Mit der Newsbase vom Verein FIFTITU% gibt es eine neue Online-Plattform, die Calls sammelt und Anliegen von Künstler*innen vertritt. Über Forderungen von Newsbase, die schwierige Einkommenssituation von Literat*innen und was Hürden in der Förderlandschaft damit zu tun haben, darüber schreibt die Autorin Lisa-Viktoria Niederberger.
Vor ein paar Tagen habe ich bei der Kulturabteilung des Landes Oberösterreich angerufen. Ich telefoniere sowieso nicht gerne, schon gar nicht mit Behörden, also habe ich geübt: „Guten Morgen, mein Name ist Niederberger, ich bin Autorin, und ich habe eine Frage zum Arbeitsstipendium für Literatur.“ Nach zwei Mal weiterverbinden, einer neuen Durchwahl und einem dreiminütigen Gespräch mit der Zuständigen war alles klar. Das Förderformular, das mich bisher davon abgehalten hat, mich überhaupt um dieses Stipendium zu bewerben, hatte seinen Schrecken verloren, denn all die Dinge, die mich nervös machten – Finanzplan, Rechnungsabschluss des Vorjahres, Kontostand der antragstellenden Person, könnte ich frei lassen, erfuhr ich, sie beträfen mich und meinen Antrag nicht. Ich konnte also durchatmen und fragte, warum dann jenes Formular unter der Ausschreibung verlinkt wäre, wenn es doch so irreführend sei. Meine Gesprächspartnerin meinte, daran werde bereits gearbeitet, ich bedankte mich für die Hilfe, schickte kurz darauf meinen Antrag ab und begann diesen Text, denn jene Begebenheit legt schon viele Problemfelder offen, die ich in der Literaturförderung sehe.
Vorweg: das mit den komplizierten und/oder falsch verlinkten Formularen zieht sich durch, zuletzt fiel mir das im März diesen Jahres auf, als ich mich ums Startstipendium des BMKÖS bewarb. Hat man den richtigen Zettel gefunden, ist er kompliziert formuliert. Gerade am Beginn meines Schreibens war das entmutigend für mich. Das Ansuchen um Förderungen war mit vielen bürokratischen Hürden verbunden, von denen ich die meisten heute überwunden habe, was aber mit Privilegien verbunden ist. Deutsch ist meine Erstsprache, in der Theorie verstehe ich alles, und wenn nicht, bin ich in ein Netzwerk schreibender Frauen eingebunden. Wir helfen uns gegenseitig und schimpfen zusammen, viele Künstler*innen haben das nicht. „Irgendwann rufe ich bei der Literar Mechana an, und erkläre denen, wie rückständig ihre Einreichbedingungen sind“, fluchte mir vor kurzem eine befreundete Kollegin ins Telefon. „Warum wollen die ein Haushaltseinkommen wissen? Was hat das Geld meines Mannes mit meinem zu tun? In welchem Jahrhundert leben die?“
Literaturförderung ist immer an Bedingungen geknüpft: Herkunft, Wohnort, Alter, Anzahl bisheriger Veröffentlichungen, Vermögen, oder wie es in manchen Ausschreibungen gerne heißt „Nachweis der Bedürftigkeit“. Und da sind wir beim nächsten Problem, denn bedürftig sind die meisten von uns in irgendeiner Form. Vor allem während des Schreibprozesses, zwischen den Büchern sozusagen, oder wie in meinem Fall: wenn es dauert, bis der erste Roman kommt. Literaturförderung trifft außerdem immer eine Auswahl, es gibt nie genug für alle, sondern es gibt Jurys, oft bestehend aus anderen Schreibenden, Buchhändler*innen, Germanist*innen oder sonstigen Personen aus der Branche, und es wäre nicht Österreich, wenn es hier anders wäre als in der Politik und überall. Auch in der Stipendienvergabe gibt es Freunderlwirtschaft und modernes Mäzenatentum, ebenso wie Gatekeeping.
Die Literatur und ich, wir sind keine Einzelfälle. Schwierigkeiten und Barrieren in Bezug auf die Fördersituation betreffen Künstler*innen aller Sparten. Um zumindest bei einigen dieser Schwierigkeiten Unterstützung anzubieten, hat der Verein FIFTITU% die feministische Vernetzungs- und Beratungsstelle für Frauen* in Kunst und Kultur nun die Newsbase gelauncht – eine niederschwellige und kostenlose Online-Plattform, die sich Calls und Förderungen aus dem Kunst- und Kulturbetrieb widmet und von Künstler*innen kuratiert wird. Was sie außerdem von anderen Sammelstellen für Ausschreibungen und einschlägigen Newslettern unterscheidet, ist, dass die Newsbase Calls nach Kategorien beschlagwortet. Interessierte können also auf einen Blick sehen, ob eine Ausschreibung z. B. eine Beschränkung nach Herkunft hat, alleinerzieher*innenfreundlich ist oder sich die fördernde Institution für nachhaltige Arbeitsbedingungen stark macht. Nach Registrierung gibt es außerdem die hilfreiche Möglichkeit, einen Deadline-Reminder für Einreichfristen zu aktivieren. Beim offiziellen Launch-Event der Newsbase am 16. März dieses Jahres im Lentos lud FIFTITU% Vertreter*innen der Förderstellen und Künstler*innen zu einer Podiumsdiskussion ein, bei der von letzteren vor allem ein niederschwelliger und internationaler Zugang zu Preisen und Stipendien gefordert wurde. Vertreter*innen der Förderstellen kündigten diesbezüglich für die nähere Zukunft eine vereinfachte Online-Antragstellung an. Auch hier könnte der Newsbase eine wichtige Rolle zukommen, sie könnte (und möchte) eine Instanz sein, die ähnlich einer spartenübergreifenden Künstler*innen-Interessensvertretung nicht nur Forderungen stellt, sondern auch ihre Umsetzung beobachtet. Oona Valarie Serbest, Geschäftsführerin von FIFTITU% und Mastermind hinter der Newsbase, fordert unter anderem Transparenz, gemeinschaftliches Arbeiten, Verbessern der Fördersituation und natürlich auch eine generelle Aufstockung der teils viel zu geringen Fördersummen. Was diese Podiumsdiskussion besonders gezeigt hat: Die Künstler*innen wissen selbst am besten, was sie brauchen. Institutionen, die Kulturförderung ernst nehmen, wären also gut beraten, den Austausch mit ihnen zu intensivieren.
Ich beispielsweise denke seit der Linzer Gemeinderatswahl 2021 über einen Punkt aus dem Wahlprogramm der KPÖ nach und baue mir im Kopf eine Künstler*innen-Utopie. Die Partei forderte damals nämlich eine Grundsicherung für im Kulturbereich tätige Personen. Natürlich war die Idee der Pandemie und der damit verbundenen Krise des Kulturbetriebs geschuldet, aber ich möchte sie trotzdem nicht aus den Augen verlieren, sondern weiterspinnen, und zwar als eine Grundsicherung für Künstler*innen. Sie könnte an eine Mitgliedschaft beim Künstlersozialversicherungsfonds gekoppelt sein und für all jene offen, die dessen Bedingungen erfüllen – also aus künstlerischer Tätigkeit ein Jahreseinkommen zwischen 6.000 und 32.000 € erwirtschaften. Dafür gibt es 1500 € im Monat, zusätzlich zu den Gagen und natürlich ohne andernorts, z. B. bei Fair Pay, zu sparen. Dazu gibt es in meiner Utopie eine Langzeitstudie: Wie verändert diese Grundsicherung die mentale, physische und soziale Gesundheit der Künstler*innen und ihrer Familien? Welchen Einfluss hat es auf ihren künstlerischen Output und ihren Erfolg? Und natürlich dürfte diese Künstler*innen-Grundsicherung nur der Anfang sein, denn wenn wir Menschen längerfristig ohne Existenzängste leben sollen, führt kein Weg an einem Grundeinkommen für alle vorbei.
Selbstverständlich gibt es in meiner Utopie weiterhin Literaturpreise und Stipendien. Dafür würde ich mir aber, zusätzlich zu paritätisch und divers besetzten Jurys, weitestgehend anonymisierte Einreichungen wünschen. Schließlich wissen wir längst, dass Manuskripte, die unter männlich gelesenen Namen zu Verlagen geschickt werden, von jenen öfter angenommen werden. Wir wissen auch, dass Menschen mit migrantisch klingenden Vor- und Nachnamen am Arbeitsmarkt massiv diskriminiert werden, was schon damit beginnt, dass man sie seltener zu Vorstellungsgesprächen einlädt. Nun gilt es, dieses Wissen bei den Förderungen anzuwenden, nicht darauf zu vertrauen, dass die dort entscheidenden Personen immer frei von Voreingenommenheit wären. Das schafft meiner Ansicht nach nur eine Anonymisierung und natürlich sollte auch die zuvor genannte Forderung umgesetzt werden, und nicht nur die Inhalte der Fördertöpfe, sondern auch die Verfügbarkeiten, also die Anzahl der zu vergebenden Stipendien deutlich erhöht werden. Als Autorin verschicke ich jährlich ca. 30 Bewerbungen für Calls for Papers, Preise, Stipendien und Literaturzeitschriften. Meine Erfolgsquote lag 2021 und 2022 bei knapp 30 %. Ich bin es also gewöhnt, viel (unbezahlte) Arbeitszeit auf etwas zu verwenden, das sich nicht rentiert. Auch hier bin ich kein Einzelfall, solche Quoten sind absolut normal.
Gäbe es das Künstler*innen-Grundeinkommen, wären solche Absagen weniger schlimm, weniger existenzbedrohend. Ich stehe seit Jahren am Anfang meiner sogenannten Karriere, ich lasse gerade eine Zeit zurück, in der mir Krankheit und schwere persönliche Krisen auch schon vor Corona unbeschwertes Arbeiten nicht erlaubten. Ich und meine Literatur, wir sind (noch) nicht kommerziell etabliert, sondern hangeln uns von Projekt zu Projekt, von Honorarnote zu Honorarnote, und im Hintergrund arbeite ich an Dingen, die hoffentlich einmal groß werden, von denen sich dann halbwegs leben lässt. Im Juni läuft mein Langzeitstipendium aus, und ich weiß jetzt schon, wo ich sparen werden muss: bei der Therapie, den Sportkursen, der sozialen und kulturellen Teilhabe, den Büchern, allem, was mir und meiner Kunst tut gut. Was ich also mir und allen Kolleg*innen wünsche: Mit der Kunst nicht mehr länger geringfügig zu verdienen, obwohl man Vollzeit arbeitet. Mehr Wertschätzung und eine Kunst- und Kulturförderung, die es uns tatsächlich erlaubt, ohne Angst und Sorge unserer Arbeit nachzugehen, und zwar auch dann, wenn wir (noch) nicht berühmt sind.
Newsbase
Newsbase.at ist eine neue Datenbank für Kunst- und Kulturförderungen. Sie bietet Künstler*innen und Kulturproduzierenden einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Fördermöglichkeiten für Kunst- und Kulturprojekte in Österreich und möchte den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und Ressourcen erleichtern.
Das Projekt newsbase.at ist das Ergebnis von drei Jahren intensiver Optimierungs- und Entwicklungsarbeit und zielt darauf ab den Zugang zu Kunst- und Kulturförderung fairer und gerechter zu gestalten.
newsbase.at
Newsbase-Launch-Event im Lentos Kunstmuseum am 16. März 2023
Nachschauen auf dorftv: www.dorftv.at/video/41890