Die Referentin #41 - Aktuelle Beiträge

Linz wird PLAKATropolis

qujOchÖ | Kunst und Kultur, 27. August 2025
Die Referentin #41

Der Kulturverein qujOchÖ startet mit PLAKATropolis ein fast schon ewiges Linzer Thema wieder neu an – und initiert ein Plakatfestival, das gemeinsam mit anderen Kunst- und Kulturinitiativen den öffentlichen Raum zurückerobert. PLAKATropolis findet im November in Linz statt, qujOchÖ hat der Referentin Hintergründe und exemplarische Beiträge zur Verfügung gestellt. 

Was will die Wand?
Was will die Wand? © qujOchÖ

Plakate und Drucksachen von Kunst- und Kultureinrichtungen prägen das Bild urbaner Räume und sind neben ihrer Funktion als Informationsmedium auch ein öffentlich sichtbarer Gradmesser für die kulturellen Aktivitäten in städtischen Gefügen. Vor allem im subkulturellen Kontext ist das sogenannte Wildplakatieren – also das Anbringen von Drucksachen auf nicht dafür vorgesehenen Stellen im öffentlichen Raum – meist die einzige leistbare Möglichkeit zur Verbreitung von Ankündigungen. 

Doch in Linz ist diese Praxis seit Jahrzehnten ein Politikum. Die Linzer Plakatierverordnung aus dem Jahr 1983 schaffte die Plakatierfreiheit in der Innenstadt de facto ab. Während es damals noch rund 40 freie Plakatflächen gab, schrumpfte deren Zahl in den folgenden Jahrzehnten auf nur noch vier – alle in Randlagen. Gemeinnützige Kul­turinitiativen und zivilgesellschaftliche Organisationen konnten sich kommerzielle Flä­chen kaum leisten und wurden so weitgehend vom öffentlichen Raum ausgeschlossen.

2019 kam die Wende: Der Verfassungsgerichtshof erklärte die Linzer Plakatierverordnung für gesetzwidrig. Auslöser war eine Veranstaltung der Solidarwerkstatt im Juni 2017 – die „Lange Nacht des Friedens“ – für die Plakate mit Klebstreifen an Blechkästen, Masten und Bauzäunen angebracht wurden. Daraufhin klagte die Stadt Linz den Verein auf Ersatz der Kosten für die Dokumentation und Entfernung der Plakate. Der VfGH berief sich in seiner Entscheidung auf § 48 des Mediengesetzes sowie auf die Europäische Menschenrechtskonvention: Das Recht auf freie Meinungsäußerung dürfe nur unter strenger Abwägung öffentlicher Interessen eingeschränkt werden. 

Seit Herbst 2023 gilt in Linz allerdings wieder eine neue Plakatierverordnung. Diese besagt, dass im öffentlichen Raum der Stadt Linz – bis auf 30 sehr kleine legale Plakatflächen, die sich zum Großteil am Rande der Stadtgrenzen befinden – das Anbringen von Plakaten verboten ist. Mit der Begründung der Aufrechterhaltung von öffentlicher Ordnung bzw. Sicherheit werden Druckwerke an Laternen- und Strommasten, Schaltkästen, Brückenpfeilern, Betonwänden und Ähnlichem als störendes Sicherheitsrisiko empfunden. Allerdings existieren für bestimmte Anlässe – etwa amtliche Bekanntmachungen, Ankündigungen von wahlwerbenden Parteien, Zirkussen oder gemeinnützigen „Grätzl“-Veranstaltungen – Ausnahmeregelungen.

Nun haben wir zwar legale Plakatierflächen, aber die Kritik bleibt: die Tafeln sind zu klein, um mehrere Plakate nebeneinander zu platzieren, und befinden sich zum Großteil an Orten mit wenig Fußverkehr und wenig Aufmerksamkeit. Für viele Kulturinitiativen ist die Reichweite damit so eingeschränkt, dass die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum faktisch wieder ein Privileg finanzstarker Organisationen und Parteien ist.

Die Ecke fühlt sich ausgeschlossen.
Die Ecke fühlt sich ausgeschlossen. © qujOchÖ

Vor diesem Hintergrund startet qujOchÖ PLAKATropolis: ein stadtweites Plakatfestival, das gemeinsam mit anderen Linzer Kunst- und Kulturinitiativen den öffentlichen Raum für künstlerische Ausdrucksformen und kulturelle Initiativen zurückerobert. Zwei Wochen lang werden übersehene, vergessene oder streng regulierte Ecken von Linz in temporäre Zonen für Sichtbarkeit, Kritik und kollektive Imagination verwandelt. 
Ziel ist einerseits die Förderung von Plakatkunst als Ausdrucksmittel für die Vielfalt städtischer Kreativität, andererseits die Stär­kung und Vernetzung der lokalen Künst­le­r*innenszene, sowie die Sensibilisierung für die Bedeutung des öffentlichen Raums als Ort der freien Meinungsäußerung und des Dialogs.

Als Basis für einen kollaborativen Output wurde im Rahmen eines Open-Calls zur Teilnahme und inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem oder mehreren der drei Themenfelder – Inklusion/Exklusion, Zensur, Politiken der Sichtbarkeit – aufgerufen und weitere Linzer Freie-Szene-Einrichtungen sowie die Kunstuniversität Linz zur Zusammenarbeit eingeladen.

Drei Leitfragen, bezogen auf das Medium Plakat bzw. den Ort der Affichierung begleiteten die Ausschreibung:

  • FÜHLT SICH DIE ECKE AUSGESCHLOS­SEN?
    Wer wird inkludiert und wer ausgeschlossen – und wer darf Spuren in der Stadt hinterlassen?
  • WAS WILL DIE WAND?
    Wie agieren urbane Oberflächen als Mitgestalter*innen oder Zensurinstanzen – wie formen sie Botschaften und wie werden sie von diesen geprägt?
  • TRÄUMEN PLAKATE VON DAUER­HAFTIGKEIT?
    Wie steht es um das Spannungsverhältnis zwischen Vergänglichkeit und dem Widerstand gegen das Verschwinden; um Politiken der Sichtbarkeit?

 

Die ausgewählten Arbeiten werden unter Einbindung verschiedener Linzer Druckwerkstätten produziert und auf mobilen und temporären Präsentationsflächen an Stellen der Stadt affichiert, an denen normalerweise nur Wahl- und Zirkusankündigungsplakate zu finden sind. Zudem erscheint eine Publikation zur Bespielung des öffentlichen Raums als projektbegleitendes Druckwerk. 

 

PLAKATropolis
Das PLAKATropolis Festival findet in Linz von 1. November – 10. November 2025 statt. Mehr infos unter qujochoe.org/de/event/plakatropolis

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