Die Referentin #30 - Beiträge der Ausgabe

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Wandel unter weiblichen Werten

Evelyn Bernadette Mayr | Kolumnen, 1. Dezember 2022
Die Referentin #30

Auch wenn diese Kolumne nichts lieber möchte, als sich in Gleichwürdigkeit und in gelebter Vielfalt gleichen Rechts und gleicher gesellschaftlicher, politischer und sozialer Ausgestaltung von Chancen, Rollen und Positionen zu sonnen, wird frau sich doch häufig sowohl mit Windstille also auch den Sturmböen der zeitgenössischen Frauenbewegung, dem ruhigen Vor-sich-Hin-Gedeihen im bereits Erreichten oder dem abgelegenen Dunkel von Armutsgefährdung, von Prekariat, von Mental Overload oder von der Unvereinbarkeit von Beruf(-ung) und Familie konfrontiert sehen. Obschon gleichzeitig und andererseits auch viele neue Frauengruppierungen sprießen und wachsen, bleibt zu wünschen, dass sowohl Ruhe als auch die Stürme der Zeit genutzt werden, um echte Transformation im Sinne von Herrschaftsfreiheit, Gleichwürdigkeit und Würde voranzutreiben.

„Kapitalismus tötet ohne Notwendigkeit“, meint Jean Ziegler in einem Artikel des Magazins Kontrast vom 18. April 2019 und: „Unsere Welt quillt über vor Reichtum“. Doch die UNO-Pressekonferenz 2010 verlautbart: „Frauen verrichten 66 % der Arbeitsstunden der Welt und produzieren 50 % der Nahrung. Aber sie erhalten 10 % des Welteinkommens, besitzen 1 % des Eigentums, und sie stellen 60 % der ärmsten Menschen der Welt dar.“ Während Jean Ziegler anführt, dass es sich bei Armut und Hunger primär um eine globale Verteilungsproblematik handelt, führt der Pressebericht der UNO, der sich bis dato inhaltlich nicht substantiell geändert hat, vor Augen, dass gerade Frauen von dieser Ungleichheit der Verteilung des Volksvermögens und der damit einhergehenden Armut, einer Grunderfahrung von Gewalt, betroffen sind. Ein sehr breites und schlüssiges Erklärungsspektrum für diese frappierende Vulnerabilität von Frauen bietet die italienische Autorin, politische Aktivistin und emeritierte Professorin für politische Philosophie und internationale Politik Silvia Federici. Wie sehr die Unterwerfung der Frau, die Hexenverbrennung, die Kolonialisierung, der Niedergang des Feudalismus, der Beginn der Industrialisierung und der erstarkende Kapitalismus im Eigentlichen miteinander verwoben sind, zeigen ihre Forschungserkenntnisse und demgemäß die Grundthesen. Laut ihrer Synthese war die Hexenjagd sowohl in Europa als auch in den amerikanischen Kolonien nicht nur eine Herrschaftsstrategie, sondern von Anfang an eine recht bewusste Herangehensweise, um den kollektiven Widerstand zu brechen und die Bevölkerung zu spalten. Die Hexenverbrennung ist also gleichermaßen bedeutsam für die Entwicklung des Kapitalismus wie die Strategien der Kolonialisierung und der Enteignung der Bauern in Europa. Denn Kapitalismus war nach Federici nicht die einzig mögliche Reaktion auf die Krise der Feudalmacht, sondern das Ergebnis einer Konterrevolution gegen die sozialen Bewegungen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, die sich nicht zuletzt des Instrumentariums der Hexenverfolgung zur Durchsetzung ihrer Macht bediente.

Aus meiner Sicht gilt es heutzutage die Potentiale des Umbruchs der Zeit für die Anliegen der Frauen, im Geiste weiblicher Werte zu gestalten: eine Lebensweise zu forcieren, die nicht eine der Fortschreibung von Ungleichheit und machtpolitischer Hierarchisierung ist, sondern den Bedürfnissen der Menschen und der Natur in ihrer Ebenbürtigkeit entspricht. Das kommt der am meisten von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppe, nämlich den Frauen, zugute, und bedeutet letztlich strukturelle Befreiung vom spätkapitalistischen Patriarchat und von Ausbeutung, Unterdrückung, Knechtschaft und Zerstörung letztendlich auch der Natur. Lehrt uns die Geschichte der Umbrüche seit Jahrhunderten, dass die Revolution ihre Kinder frisst, so wissen wir doch, dass trotz der Stürme, die auf uns zukommen, Veränderungen im Kleinen, im Verhalten, im Alltag, in unseren Lebens- und Beziehungsformen, in unserem Miteinander mit Bestimmtheit das sein werden, was bleibt.

In der nicaraguanischen Revolutionslyrik galt der Wind, der Sturm als zentrale Metapher für den Umbruch, für den gerechten Wandel. Viele Stürme, nicht nur eine Böe, charakterisieren auch die Frauengeschichte unserer Zeit. Nicht nur im Iran, in Belarus, in Syrien oder in Nicaragua. Das Rascheln der Blätter, der Wind in den Bäumen und das behände Rauschen seines Klangs mache uns gewahr für den langen Atem. Wir werden ihn brauchen.

 

Die Autorin wurde vermittelt von Female Positions.
www.femalepositions.at

Evelyn Bernadette Mayr
Autorin, Professorin, Studium der Hispanistik und Germanistik mit Genderschwerpunkt, publiziert Prosa und Lyrik in Deutschland und Österreich, 2-fache-Wiener Exilliteraturpreisträgerin für poetische, feministische und antirassistische Schreibwerkstätten, Berliner Literaturpreis für Soziale Balance, ökologische Zukunft & politische Rechte 2017 (2. Platz), 2019 Stipendium für Literatur & Menschenrechte in Meran für das Projekt Frauenrevolution in Nicaragua.
Archivierte Ausgabe
Dezember 2022/Jänner/Februar 2023
Die nächste Ausgabe erscheint am 6. Juni 2025
Das professionelle Publikum

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7. März 2025 bis 28. März 2025
KAPU
2. April 2025 16:00
Kunstraum Goethestrasse xtd
5. April 2025 20:00
Stadtwerkstatt
8. April 2025 bis 9. April 2025
Theater Phönix
11. April 2025 21:00
Sirup
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Das Vorgängerprojekt der Referentin war die Zeitung spotsZ

Von 2006 bis 2010 sind 42 Ausgaben des Heftes spotsZ erschienen, die monatlich in Form von unabhängiger redaktioneller Berichterstattung das Kultur- und Kunstgeschen in Linz thematisieren.