Im Mai findet die mediana18 in Linz statt. Zu Medien, Kultur und Demokratie, sowie zum konkreten Konferenzthema „public open spaces“ hat Christian Diabl mit Alexander Barasits ein Interview geführt.
Am 19. Mai findet die mediana18 an der Linzer Kunstuni unter dem Titel „public open spaces“ statt. Was ist darunter zu verstehen?
Mit Public-Service-Medien sind Medien gemeint, die einen Auftrag im öffentlichen Interesse erfüllen, nämlich u. a. Information für den demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu vermitteln. Der Titel ist einem Thesenpapier1 entlehnt, das im Herbst 2017 in Deutschland als Offener Brief an die Politik verschickt und von Leuten wie Volker Grassmuck, Julia Reda oder Leonhard Dobusch unterstützt wurde. Die Initiative ist u. a. aufgrund von Angriffen gegen öffentlich-rechtliche Sender entstanden und tritt für eine Weiterentwicklung von Public Service Medien ein. Eine der Thesen ist, alle öffentlich-rechtlichen Anbieter zu einer starken gemeinsamen Plattform, „Public Open Space“, zusammenzuschließen. Dabei geht es nicht nur um ARD oder ZDF, sondern auch z. B. Wikipedia, Museen etc. Die Initiative ist durchaus auch als Alternative zu den marktbeherrschenden Intermediären wie Google, Facebook & Co gedacht, die aus einer reinen Verwertungslogik operieren. Wir greifen die Initiative auf, weil auch wir Reformbedarf beim ORF, aber auch der Frage des „Public Value“ in der österreichischen Medienlandschaft sehen und der ORF im Moment sehr stark in Frage gestellt wird.
Die mediana ist Teil eines größeren Symposiums, am Vortag findet der Open Commons Kongress im Wissensturm statt, der sich mit historischen und zeitgenössischen Wissensarchiven beschäftigt. Wo schließt die eine Konferenz inhaltlich an die andere an?
Der Open Commons Kongress beschäftigt sich unter dem Titel „Unwissenheit frisst Demokratie“ mit der historischen wie auch zukünftigen Entwicklung von Archiven, mit Gedächtniskultur, falschen Fakten und wie Wikipedia es schafft, trotz weitgehend ehrenamtlicher Produktion von Inhalten und nicht-kommerzieller Orientierung einen so hohen „Wahrheitsgehalt“ zu liefern. Die gemeinsame Klammer beider Konferenzteile ist die Diskursfähigkeit in unserer demokratisch organisierten Gesellschaft und wie diese angesichts des Strukturwandels der Öffentlichkeit erhalten und ausgebaut werden kann. Als Überleitung wird eine Podiumsdiskussion stattfinden mit VertreterInnen von Mediatheken des ORF, des Bayrischen Rundfunks (angefragt), des online-Audioarchivs der österreichischen Freien Radios sowie Wikipedia; dabei sein wird auch eine Medienkolumnistin des Falters. Ziel ist es den Aspekt von Public-Service-Archiven von Seite der Betreibenden, aber auch durchaus mit Blickrichtung auf die am Samstag folgende Plattformdiskussion zu erörtern.
In einer Demokratie haben Medien nicht nur die Aufgabe zu informieren, sondern auch Diskursräume zu schaffen, wo öffentliche Anliegen diskutiert und Meinungen gebildet werden. Wo siehst du dazu die unterschiedlichen Rollen öffentlich-rechtlicher, privat-kommerzieller und privat-nichtkommerzieller Medien?
Traditionell ist der Auftrag öffentlich-rechtlich organisierter Medien an ein strengeres Objektivitätsgebot gebunden mit einem Informations- und Unterhaltungsauftrag einschließlich „Special-Interest“-Bereichen wie Wissenschaft, Kultur etc. Privat-kommerzielle, wie z. B. ATV oder Puls4 haben zwar mehr Freiraum in der Information, unterliegen aber auch einem Objektivitätsgebot. Im privat-nichtkommerziellen Bereich haben zum Beispiel die Freien Radios den Auftrag, mit dem offenen Zugang eine Partizipationsfunktion zu erfüllen und medial unterrepräsentierten Gruppen eine Teilhabe am System zu bieten. Mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit infolge der Digitalisierung verschwimmen die Rollen aber zusehends. So bieten Freie Medien besonders in Oö nicht nur eine Plattform für Dritte, sondern beispielsweise mit dem Politikprogamm auf dorftv und dem Infomagazin FROzine auf Radio FRO zivilgesellschaftlich organisierte journalistische Eigenformate. Gerade im letzten Nationalratswahlkampf ist es auch privat-kommerziellen Anbietern gelungen, journalistisch anspruchsvolle, dynamische und kritische Diskussionsformate umzusetzen. Hervorzuheben ist sicherlich Corinna Milborn auf Puls4 – die übrigens auch bei der #mediana18 eine Keynote halten wird.
Die Digitalisierung hat die Medienlandschaft dramatisch und nachhaltig verändert. Wie wirkt sich das auf den Public-Service-Auftrag von Medien aus?
Leider wirkt sich das zunächst noch gar nicht aus, weil die Politik auf den Strukturwandel der Öffentlichkeit regulatorisch bisher nicht reagiert hat. Die Digitalisierung an sich ist ja nichts Neues, das findet in Österreich ja schon seit den späten 90ern statt. Relativ neu ist die Rolle und die Relevanz von Sozialen Medien wie Facebook und Co (sog Intermediären). In Deutschland informierten sich 2017 bereits mehr als 57% regelmäßig über solche Plattformen. Von ähnlichen Werten ist wohl in Österreich auszugehen. Meinungsbildungsprozesse sind ohne diese Intermediären also nicht mehr denkbar, sie haben in der Verbreitung die Leitfunktion übernommen, auch wenn dort natürlich viele Medieninhalte klassischer journalistischer Produkte verbreitet werden. Aber eben in einem anderen Kontext und anders aufbereitet. Wesentlich ist, dass die Präsentation nicht mehr redaktionell, sondern algorithmisch erfolgt. Umgekehrt nimmt die Mediennutzung im Sinne einer linearen Konsumation ab, ich schaue mir nicht mehr Abends die ZIB von vorne bis hinten an, sondern bekomme nur mehr einzelne Beiträge „zufällig“ in meine Timeline gespült.
Was könnte man dieser Dominanz entgegenhalten?
Eine Antwort könnte sein, eben solche Public Open Spaces zu schaffen, die zwar vielleicht auch Algorithmen verwenden, aber nach transparenten Kriterien, wo nicht jede menschliche Niedertracht durch besonders viel Response und damit Relevanz und Öffentlichkeit belohnt wird. Social Media könnten ja effektvolle partizipative Werkzeuge sein, die in einem vorher nicht dagewesenen Ausmaß ermöglichen, dass einzelne mit ihrer Meinung viele erreichen können. Leider müssen wir feststellen, dass dieses System v. a. jene fördert, die bereits über hohe Aufmerksamkeit verfügen und nicht die medialen „Underdogs“. Hier müssten Public Open Spaces ansetzen. Durch ein Zusammenfließen unterschiedlicher Zielgruppen in einer gemeinsamen Plattform könnte die gesellschaftliche Diskursfunktion stärker über die eigene Filterblase hinaus stattfinden. Die Freien Medien könnten hier ihr Spezial-Know-how und ihre Zugänge zu medial unterrepräsentierten Gruppen einbringen – auch wenn hier neue technische wie auch Format-Lösungen Platz greifen müssten.
Es gibt einen Vorschlag von Medienminister Blümel, eine gemeinsame österreichische Plattform von öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Medien zu schaffen. Was ist die Idee dahinter und was hältst du davon?
Der Vorschlag ist kein neuer und wird auch in Deutschland oder in Schweden diskutiert und ist etwa von der BBC mit einigen Beispielen unter Einbeziehung z. B. von Museen teilweise umgesetzt, auch gibt es dort bereits Kollaborationen mit kommerziellen Anbietern. Der Vorschlag ist sicherlich innovativ, aber man wird sich ein paar Aspekte genauer ansehen müssen. Von Seiten des Wettbewerbsrechts tun sich schon Probleme auf, wenn die marktbeherrschenden Medien sich zusammentun um gemeinsame Sache zu machen, es wäre hier auch insofern eine typisch österreichische Lösung, dass bei jedem neuen elektronischen Medium die bestehenden Platzhirschen bedient und die in Österreich in Hinblick auf Meinungsvielfalt sicherlich nicht ideale Medienlandschaft weiter einzementiert wird. Hier braucht es sicherlich Qualitätskriterien wie Unterwerfung unter einen Medienrat, Redaktionsstatut für die redaktionelle Freiheit oder Zahlung nach Kollektivvertrag. Grundsätzlich ist es aber m. E. richtig und wichtig, die Weiterentwicklung des ORF von einer Sendeanstalt zu einer öffentlich-rechtlichen Plattform zu diskutieren und zu vollziehen.
Die Freien Radios haben sich durchaus auch als Alternative zum damals noch dominanten ORF gesehen und auch wesentlich zum Fall des Rundfunkmonopols beigetragen. Ist es nicht eine Ironie der Geschichte, dass sie jetzt zur Verteidigung desselben ausrücken?
Das Rundfunkmonopol, das in Österreich fast 20 Jahre länger gedauert hat als in Deutschland oder Frankreich, war ja wirklich unerträglich, damals kam man am ORF nicht vorbei und hier gab es kaum innenplurale Elemente, abgesehen von der Statthalterfunktion der Landesstudios. Als Alternative haben wir uns dabei nicht gesehen, sondern als Ergänzung, aber die Arroganz von ORF-Vertretern, die keine Public-Value-Funktionen neben der selbst wahrgenommenen existent sahen, führten im Freien Mediensektor zum Teil zu einer kritischen Distanz. Letztlich war aber schon damals klar, dass beide Sektoren wohl eher Bündnispartner denn Konkurrenten sind. Dass die ehemals überragende Rolle des ORF jetzt so massiv gefährdet erscheint, hat schon eine gewisse Tragik.
Alexander Baratsits ist Mitgründer von Radio FRO und Initiator der #mediana18.
1 zukunft-öffentlich-rechtliche.de
mediana18
Gegenstand der Konferenz ist der Publi-Service-Auftrag von Medien im Kontext des Strukturwandels der Öffentlichkeit. Konkret geht es um den Beitrag öffentlich-rechtlicher/kommerzieller/nicht-kommerzieller Medien zur politischen Willensbildung. Impulsvorträge und Workshops behandeln Fragen von Qualität und Inhalten, netzpolitischen Entwicklungen, Zugänglichkeit und Diversität sowie den Vorschlag einer gemeinsamen Plattform ORF & private Medien. Abschließend diskutieren Vertreter_innen aus Politik und Zivilgesellschaft, wie diese Anforderungen künftig medien- und netzpolitisch erfüllt werden können.
www.mediana.at