Letztens führte ich ein langes Telefonat. Die Gesprächspartnerin: Eine Mentorin und Freundin. Schonungslos ehrlich wie immer. Und sie sagte zu mir „Keine scheiß Sekunde sollst du drüber nachdenken, kein Kind zu kriegen, weil alles so arg ist für Frauen. Warum sollen nur die Organisierten, die Braven, die, die, immer alles richtig machen, die Nicht-Chaotischen unbesorgt Kinder in die Welt setzen dürfen? Hm?“ Zack. Und plötzlich war ich doch recht still und wusste nicht so recht, was ich antworten sollte darauf. Warum sie mir das gesagt hat, das mit der keinen scheiß Sekunde?
Dazu sei an dieser Stelle etwas auszuholen:
Ich bin auf Twitter. Viel. Zu viel manchmal. An einem Tag im Februar schrieb ich einen Tweet, in dem ich meine Angst äußerte davor, Kinder zu bekommen. Weil ich lange Zeit viel Energie in Beruf und Karriere (oder was ich halt als Karriere für mich sehe) investiert und nun Angst hätte, dass mit Kind all das auf dem Spiel stehen könnte. Weil ich mich als zu chaotisch und unorganisiert für ein Kind fühlte. Weil Frauen halt nun einmal kacke behandelt werden. Insgesamt und in jeder Hinsicht, aber in der Berufswelt halt besonders. So weit das Getwitterte. Sinngemäß.
Wie ich drauf komm? Nun, sehen wir uns um. Bist du kinderlos und über einem bestimmten Alter, laufen eine Menge Gespräche mit allen möglichen Leuten auf biologische-Uhr-macht-Tick-Tack-Debatten oder vollkommen-ist-frau-nur-mit-Kind-du-weißt-ja-nicht-wie-schön-das-ist-Ratschläge hinaus. Und irgendwelche random people fragen dich „Na, wann ist’s bei dir soweit?“ Uijegerl, schon mal was falsch gemacht. Genauso falsch ist es aber halt, Kinder zu kriegen, nicht wahr? Geht Frau Vollzeit arbeiten, ist sie Rabenmutter. Arbeitet sie Teilzeit, kann sie sich aussuchen, ob sie in der Pension lieber heizen oder essen will. Arbeitet sie nicht, ist’s auch verkehrt. Ist sie Mutter, dann möglicherweise zu viel Helikoptermum oder zu viel Chaotin, zu wenig fürsorglich oder alles auf einmal. Und Mutter-Kind-Kombination grundsätzlich störend: Ob in der Bim oder am Arbeitsplatz, ob im Geschäft oder in Lokalen. Ob mit oder ohne Kind, verheiratet oder nicht, alleinerziehend oder anders, erwerbsarbeitend, jung oder alt – kurzum: Frauen sind ein Ärgernis durch und durch. Ständig. Immer. Überall. Besonders wenn sie zusätzlich den Mund aufmachen und Forderungen stellen (möglicher- und dreisterweise dann auch noch fordernd und zornig statt lieb und mit ganz viel Zucker oben drauf). Seit Jahrzehnten tun Frauen genau das: Kämpfen, fordern, hackeln, hackeln, hackeln. Und das zu viel und unter- oder gleich gänzlich unbezahlt. Stichwort Care-Arbeit. Holen sich davon Magengeschwüre und Bandscheibenvorfälle, Depressionen und niedrige Pensionen und werden dafür belächelt, verachtet, geringgeschätzt von einer patriarchalen Gesellschaft voll roher Bürgerlichkeit.
Zahlen, Erfahrungen und Erzählungen zeigen: Frauen, die Kinder kriegen, haben Schwierigkeiten, wieder in den gleichen Job mit gleicher Bezahlung zurückzukehren. Sie laufen Gefahr, ersetzt zu werden oder es werden ihnen bei Beförderungen Männer vorgezogen. Schließlich lässt sich schon irgendein Vorwand dafür finden. „Ja wissen Sie, Frau Kollegin. Wir haben den Eindruck, Sie sind nicht mehr so belastbar wie früher“ oder „Aber Sie wollen doch SICHER mehr Zeit mit Ihrer Familie verbringen. Da ist diese Position nichts für Sie. Wir wollen doch nicht, dass Sie sich überfordern“ oder „In letzter Zeit haben Sie aber schon oft Pflegeurlaub nehmen müssen“. Von den ewig gleichen depperten Fragen bei Bewerbungsgesprächen gar nicht zu reden. Kinder: schlecht. Keine Kinder und im gebärfähigen Alter: schlecht, weil könnte schwanger werden. Keine Kinder und nicht mehr im gebärfähigen Alter: Sowieso nein, weil wir sind ein junges und dynamisches Unternehmen und außerdem … einfach nein.
Und das Ganze unter dem Vorzeichen, dass Frauen ohnehin schon rund ein Viertel weniger verdienen als Männer. Was die Haltung gegenüber Frauen im Berufsleben betrifft, hat sich wenig bis nichts geändert. Das Prinzip „zwei Schritte vor, einen (und phasenweise mehr als einen) Schritt zurück scheinen manche hierzulande tatsächlich schon als großen Wurf zu betrachten, um den Frauen im gleichen Atemzug zu raten, doch endlich einmal Ruhe zu geben. Bisweilen komme ich mir vor wie in einer weichgezeichneten Waschmittelwerbung aus den 60ern.
Und all das ist so ermüdend. So anstrengend. So falsch. So himmelschreiend ungerecht. Und arg. All das macht Angst.
Ich habe das alles noch nicht zu Ende gedacht. Auch nicht, während ich diese Zeilen schreibe. Es wird Tage geben, wo die Angst stärker ist. Und es wird Tage geben, wo ich mir genau das denke: Warum sollen nur die Organisierten, die Braven, die, die, immer alles richtig machen, die Nicht-Chaotischen unbesorgt Kinder in die Welt setzen dürfen?
Ich habe einen Wunsch: Ich möchte, dass wir in Perspektiven denken können, die solidarischer und positiver sind als der Status Quo. In Perspektiven, die klar machen, dass eine Verbesserung der Bedingungen für Frauen eine Verbesserung für alle bedeutet.
Man wird ja wohl noch hoffen dürfen.