Ja, auch der Dude ist postpandemisch und gesellt sich mit Fullspeed ins gesellschaftliche Leben. Genug der Brotbackversuche, weg mit den verschimmelten Fermenten und lautes Pfui den Zustellfressalien.
Jetzt lässt der Dude wieder einen Profi ran – und was für einen! Georg Friedl, der ruhige, überlegte und in sich ruhende Denker der heimischen Kochszene. Er braucht keine brachiale Bühnenshow, hat keinen „Mann-bin-ich-toll“-Habitus und schon gar kein Möchtegern-Chi-Chi a la Linzer Innenstadt. Er ist auch nicht der Investmentpunk der Gastroszene oder macht auch nicht auf 50er-Jahre-Kochschnittchen. Er ist vielmehr ein Meister Pei Mei, der im Haselgraben mit einem Hattori-Hanzo-Messer Produkte verwöhnt und das Beste aus ihnen rausholt. Georg Friedl ist somit im besten Sinne ein Meister seines Fachs und ein Vorreiter einer gesamtheitlichen Lebensmittelphilosophie. Er macht am liebsten alles selbst, weiß woher es kommt, hat alles gern unter Kontrolle – vom Einkauf bis zur Raumgestaltung – und nimmt sich Zeit fürs Experiment. Wenn Jamie Oliver einen Holzhacker der Küche darstellt, ist Georg Friedl ein kulinarischer Uhrmacher. Genaue Materialkenntnis, ein präziser technischer Zugang und ein großes Talent zur Abstraktion machen ihn aus. Nach Pop-Up-Wirtshäusern im Rahmen seines Formats „Mühlvierteln“, einem Gastspiel im Linzer Kulturhaus Salzamt – in dem der viele Gäste sehr glücklich gemacht hat – und einer weiteren Odyssee ist er nun im wunderbaren Weinberg im Haselgraben angelandet. „Mühlvierteln“ im Weingarten nennt er diesen neuen Standort. Das Paradox Mühlviertel und Wein wird hier auf wunderbare Weise aufgelöst – die Praeses der Römer wären hin und weg gewesen – so wie auch der Dude es ist. Im Weingarten serviert er – innerhalb von etwas kryptischen Öffnungszeiten – bewährte Rezepte und neue Kreationen mit örtlichem Bezug. So werden die wunderbaren Salate (Gast muss rufen: „Mein Gott Georg!“) nun mit einem Brot, das mit Trester aus der lokalen Weinproduktion verfeinert wird, serviert. Eine nicht nur optisch formidable Mischung, findet der Dude. Der Chef findet nun auch Platz und Zeit, um beste Würste, Pastrami, Salami und eingelegtes und fermentiertes Gemüse selbst zu produzieren. Er ist damit noch einen Schritt näher an der lukullischen Vollproduktion und lokalen Selbstversorgung. Auch der autochthone, noch etwas „hantige“ Wein wird durch alchemistisches Geschick zu etwas Feinem umgebaut. From Nose to Tail und vom Garten bis in den Keller. Wenn der Dude ein „Prepper“ wäre, müsste Georg Friedl den Vorratskeller füllen.
Bevor es aber wieder soweit ist: Rauf in den Weingarten, ihr Linzerinnen und Linzer! Es ist schön, schmeckt toll und erweitert den persönlichen, kulinarischen Horizont ungemein.
Info zu Speisen, Öffnungszeiten und Hintergrund: www.muehlvierteln.at
Noch ein Lesetipp:
Mühlviertler KOCH:BUCH – Altes bewahren, Neues erfahren
Von Georg Friedl, erschienen im Verlag Bibliothek der Provinz
ISBN: 978-3-85252-396-5
www.bibliothekderprovinz.at/buch/5778