Der Stadt Linz, die in einem etwa 5 Quadratkilometer großen Gebiet wie Urfahr-Zentrum 10% der Fläche – also zirka 0,5 Quadratkilometer – ohne mit der Wimper zu zucken der Autobahn zum Fraß vorwirft, muss man im Jahr 2020 wohl zu einer umfangreichen Therapie raten. Magnus Hofmüller und ein semi-professionell angelegter und eher laien-psychologisch formulierter Versuch, 5 verschiedene Diagnosen zu stellen.
Fall 1: Ersatzhandlung(en)
Man will ja nicht den Finger in die offene Wunde legen, aber Linz hat ein Brückenproblem. Und zwar nicht ob ihrer Anzahl, sondern aufgrund der fairen Aufteilung zwischen den unterschiedlichen Mobilitätsformen. Dutzende nationale und internationale Studien böten ein fundiertes Rüstzeug, dieses Problem anzugehen. Aber diese werden nicht angefasst. Stattdessen werden Mikroaktionen gestartet, die eher hilflos wirken. „Aktion scharf“ gegen BrückenradlerInnen, die gegen die Fahrtrichtung unterwegs sind, ein LED-Geschwindigkeitssmiley, der das Schnellfahren eher game-ifiziert als es zu unterbinden, oder ein neuer Anstrich, der wohl dünnsten RadlerInnenspur in Europa. Am launigsten sind aber die Ersatzhandlungen, die aus den Schubladen von Freizeitparkdesignern zu kommen scheinen: Seilbahnen und Hängebrücken. Hier ist dringender Handlungsbedarf.
Fall 2: Prokrastination
Lösung C ist erst möglich, wenn A und B fertig sind. Ein Radstreifen auf der Nibelungenbrücke ist erst möglich, wenn die oder die Brücke fertiggestellt ist. Der belegte Fakt, dass mehr Autospuren mehr Autoverkehr evozieren, verhallt in den meisten Parteigremien in Linz wohl ungehört. Dass aber mutige und vielleicht kurzfristig unpopuläre Regelungen Abhilfe schaffen könnten, wie in anderen Kommunen, ist bis Linz noch nicht vorgedrungen. Das ist schade – Linz hätte mit seiner Lage das Potential, Arbeit, Kultur und Leben in Einklang zu bringen. Weil mit einfachen, aber scheinbar zu harten Eingriffen Wohnraum, Gewerbezonen, Freizeitflächen usw. durchaus miteinander und ineinander funktionieren könnten. Es wird einfach immer weiter – seit Jahrzehnten – vertröstet und weiter vertröstet.
Fall 3: Verleugnung
Die grundsätzlich positive Idee eines Radmotorikparks wird durch die vorgeschlagene Location konterkariert. Die Idee: Die Anlage unter den massiven Betonstützen der neuen Autobahnbrücken-Konstruktion zu verstecken. Nichts gegen eine sinnvolle Nutzung der Brachflächen, aber eine schon geschundene Spezies noch weiter vorführen? Radverkehr – egal ob als Verkehrsmittel oder Sportaktivität – braucht mehr Sichtbarkeit, Sicherheit und nutzbaren Raum. Eine Stadt sollte zu ihren RadfahrerInnen stehen und diesen – gleich wie dem Autoverkehr – die angemessene Wichtigkeit zusprechen. Nicht Fahrradzonen verstecken, verschmälern oder ignorieren.
Fall 4: Selbstverzwergung – Mikroeingriffe anstatt Masterplan
Linz – also die Kommune – betreibt des Öfteren Selbstverzwergung und macht sich als Player im Zentralraum oft kleiner bzw. unwichtiger als die Stadt ist. Linz könnte die Spielregeln aktiver gestalten, was zum Beispiel Park-and-Ride, Verkehrsführung für PendlerInnen usw. betrifft. Stattdessen probieren die einzelnen politischen AkteurInnen mit eher reflexartigen öffentlichen Auftritten ihre jeweiligen Zielgruppen zu befrieden. Stichwort Spurverbreiterung/Busspur an der Donaulände oder Radweg auf der Nibelungenbrücke. Ein größerer Wurf wie z. B. ein Linzer Verkehrsgipfel, der von Fachleuten geführt wird und konkrete Maßnahmen nach sich zieht, steht wohl noch in weiter Ferne. Zu sehr ist man in seinen Klüngeln verhaftet und fürchtet sich vor unpopulären Eingriffen.
Fall 5: Toxische Beziehungen der VerkehrsteilnehmerInnen
Die nicht naturgegebene, aber in Linz dennoch problematische Beziehung unterschiedlichster VerkehrsteilnehmerInnen bzw. Interessengruppen wird nicht aktiv moderiert, sondern eher befeuert und für die eigene (verkehrs)politische Agenda genutzt. Wobei hier der Nutzen wohl eher kurzfristig ist als nachhaltig wirkt. Im Gegensatz zu toxischen Paarbeziehungen kann man diese Beziehungen nicht auflösen, sondern muss sie therapieren. Oder sie wird weiter eskalieren. Auch hier sollten parteipolitische Grenzen überwunden und das konstruktive Gespräch gesucht werden. Andere Städte schaffen das auch – und auch hier wieder die Hinweise auf ExpertInnen und deren Erkenntnisse. Nicht zuletzt: Verkehrs- Städte,- und MobiltätsplanerInnen sind oft auch gute TherapeutInnen.
Als Quintessenz und Analyse: ExpertInnen, ExpertInnen und ExpertInnen ranlassen. Das ist wohl das einzige Breitbandmedikament zur Lösung dieser Probleme.
Und, was in Linz noch nicht angekommen ist, auch wenn der Terminus Innovationsstadt durchaus oft erwähnt wird: Das Fahrrad ist ein modernes, zukunftsträchtiges und innovatives Verkehrsmittel.