Ihre Mitarbeiterinnen engagieren sich für Frauen, deren Leben meist von Armut und Ausgrenzung geprägt ist, doch jetzt sind drei wichtige Anlaufstellen in Gefahr: Knapp vor Weihnachten wurde den Frauenberatungsstellen maiz, FIFTITU% und Arge SIE nämlich eine gar nicht frohe Botschaft überbracht: Die 100%ige Streichung der bisherigen Förderung aus dem Frauenreferat OÖ.
Wenn ich mit einem wachen Blick durch die Stadt gehe, werde ich ihnen begegnen: der Migrantin, der Asylwerberin, der wohnungslosen Frau oder der Migrantin in der Sexarbeit. Ich könnte aber auch mit einer Künstlerin oder Kulturschaffenden sprechen, die nach individueller Information und Vernetzung sucht. Natürlich kann ich diese Frauen völlig aus meiner Wahrnehmung ausblenden, doch das ändert nichts an ihrem Leben, das meist nur von einer schwankenden Basis gestützt wird.
„Wir sind kürzlich umgezogen, denn die Miete in der Altstadt ist zu teuer geworden“, erklärt mir Luzenir Caixeta vom Verein maiz, Autonomes Frauenzentrum von & für Migrantinnen, als ich mich mit ihr und drei weiteren Frauen – Oona Valerie Serbest, Karin Falkensteiner und Bianca Wieland – im neuen maiz-Büro in der Linzer Scharitzerstraße treffe.
Die Frauen arbeiten zwar teils in unterschiedlichen Vereinen, es verbindet sie aber nicht nur ihr Engagement für Frauen, sondern momentan auch dieselbe missliche Lage, aus der sie jetzt einen Ausweg suchen. Es handelt sich dabei um maiz, um Arge SIE, Beratung, Begleitung und Wohnen für wohnungslose Frauen, und um FIFTITU%, Anlauf- und Vernetzungsstelle für Künstlerinnen und kulturschaffende Frauen. Diese Vereine – das sei betont – kümmern sich nicht etwa um die Freizeitgestaltung von Frauen, sondern um jene, die dringend Unterstützung suchen und die sich zum Großteil in akuten existentiellen Notlagen befinden. Maiz etwa berät derzeit jährlich 400 Migrantinnen in sieben Sprachen und Arge SIE 240 wohnungssuchende Frauen.
Was ist geschehen? Kurz vor Weihnachten wurden Mitarbeiterinnen der drei Frauenberatungsstellen zu Einzelgesprächen ins Frauenreferat des Landes Oberösterreich zitiert. Ihre Arbeit, so wurde ihnen jeweils mitgeteilt, gehöre nicht mehr zum sogenannten Kerngeschäft des Frauenreferats und aus diesem Grund werde die Förderung – insgesamt rund 60.000 Euro – umgehend gestrichen. Die Leiterin des Frauenreferats des Landes Oberösterreich, Beate Zechmeister, führte als Argument an – so erzählt mir Karin Falkensteiner von Arge SIE –, „dass die Zielgruppen der drei Vereine zu spezifisch seien, daher solle die Förderung aus anderen Bereichen kommen.“ Was denn unter einem Kerngeschäft zu verstehen sei, wurde den zuständigen Frauen nicht erläutert, und auch mir ist es nicht wirklich verständlich. Um die Lücke meiner Allgemeinbildung dahingehend zu schließen, ziehe ich den klugen Duden zu Rate, der mich wie folgt aufklärt: Ein Kerngeschäft ist ein „wichtiger, zentraler geschäftlicher Bereich; Geschäftsfeld, auf das sich ein Unternehmen o. Ä. spezialisiert“. Diese Definition verwirrt mich, schließlich zeigte sich vor allem die Spezialisierung der drei Vereine als Hindernis für eine weitere Förderung, so jedenfalls die Argumentation seitens der Politik. Keine Frage aber, dass die jahrelange Erfahrung und Spezialisierung der Mitarbeiterinnen für die ohnehin an die Peripherien der Gesellschaft gedrängten Ratsuchenden nur von Vorteil sein kann, aber das nur nebenbei.
Als ein anderer wesentlicher Punkt stellt sich die Frage, aus welchen „anderen Bereichen“ denn die notwendigen Gelder fließen sollten, denn bereits in den vergangenen Jahren wurden die Förderungen auch von anderen Seiten gekürzt.
Angesichts dieser Entwicklungen könnten wir jetzt natürlich auch über das Gesellschafts- und Frauenbild der politisch Entscheidenden zu sinnieren beginnen, und auch darüber, worauf wir uns denn künftig einstellen müssen. Ist das Leben, der Alltag von Migrantinnen, der obdachlosen oder akut wohnungssuchenden Frauen nur von geringer Relevanz? Sollen ihre Probleme an den Rand gedrängt werden, das Stadtbild nicht stören? Welches Signal sendet ein Frauenreferat aus, wenn es das Engagement gegen die Nöte der betreffenden Frauen nicht mehr als förderungswürdig erachtet?
Eine Leserin des Standard schreibt zu diesem Thema in ihrem Posting vom 17. Jänner 2018:
„Streichung von Fördermitteln für Migrantinnen, Kunst und Kultur und Beratung für wohnungslose Frauen – was für ein Klassiker … Kunst und Kultur – brauch ma ned, Migrantinnen sowieso nicht und auch das österreichische Heimchen hat am Herd zu bleiben.“
Der Vollständigkeit halber sei dazu erwähnt, dass natürlich auch inhaltlich gegenteilige Kommentare zu lesen waren. Doch kehren wir zurück zur Realität, dem Alltag der Vereinsmitarbeiterinnen und vor allem den Frauen, für die sie sich engagieren.
Ich frage Bianca Wieland und Karin Falkensteiner von Arge SIE, welche Konsequenzen diese Förderungsstreichungen für die betroffenen Frauen nach sich ziehen. Arge SIE ist gezwungen, die Wartezeiten zu verlängern, und muss an andere Stellen wie etwa FRIDA, das Tageszentrum für wohnungslose Frauen der Caritas, oder an die Notschlafstellen verweisen. Die Mitarbeiterinnen von Arge SIE können aber auch durch deren Spezialisierung, die sich jetzt offensichtlich als fatal entpuppt, gezielter für die Betroffenen arbeiten. Sie sind in der Lage, die Frauen zu beraten und auch psychosozial zu begleiten, ohne bei ihnen eine Opferrolle zu forcieren. Die komplette Streichung der Fördermittel seitens des Frauenressorts bedeutet für Arge SIE nun einen Verlust von einem Viertel des Jahresbudgets.
Maiz – der Verein berät und unterstützt Migrantinnen und geflüchtete Frauen rund um die Themen Arbeit, bei familiären Angelegenheiten und Fragen, Diskriminierung und Bildung – hat, um den laufenden Betrieb halbwegs fortführen zu können, bereits reagiert: Neben der Reduktion von Sachkosten, musste die Arbeitszeit von Mitarbeiterinnen gekürzt werden, Luzenir Caixeta etwa hat sich für die Altersteilzeit entschieden. Auch der Verein FIFTITU%, der sich für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen in Kunst und Kultur einsetzt, ist, so Oona Valarie Serbest, gezwungen, Mitarbeiterinnen zu entlassen und Serviceleistungen einzustellen.
Als die vier Frauen von ihrer jetzigen Situation und möglichen Perspektiven sprechen, setzt sich in meinem Kopf ein Stichwort fest: Ehrenamt! Auch die drei Mitarbeiterinnen der betroffenen Vereine arbeiten jetzt weit über ihr Pensum hinaus, um die dringend nötigen Aufgaben zu bewältigen, die Frauen, die zu den Vereinen kommen, nicht im Stich zu lassen. Unter Ehrenamt wird altruistisches Handeln verstanden, soll dieses altruistische Handeln auch die Pflichten des Staates übernehmen und kann einstmals bezahlte Arbeit ins Ehrenamt münden?
Ein Zitat dazu aus der wissenschaftlichen Arbeit Ehrenamt zwischen Engagement, Instrumentalisierung und Selbstregulierung von Ursula Ebel:
„Foucaults Machtmodell steht für die Dynamisierung von Machtverhältnissen, die politische Förderung des Ehrenamts zielt auf die neoliberale Selbstorganisation und -führung im Ehrenamt ab. Aufgrund dieser Privatisierung einst öffentlicher Aufgaben werden die Tätigkeiten ihrer politischen Schlagseite enthoben. Ehrenamt fungiert nicht als individuelles Befreiungsideal fern neoliberaler Politiken.“
Rechnet die Politik in selbstverständlicher Weise mit unbezahlter Arbeit bei einer Arbeitnehmerin, einer Frau? Vielleicht eher als bei einem Mann, oder wird es gar vorausgesetzt? Falls dem so sei, aus welchem Grund eigentlich? Wird die Arbeitskraft einer Frau geringer eingestuft als die eines Mannes? Das bleiben Vermutungen, die ich hier so stehen lassen will.
Da die zuständigen Frauen der drei Vereine die Streichung der bisherigen Förderungen keinesfalls akzeptieren möchten, haben sie in ihrer Freizeit die Kampagnenaktion Frauenlandretten ins Leben gerufen. Seit dem Start können Unterstützungsmails an Landeshauptmann Thomas Stelzer und Landesrätin Christine Haberlander (beide ÖVP) geschickt werden, um die Dringlichkeit der Förderungen zu betonen, Solidarität mit den Beratungsstellen zu zeigen. Den Vereinen wiederum wurde von politischer Seite geraten, sie sollten versuchen, durch Crowdfunding Gelder zu lukrieren. Jede und jeder, die oder der sich schon einmal bemüht hat, eine Crowdfunding-Aktion auf die Beine zu stellen, weiß, wie aufwendig und zeitintensiv dieser Prozess vor sich geht. Und damit schließt sich hier der Kreis zum aufgezwungenen Ehrenamt.
Kampagnenaktion: frauenlandretten.at
Arge SIE, arge-obdachlose.at/arge-sie
FIFTITU%, Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur OÖ, www.fiftitu.at
maiz, Autonomes Zentrum von und für Migrantinnen: www.maiz.at