Die Referentin #35 - Beiträge der Ausgabe

„Buntwashing“, der neue Trend

Mar Pilz | Kolumnen, 1. März 2024
Die Referentin #35

Den Begriff gibt es nicht, zumindest nicht, dass ich wüsste. Aber mir ist der Gedanke gekommen: Wenn es Green-Washing gibt, warum kann es dann nicht auch Buntwashing geben? (Colorwashing war schon taken.)
Ich traf mich mit einer Freundin auf einen Kaffee, um über den „Kosmos und darüber hinaus“ zu plaudern – so nenne ich die tiefgründigen Gespräche, die mit meinen Freundinnen endlos dauern können. Sowohl sie als auch ich sind „bunte Frauen“, internationale Frauen oder wie man in Österreich gerne sagt, Frauen mit Migrationshintergrund.
Unter den vielen Themen des Kosmos, die wir an diesem Tag geteilt haben, stießen wir auf ein gemeinsames Thema. Das Thema Inklusion. Und wenn ich von Inklusion spreche, meine ich nicht nur die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern die Inklusion von den Menschen, die in vielen Zusammenhängen jenseits der dominanten Vorstellungen einer Mainstream-Gesellschaft leben. Im direkten Wortsinn des „Einschließens“ und „Berücksichtigens“ gemeint.
Wir sprachen in diesem Zusammenhang auch über Unternehmen. Sie meinte – natürlich ist es wichtig, dass es in Unternehmen Inklusion gibt. Aber heutzutage reden wir immer noch darüber, wie wir inklusiv sein können. Mittlerweile sollte das aber klar sein.
Inklusion am Arbeitsplatz und in vielen anderen Bereichen ist immer noch eine Illusion. Ich sage das, weil ich es erlebt habe, weil meine Schwestern es erlebt haben, weil meine Freund:innen es erlebt haben, weil mein Partner es erlebt hat, weil die Menschen, die nicht „inkludiert“ sind, es erlebt haben. Inklusion ist jedoch der neue „Trend“ für Unternehmen.
Ich stimme meiner Freundin zu, dass Arbeitsplätze als „inklusiv“ gelten, wenn in einem 10-köpfigen Team eine schwarze Person, ein Expat, vielleicht eine Person mit „Migrationsgeschichte“ zu finden sind. Und ach ja, um es nicht zu vergessen, eine oder eine der restlichen sieben Weißen könnte zur LGBTIQ+-Community gehören. Aber damit ist nur ein weiteres Häkchen auf dem Inklusionsformular gemacht. Das ist oft die Vorstellung von Inklusion in Unternehmen – lediglich eine erfüllte Quote. Eine Quote, die nur als Vorwand für anti-inklusive Praktiken dient, die an vielen Orten trotzdem nach wie vor existieren. Dazu gehören unzureichend barrierefreie Büros oder Arbeitsgruppen, die wenig sensibel für interkulturelle Unterschiede sind und voller Stereotypen stecken, wie zum Beispiel das Vorurteil, dass der oder die im Ausland ausgebildete Kolleg:in, oft „nicht qualifiziert genug ist“ oder „weniger weiß“ als der Rest der Kolleg:innen. Dazu kommen oft Führungskräfte (meist Männer), die rassistische, sexistische und diskriminierende Vorstellungen hegen – die Liste könnte endlos weitergeführt werden.
Ich lade dich ein, einen Moment zu überlegen und dich zu fragen, welche Inklusionsstrategien es an deinem Arbeitsplatz gibt. Weißt du, was Inklusion wirklich ist? Hast du jemals das Gefühl gehabt, dass du nicht berücksichtigt wirst? Hast du jemals das Gefühl gehabt, dass jemand anderes nicht berücksichtigt wird? Hast du eine körperliche, neurologische, psychosoziale Einschränkung? Und falls ja, wie wirkt sich das auf deinen Arbeitsplatz aus? Hast du dich noch nie ausgeschlossen gefühlt? Wenn dies alles nicht auf dich zutrifft und du keine weitere Diskussion darüber führen möchtest, herzlichen Glückwunsch! Du gehörst zu den vielen Menschen, die in einer Blase leben, geschützt durch die Privilegien dieser Gesellschaft, die von Menschen wie dir für Menschen wie dich geschaffen wurde.
Inklusion entsteht nicht allein durch die Einrichtung geschlechtsneutraler Toiletten oder durch inklusive Sprache oder Schreibweise. Auch die Durchführung von Workshops zum Thema „Wertschätzung von Interkulturalität und Inklusion“ ist ein Anfang, aber nicht ausreichend. In einer sich schnell verändernden Welt, die von Globalisierung und Technologie geprägt ist, müssen auch wir uns ändern und lernen, die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Besonders in Österreich, wo eine lange Geschichte der Ausgrenzung gegenüber verschiedenen Gruppen existiert. Angesichts der Tatsache, dass wir täglich über unsere Handys Zugang zu unzähligen Informationen haben, sollten wir nicht weiterhin an der falschen Illusion der Inklusion festhalten. Sondern: Wir müssen uns bewusst darüber informieren, wie wir aus unserer eigenen Mitte heraus inklusiv sein können. Bewusste Ignoranz trägt dazu bei, dass uns weiterhin eine falsche Illusion von Inklusion verkauft wird, egal wohin wir gehen.
Inklusion kann auch in Unternehmen nur dann erreicht werden, wenn diejenigen, die ausgeschlossen sind, einbezogen werden. Wenn wir zum Beispiel nicht mit Menschen mit Beeinträchtigungen sprechen, wie können wir dann ihre Bedürfnisse verstehen und sie angemessen einbeziehen? Wenn wir nicht mit Mitgliedern der LGBTIQ+-Community sprechen, wie können wir dann nachvollziehen, warum sie sich wegen der Art und Weise, wie ein Team sich ausdrückt oder kommuniziert, nicht einbezogen fühlen? In jedem Fall sind Inklusionsprojekte, die ohne die Berücksichtigung und Einbindung der betroffenen Menschen entwickelt werden, lediglich zum „Buntwashing“ verurteilt.

Mar Pilz
eine politische inkorrekte Frau.
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März/April/Mai 2024
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