Die Referentin #20 - Beiträge der Ausgabe

Sei Pippi, nicht Annika!

Andrea Winter | Kolumnen, 4. Juni 2020
Die Referentin #20

Ich hatte die Freude mit starken, meist unangepassten Frauenbildern aufzuwachsen.

Gabi Husar begeisterte als grandiose Pilotin die österreichischen Ralley-Szene. Entfesselt. Hemmungslos. Rücksichtslos. Ausschließlich mit weiblichen Co-Pilotinnen. 240 PS. 240 km/h Spitze. Porsche 911 SC. In diesem Auto gewann sie mit ihrer Beifahrerin Elisabeth Fekonja einen Lauf zur österreichischen Meisterschaft 1986. Sie war eine fixe Größe in einem von Männern völlig dominierten Sport.

Eine international fixe Größe und ein leuchtender Stern am Himmel war Lynn Hill. Die US-Amerikanerin hat lange Zeit der Kletterszene den Weg gewiesen und neue Maßstäbe gesetzt. Beim Klettern und im Denken. Das zeigte sie eindrucksvoll 1994 mit der freien Begehung der „Nose“ am El Capitan im kalifornischen Yosemite an einem Tag. Heinz Zak, ein österreichischer Kletterer & Fotograf, der damals dabei war: „Wir Männer haben blöd dreingeschaut, mit welchen Ideen Lynn dahergekommen ist. Die ‚Nose‘ frei an einem Tag, das war ein unglaublicher Denkschritt. Eine Jahrtausendleistung im Klettern.“

In früheren Jahren wurden ihre Leistungen und ihr Talent nicht immer gerne gesehen, gerade von ihren männlichen Kletterpartnern. Das sollte sich aber schnell ändern. John Long, ein US-Topkletter jener Zeit: „Doch Lynn durchbrach die Grenzen ihres Geschlechts derart gründlich, daß der knochenharte Chauvinismus, dem viele von uns unbewußt anhingen, rasch wie Butter in der Sonne schmolz. Die Jungs forderten sie nicht mehr zu gemeinsamen Klettertouren auf, weil sie so ein erfreulicher Anblick war, sondern weil man jede verdammt Route schaffte, wenn man mit Lynn zusammen kletterte.“

Sexistische Äußerungen im Kletterumfeld enttäuschten sie umso mehr, weil für sie Klettern der erste gleichberechtigte Sport war, den sie ausübte. Trotz Männerdominanz und Sexismus ging sie ihren Weg. Mit Vorstellungskraft, Willen und Anstrengung sei jede Route auch für eine Frau zu klettern. Lynn Hill kletterte bis zum fünften Schwangerschaftsmonat. Nach der Geburt ihres Sohnes fand sie an der überhängenden Westwand des Leaning Tower im Yosemite Valley in der Route „The Westie Face“ (X-) in Schwierigkeitsgrade zurück, die selbst ambitionierte Kletterer niemals erreichen.

Doch nicht jede Frau mit grandiosen Leistungen schreibt so eine Geschichte und darüber ein Buch. Die englischsprachige Plattform Timeline.com ruft aktiv dazu auf, sich zu beteiligen und weibliche Persönlichkeiten der Geschichte zu porträtieren und deren Geschichten zu erzählen. Neben „Women in History“ gibt es ebenso informative „Black History“. Eine sportliche Webseite mit demselben Auftrag für Surfen ist „History of Women Surfing“.

Eine grandiose Leistung erbrachte die 36-jährige Britin Jasmin Paris beim 431 km Langstreckenlauf des Spine Race 2019 in Wales. Sie gewann 15 Stunden vor dem schnellsten Mann und brach den Streckenrekord um 12h. Zwischendurch pumpte sie Milch für ihre Tochter ab. In jüngster Vergangenheit gewinnen immer mehr Frauen Ultra-Ausdauer-Wettkämpfe. Die deutsche Radrennfahrerin Fiona Kolbinger triumphierte 2019 im Transcontinental Race durch Europa, das bedeutet knapp 4.000 km in zehn Tagen.
Sarah Thomas (USA) schwamm ohne Pause als erster Mensch viermal hintereinander den Ärmelkanal und legte 216 km in 54 Stunden zurück. Je länger und härter ein Rennen ist, desto eher scheinen Frauen ihre männlichen Gegner zu schlagen, sagt die Wissenschaft.
Diese sagt übrigens auch, dass Frauen mit „ihren“ Hefepilzen das Bier geprägt haben. Im Mittelalter war Bierbrauen Frauensache. Forscher sind sicher, wenn Männer das Brauen übernommen hätten, wäre es anders geworden. Also beim nächsten Bier dankbar an die vielen Frauen denken, die zum guten Geschmack beigetragen haben. Und die Geschichten starker, außergewöhnlicher aber auch gewöhnlicher Frauen weitererzählen! Prost!

 

Tipps:

Buch-Tipp: Lynn Hill – Climbing Free. Ohne Seil in den steilsten Wänden der Welt (2011 Piper Verlag)

Women in History
timeline.com/women-history/home

History of Women Surfing
www.historyofwomensurfing.com/#

„Good Night Stories for Rebel Girls 1–3“ über außergewöhnliche Frauen erhältlich auch als Hörbuch auf Deutsch.  
www.der-audio-verlag.de/autoren/favilli-elena

Andrea Winter
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