Zeitgenössische Kunst und Kultur these days: Viele, viele Künstler, Künstlerinnen, Kulturschaffende und AutorInnen sind erschüttert von den gesellschaftlichen und politischen Krisen, die sich seit geraumer Zeit anbahnen, und sich nun von ihrer aktuell unglaublich skurril-hässlichen Performance zeigen – um es so zu sagen.
Während wir hier als Editorial-Schreiberinnen Worte formulieren, sehen wir vorläufige Ergebnisse der EU-Wahlen vor unseren Augen auftauchen. Der nicht so schlimm ausgefallene, und dennoch drohende Rechtsruck in der EU wird diskutiert, Menschen wie Steve Bannon beraten weltweit in Sachen staatlicher Destruktion. Während diese Zeilen geschrieben werden, betritt ein befreundeter Autor die Räumlichkeiten und erzählt davon, dass auf einem öffentlichen Platz gerade eben rechte Parolen herumgerufen wurden, der Schock ist ihm anzusehen und wir sind ebenfalls schockiert. Genug ist eben leider nicht immer genug.
In Tagen und Zeiten wie diesen ein Editorial für ein Heft für „Kunst und kulturelle Nahversorgung“ zu schreiben, ohne sich von all dem berührt zu zeigen, ist eine Herausforderung, die schlichtweg nicht gelingt und auch nicht gelingen kann. Es geht um Gefährdung auf allen Ebenen – und diese Gefährdung spiegelt sich bis in die „lokalsten“ Realitäten und auch in vielen Beiträgen in diesem Heft.
Zum einen findet Wiltrud Hackl in ihrer Work-Bitch-Kolumne über die male Egomanen von Ibiza bis Linz klare Worte. Dominika Meindl sieht sich die Lage der Kunst- und Kulturschaffenden an, die seitens des Landes OÖ immer noch von Kürzungen betroffen sind; und die sich noch vor wenigen Tagen mit dem Umstand auseinandersetzen mussten, dass beinahe ein Deutschnationaler in den Landeskulturbeirat berufen wurde, während zeitgleich die Auftaktveranstaltung zum neuen Kulturleitbild des Landes erfolgte.
Femicides im Spiegel der Heimat beleuchtet Sarah Held, und sie dringt tiefer in die rassistischen Ressentiments, die auch hierzulande oft selbstredend mit Gewalt gegen Frauen einhergehen. Weitere Gefährdungspotentiale sind zweifelsohne im Heft auszumachen und nachzulesen, die Kunst- und Kulturprojekte sprengen aber erfreulicherweise den fatalistischen gesellschaftlichen Rahmen. Sie orientieren sich an ästhetisch und politisch größer angelegten Visionen einer besseren, sozialeren, emanzipierteren, ökologischeren Welt.
Hervorgehoben seien an dieser Stelle exemplarisch sehr unterschiedliche Texte: Einerseits jene beiden zu den Arbeiten des Papiertheater Zunders. Das Kollektiv hat sich der frühen sozialen Bestrebungen der Rätebewegung und ihrer ProtagonistInnen angenommen und berichtet quasi aus der Innensicht der Produktion. Andererseits hat Lisa Spalt den „Rurbanisten“ Christoph Wiesmayr besucht, um mehr über seine Insect City zu erfahren, beziehungsweise über eine stadtplanerische Sicht aus „insektoider Perspektive“.
Perspektivenwechsel ist jedenfalls angesagt – nach den ökologisch destruktiven Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und auch nach den politischen Wahnsinnigkeiten der letzten Tage. Beim Schreiben des Editorials hat sich nun nach den Politnews wieder das Musikprogramm in den Äther geschoben und aus dem Radio klingt „What a Wonderful World“.
Was immer das bedeuten kann.
Die Referentinnen, Tanja Brandmayr und Olivia Schütz