindet. Wir haben dann ein Konzept dafür entwickelt. Aber aus diesem Ort ist nichts geworden.“ Ihre Überzeugung, intensive ehrenamtliche Vereinsarbeit, viel Engagement und Bemühen trotz prekärer Arbeitsbedingungen hat jenen Prozess in Gang gesetzt, der sie schließlich in der Stadtpfarrkirche Urfahr landen ließ, indem die Jugendkirche Grüner Anker sofort als Kooperationspartnerin gewonnen wurde. „Die Kirche ist perfekt und dankenswerterweise war der Grüne Anker unserer Idee gegenüber völlig offen. Wenn man Kirche machen kann, dann so!“, betont Augustin. „Es ist eine sehr moderne Kirche, die vor ein paar Jahren renoviert wurde. Aufgrund ihrer Bestuhlung eignet sie sich hervorragend für derlei Formate wie die Holy Hydra“, ergänzt Anna Friedinger.
„Der Boden lässt sich vollständig mit Teppich auslegen und ermöglicht es, im Liegen den ganzen Raum spürbar zu machen und den Kirchenraum auf vollkommen neue Art zu erfahren. Ein ganz spezieller Vibe! Das ist genau das Potenzial, das ich in der Holy Hydra sehe. Mich faszinieren Sakralbauten. Es sind wahnsinnig spannende Gebäude und diese als Veranstaltungsorte zu nutzen, ist ein großer Reiz und eine Chance. Denn ohne Zweifel braucht es auf die Frage, wie diese Räume einer erweiterten Nutzung zuzuführen sind, sodass diese für eine größere Anzahl von Personen (wieder) zu Räumen der Begegnung werden können, eine Antwort. Dabei geht es nicht um eine reine Umnutzung, sondern um das Aufzeigen neuer Möglichkeiten. Wir sehen in Sakralbauten wie Kirchen enorme Möglichkeiten und möchten mit unserer Veranstaltung deutlich machen, dass eine Kirche Platz für diverse Formate bieten kann“, erklärt Augustin.
Kirche geht (auch) anders
Eine mögliche Antwort lautet also: Holy Hydra – eine interdisziplinäre Veranstaltung, die zeitgenössische Tanzperformances, elektronische Musik und neue Medienkunst sowie themenbezogene Vorträge beinhaltet. Inhaltlicher Fokus liegt dabei auf einer erweiterten Nutzung und einer möglichen Neudefinition von sakralen Räumen, mit der Agenda den Diskurs zwischen Clubkultur, Religion und Gesellschaft auf eine breitere Ebene zu stellen. Im Zusammenspiel von Theorie und Praxis wird der Frage nach der gegenwärtigen Funktion von sakralen Räumen nachgegangen. Dabei wird auch debattiert, inwiefern diese über ihre eigentliche Funktion hinaus im Kontext von öffentlichem Raum genutzt werden können.
Wie in den vergangenen Jahren auch abseits der Veranstaltung bewiesen wurde, haben Sakralräume wie Kirchen ein großes Potential, insbesondere für Kunst und Kultur. Durch gemeinsamen Dialog aller Beteiligten werden Bedingungen geschaffen, die einen interkulturellen Austausch ermöglichen und als Vorbild für zukünftige Kulturschaffende wirken. „Auch in diesem Jahr wollen wir ein interdisziplinäres und zeitgemäßes Programm zusammenstellen, das besonders die lokale Kunst- und Kulturszene im Fokus hat und die Vielfalt der österreichischen Kulturlandschaft widerspiegelt. Die Veranstaltung bietet die exklusive Erfahrung, einen sakralen Raum im neuen Kontext zu erleben, Kunst und Kultur auf bisher selten zugänglich gemachte Weise zu erfahren“, erklärt die Hydra.
HOLY HYDRA
10. & 11. 9. 2020
Stadtpfarrkirche Urfahr – Jugendkirche Grüner Anker
www.holyhydra.at