Als Teil von „Landschaft oder vom Genuss der Weltoberfläche“ ist ab 24. Juni das Projekt „One Day Home“ in der Landesgalerie Linz zu sehen. Anlässlich dessen trafen sich Manfred Grübl und Clemens Bauder Mitte Mai zu einem Gespräch am Attersee. Im Interview trifft gewissermaßen die schwimmende Insel „One Day Home“ auf einen schwimmenden Berg, der dereinst beim Festival der Regionen zu sehen war.
Im Mittelpunkt der zweiteiligen Aktion „One Day Home“ (2012) von Manfred Grübl und Werner Schrödl stand ein in Wien zusammengezimmertes Haus aus Abbruchholz, das am darauffolgenden Tag in den Attersee gesetzt und auf unterschiedliche Art und Weise bewohnt wurde. Mit einem selbst gebauten Gefährt in der Gestalt eines Berges begaben sich Clemens Bauder, Felix Ganzer und Ella Raidel während des Festivals der Regionen 2015 fast zwei Wochen lang auf eine Expedition am Traunsee. Konträr in der Konzeption endeten beide Aktionen mit einer ähnlichen Bildsequenz: dem Verschwinden des schwimmenden Objektes am Horizont, hinein in die dunkle Nacht.
Starker, dichter Regen bei der heutigen Anreise hat Gedanken an den Aufbau des Berges wach werden lassen. Bei schwierigen Wetterbedingungen wuchs „Der Berg“ wochenlang Dreieck um Dreieck am Wasser in die Höhe. Euer Haus entstand gewissermaßen über Nacht …
Das Projekt „One Day Home“ ist grundsätzlich an das Gecekondu-Gesetz, einem alten osmanisch-islamischen Gewohnheitsrecht, angelehnt. In den informellen Siedlungen in Großstädten wie Istanbul darf ein Haus, das „über Nacht“ auf öffentlichem Grund und Boden errichtet worden ist, nicht mehr abgerissen werden. Diese informellen Bauten dürfen von staatlicher Seite auch nicht abgerissen werden. Werner Schrödl und ich bauten dann tatsächlich 24 Stunden lang durchgehend an unserem Haus. Um 7.00 Uhr Früh kam der LKW und kippte einen Berg aus Abbruchholz auf den Parkplatz. Trotz der geringen Dimension der Wohneinheit und der guten Vorbereitung – ein halbes Jahr, um alles auf den Punkt zu bringen – mussten wir uns ziemlich beeilen um den Hausbau an einem Tag zu schaffen.
Häuslbauen stellt viele Beziehungen auf eine Belastungsprobe. Wie ist es zu der künstlerischen Partnerschaft mit Werner Schrödl gekommen?
Wir beide kennen uns schon lange, waren in derselben Galerie und hatten uns in der Vergangenheit bei Projekten geholfen. Den Gedanken, eine Art von Hausboot zu machen, gab es schon länger. Und wie es beim Hausbauen halt so ist, gibt es einige Konflikte, Höhen und Tiefen. Manche trennen sich nach der Fertigstellung, wir trinken noch immer ein Bier miteinander. Eigentlich mache ich viele Projekte, die ein konzentriertes Arbeiten verlangen, alleine, andere wie „One Day Home“ brauchen aber die Dynamik einer Zusammenarbeit. Ein Haus lässt sich schließlich nur sehr schwer alleine aufstellen.
Für den Bau wurde eine Parkfläche temporär eingenommen. Was waren eure Beweggründe genau an diesem Ort zu bauen? Und warum eigentlich in Wien und nicht gleich am Attersee?
Werner Schrödl und ich wohnen beide in Wien. Wir wollten bei der Bauaktion möglichst viele Leute involvieren und waren gewissermaßen auch auf die Unterstützung unseres Freundeskreises angewiesen. Am Attersee wäre das viel schwieriger gewesen, wir kennen dort niemanden wirklich gut. Mit der Parktasche an der stark frequentierten Alliiertenstraße fanden wir für die Bauaktion einen idealen Ort, der auch groß genug war. Die Urbanität des Platzes – Straßenbahnen, Züge und Autos fahren vorbei – und die vorhandene Infrastruktur – ein Würstelstand, ein Cafe, eine Disco – waren uns sehr wichtig. Und auch das gründerzeitliche Umfeld und die Sichtachse zum Millenium Tower, einer absurden Maschine, die von unten bis oben funktionieren muss.
Mit welchen Reaktionen wart ihr während des Häuslbauens konfrontiert?
Durch die Ankündigung der Aktion in einer Tageszeitung kamen viele Schaulustige. Die Kommunikation war total interessant, hat aber auch viel Zeit im straffen Ablauf geschluckt. Andererseits haben uns auch viele Leute beim Zuschnitt und beim Zimmern geholfen. Im Endeffekt haben sich die Gespräche mit der Unterstützung vieler PassantInnen aufgewogen und waren eigentlich auch der Grund, warum wir das Projekt später ausgedehnt haben. Am Anfang war es für uns im Grunde nur ein Filmprojekt, erst im Zuge der Umsetzung hat sich herauskristallisiert, dass es eigentlich viel weiter gehen kann. In der Kommunikation mit BesucherInnen, aber auch während der Vorbereitung ging es viel um rechtliche Fragen. Was darf wer wann wo? Im Nachhinein gab es ein Interview mit dem Verfassungsexperten Thomas Olechowski vom Hans-Kelsen-Institut, um vor allem über Grundrechte und deren Einforderung zu diskutieren. Der Zehn-Fragen-Antwort-Dialog kommt jetzt in die Ausstellung.
Tiny Houses – kleine, auf das Wesentlichste reduzierte mobile Wohneinheiten – liegen derzeit vor allem in den USA im Trend. Euer Haus wanderte von der temporären Baulücke schließlich auf den Attersee. Welche Veränderungen waren für das Leben am Wasser notwendig?
Damit der Bau an einem Tag bewältigt werden konnte, war unser Haus entsprechend klein konzeptioniert. Das steile Satteldach spielt mit einer ländlichen Tradition, vom Charakter ähnelt es einer simplen Datscha. Es stecken aber viele Ideen im scheinbar normalen, primitiv konstruierten Haus. Das Dach lässt sich zum Beispiel aufklappen und öffnet den Blick nach oben hin zu einem völlig anderen Raumgefühl.
Wie ein Boot auszusehen hat, ist rechtlich nicht genau definiert, einzig steuerbar muss es sein. Am Attersee machten wir das Häuschen mit Blechtonnen als Schwimmkörper seetüchtig und bauten es nach und nach um. Wir nahmen das Dach herunter, kippten eine Seitenfläche als Terrasse heraus und erweiterten das Haus um schwimmende Plattformen – es dehnte sich vergleichbar mit einer Explosionszeichnung aus. Während der Performance wurden die Möbel teilweise zu Beibooten. Ein Kasten muss nicht immer ein Kasten sein, abgedichtet funktioniert er wunderbar. So konnten wir zum Einkauf für das Grillen rudern.
War die Idee, sich als schwimmende Insel am Wasser treiben zu lassen, legal und gratis, gerade dort, wo die Umgebung am schönsten ist, aber Grundstücke am Seeufer kaum noch vorhanden und mittlerweile unleistbar sind, ein Anlass den zweiten Teil der Aktion am Attersee zu machen?
Für Werner Schrödl und mich war es von Anfang an klar, dass es der Attersee sein muss. Einerseits aus persönlichen Gründen – sprich, man arbeitet mit dem, was man aus der Vergangenheit kennt – andererseits verbirgt er gewisse Konflikte, Umfahrungsstraßen werden für Oligarchen gebaut. Vielleicht ist deren Präsenz gut? Es ergeben sich auf jeden Fall Reibungsflächen. Der See als öffentliches Gut sollte von jedem beansprucht werden können. Fast alle Seegrundstücke wurden in den letzten Jahrzehnten verkauft, jedes Hotel hat seinen privaten Badeplatz, der Attersee ist nur mehr an wenigen Stellen öffentlich zugänglich. Der See als Freiraum ist etwas Klasses. Die Ufer sind zwar exklusive verbaut, das Rundherum schaut auf das Wasser, aber der See selbst ist annähernd unbesetzt. Am Wasser herrscht ein anderes Leben.
Auch als wir mit dem Berg auf dem Traunsee von Ufer zu Ufer schipperten, hatten wir das Gefühl, uns freier als gewohnt bewegen zu können, einzig beim Anlegen gab es eine genauere Choreografie. Für uns war es ein Spiel mit dem Auftauchen und Verschwinden auf einer überdimensionalen Bühne. Während unserer Expedition haben wir am See viele neugierige Leute getroffen. Dockte während eurer Performance jemand bei euch an?
Anders als mit dem großen Holzhaufen in Wien sind wir im Trubel am See gar nicht so sehr aufgefallen. Wir trieben einfach inmitten anderer Boote. Natürlich sind uns Kinder hinterher geschwommen, aber wir wohnten quasi einen Tag lang alleine – mit Hundebegleitung. Am Ende verschwand das Haus im Nichts, das war für uns das einzig denkbare, wenngleich fast mystische Ende des Filmprojekts. Der ursprüngliche Gedanke war, dass wir uns nach der Performance entfernen und das Objekt einfach treiben lassen. Nachdem wir aber im Vorfeld mit den Bundesforsten als Seeeigentümer bereits Probleme hatten, war dies nicht mehr möglich. Am nächsten Morgen wurde das Haus herausgehoben und eingelagert, jetzt kommt es in ausgeklappter Form für die Ausstellung wieder in die Stadt zurück.
„Aus der Sammlung: Landschaft“ ist ab 24. Juni 2016 in der Landesgalerie zu sehen.