Mehr als ein roter Teppich: 63 goldene Sterne erinnern auf der Ernst-Koref-Promenade an bedeutende Frauen, die in Linz ihre Spuren hinterlassen haben. WALK OF FEM heißt das Projekt, das in mehreren Etappen auf 120 Sterne anwachsen soll. Die beiden Künstlerinnen Margit Greinöcker und Betty Wimmer haben die Sterne gestaltet. Mit Silvana Steinbacher haben sie über Entstehung, Hintergründe und Reaktionen gesprochen.
Leider habe ich es nicht miterlebt. Denn an jenen Tagen Mitte Juni, als der WALK OF FEM auf der Ernst-Koref-Promenade zwischen Brucknerhaus und Kunstmuseum Lentos entstand, bin ich dort nicht entlanggegangen.
Ein Team einer Straßenmarkierungsfirma und zwei Künstlerinnen haben auf dieser Promenade gemeinsam an einem Projekt gearbeitet, sich ausgetauscht, einander unterstützt und miteinander Pausen eingelegt.
Dieses Teamwork zwischen den sechs Menschen mit teils völlig konträren Berufen haben die beiden Künstlerinnen Margit Greinöcker und Betty Wimmer als sehr belebend und harmonisch in Erinnerung behalten. Anderes ist ihnen weniger positiv im Gedächtnis geblieben, doch davon später. Worum geht’s?
Die Ernst-Koref-Promenade mit Blick auf die Donau ist eine schöne und vor allem viel frequentierte Stelle in Linz. Und jetzt ist sie noch um einiges interessanter und bereichernder geworden. Denn 63 Sterne zieren die rund 400 Meter zwischen den beiden Kulturgebäuden. Jeder Stern erinnert an und würdigt eine bereits verstorbene Frau mit Linz-Bezug. Die Frauen haben in unterschiedlichen Bereichen Herausragendes geleistet oder sind in ihrer Zeit als Pionierin aufgefallen.
Die Aktion unter dem Titel WALK OF FEM hat, so wie die meisten umfangreichen Projekte, eine lange Vorgeschichte. Bereits vor 13 Jahren wurden im Zuge des Linz Fest 08 temporär 18 Sterne als 18 Unsichtbare Linzerinnen auf der Ernst-Koref-Promenade angebracht. Bildhaft und unübersehbar hat damals schon das Duo Greinöcker/Wimmer auch noch die sogenannte Einkommensschere, die Gläserne Decke, die Karriereleiter oder die Quotenschaukel in Form von Installationen umgesetzt.
2018 wurden die beiden Künstlerinnen seitens des Frauenbüros der Stadt mit der Entwicklung einer dauerhaften Gestaltungsvariante der WALK OF FEM-Sterne beauftragt. Die Persönlichkeiten wurden, so wie dies auch bei der Vergabe von Straßennamen der Fall ist, vom Archiv der Stadt Linz ausgewählt und überprüft. Seit dem Frühjahr dieses Jahres werden Namensvorschläge seitens des Frauenbüros der Stadt Linz entgegengenommen, um sie nach der „Absegnung“ durch das Archiv in zeitlichen Abständen dem WALK OF FEM hinzuzufügen.
Im Gespräch mit Margit Greinöcker und Betty Wimmer spüre ich bald, dass diese langfristige Aktion im öffentlichen Raum den beiden wesentlich mehr bedeutet als irgendein Auftrag, denn die Aktion entspricht ganz ihrer Intention, wenn man das Konzept der WALK OF FEM-Sterne und den Werdegang der Künstlerinnen betrachtet.
Die ausgebildete Bildhauerin Betty Wimmer ist Performerin und entwickelt raumgreifende Installationen. Vor einigen Jahren, als Teil der internationalen Performancegruppe Disparat, organisierte sie ein Arbeitstreffen im Kunstraum Goethestraße mit abschließender Präsentation. Ihre Arbeiten sind, so wie auch die von Margit Greinöcker geografisch breit gestreut. Betty Wimmer war mit ihren Projekten in Deutschland, Frankreich oder auch Italien vertreten. Seit vielen Jahren arbeitet sie immer wieder mit Margit Greinöcker zusammen, und dieses Teamwork scheint gut zu funktionieren.
Margit Greinöcker spannt in ihren Arbeiten einen Bogen von temporären Bauten oder ortspezifischen Handlungen bis zu experimentellen und dokumentarischen Videoproduktionen, sei es aktuell im Linzer Dom oder vor Jahren auf Istanbuls Straßen. Dort ging sie in Dirndl und Kopftuch durch einen konservativ-religiösen Stadtteil in Istanbul und dokumentierte die Reaktionen der Einwohnerinnen und Einwohner. 2013 erhielt sie den Gabriele-Heidecker-Frauenkunstpreis, in diesem Jahr das Margarete-Schütte-Lihotzky-Projektstipendium.
„Wenn man einen Fokus darauf richtet, was Frauen leisten, dann kann man nicht mehr aufhören sich mit deren Biografien zu beschäftigen“, resümiert Margit Greinöcker jetzt in einer Zwischenetappe dieses Work in Progress. Und es ist tatsächlich erstaunlich, wie viele bedeutende Frauen in Linz gelebt haben oder einen Bezug zu dieser Stadt aufweisen.
Wobei die Spannweite bei WALK OF FEM über mehrere Jahrhunderte reicht: Von der 1711 geborenen Ordensschwester und Gründerin der Elisabethinen Ernestine von Sternegg bis zu Maria Schwarz-Schlöglmann: Die einst engagierte Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums ist vor drei Jahren verstorben. Mit den bisher 63 Sternen wird unter anderem an Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Opfer des Nationalsozialismus, Geschäftsfrauen und auch an eine Betriebsrätin aus dem Arbeiterstand erinnert: Leopoldine Feichtinger war 1966 die erste Betriebsrätin der Linzer Tabakfabrik.
Als ich die Liste der 63 Frauen durchlese, fällt mir Käthe Diernesberger auf. Unter der Rubrik Tätigkeit steht schlicht Dienstmädchen. Sie ist 1879 in Waizenkirchen geboren und kam nach einem entbehrungsreichen Leben, geprägt von Ausbeutung, Misshandlung und einigen privaten Schicksalsschlägen, nach Linz, wo sie im Hotel Budweis in Urfahr arbeitete. Dass wir heute noch etwas über ihr Leben wissen, verdanken wir ihren eigenen Aufzeichnungen. Käthe Diernesbergers Biografie steht trotz ihrer Individualität stellvertretend für das Leben vieler Frauen aus der unteren Gesellschaftsschicht dieser Epoche. Der Stern für diese Frau lässt die Sorgfältigkeit bezüglich der Auswahl der Frauen erkennen. Dennoch, fast 20 Politikerinnen sind als Anteil vielleicht etwas übertrieben, denke ich, als ich die Liste durchgehe.
Stichwort Politik: Beim entsprechenden Gemeinderatsbeschluss wurde dieses Projekt seitens der FPÖ zwar nicht abgelehnt, doch deren Politikerinnen und Politiker enthielten sich ihrer Stimme. Die Entwicklung lässt sich aber nicht aufhalten und bedeutende Frauen werden künftig aus ihrem historischen Versteck geholt und im Stadtbild präsentiert. Auch das Female-Upgrade-Projekt von Elisa Andessner geht in diese Richtung. Ende Mai wurde innerhalb eines Straßenfests die Umbenennung der Glaubackerstraße in Agathe-Doposcheg-Schwabenau-Straße gefordert: Glaubacker hat Hitler am Balkon gemalt und sich dem Nationalsozialismus angedient, Doposcheg-Schwabenau war eine engagierte Malerin, die Bedeutendes für die Linzer Kunstszene geleistet hat. Bewilligen muss diese Umbenennung allerdings erst eine HistorikerInnenkommission. Von den rund 560 Straßennamen in Linz, die nach Persönlichkeiten benannt sind, entfällt übrigens nicht einmal ein Zehntel auf Frauen. Finden könnte man noch viele weitere herausragende Frauen. Rund 120 „Sterne-Frauen“ sollen es werden.
Zu Beginn des Textes war die Rede davon, dass dem Künstlerinnenteam Greinöcker/Wimmer nicht alles in gleicher Weise gefiel, als die Sterne angebracht wurden, um es freundlich zu formulieren. „Wir wollen nicht nur ein Werk schaffen, es geht uns auch um Austausch, um Vermittlung und Kommunikation mit den Betrachterinnen und Betrachtern“, sagt Betty Wimmer. Trotz des harmonischen Teamworks mit den Lackierern gestalteten sich die Arbeiten auf der Ernst-Koref-Promenade unterschiedlich. Von den Passantinnen und Passanten hörten Margit Greinöcker und Betty Wimmer sowohl zustimmende Reaktionen von Frauen wie Männern als auch das Gegenteil. Von einigen kam das Argument, sie würden die entsprechenden Frauen gar nicht kennen, was an sich als Beleg für die Notwendigkeit dieser Aktion zu sehen ist, gilt es doch Frauen aus dem Schatten auf die Bühne zu stellen, um dieses Bild zu verwenden, und Frauen, die in ihrer Zeit oft gegen viele Widerstände ihre Anliegen verwirklicht haben, zu würdigen. Doch zurück zur Gegenwart und zur Ernst-Koref-Promenade: Einige Passantinnen und Passanten gingen während des Arbeitsprozesses und trotz der gut sichtbaren Absperrungen über den gerade entstehenden WALK OF FEM. Und schließlich, und auch das sei nicht verschwiegen, sind auch schon Spuren des Vandalismus zu bemerken. Namen wurden über einzelne Sterne geschmiert oder ein einzelner Name durchgestrichen. Auch das zählt zu den Realien, doch ich gehe fest davon aus, dass die Frauennamen innerhalb der Sterne betrachtet, einige erst kennengelernt und im Gedächtnis bleiben und somit nur physisch mit Füßen getreten werden.