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Here comes the electric machine

By   /  6. Juni 2019  /  No Comments

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Im Mai war das Kollektiv Okabre im Linzer City Kino zu Gast und präsentierte dort die aktuelle Filmkonzert­reihe Tetsuo: The Iron Man. Der Film ist das Werk des japanischen Kultregisseurs Shinja Tsukamoto aus dem Jahr 1989. Alexander Eigner war dort.

Es scheint ruhig. Foto Ronny Sandmayer

Der Regisseur Shinya Tsukamoto widmet sich in seinem experimentellen und kontrastreichen Schwarzweiß-­Horrorfilm Tetsuo: The Iron Man einem Sarariman, also einem männlichen Büroangestellten in einem renommierten Unternehmen. Es wird kaum gesprochen, die Akteurinnen und Akteure, von denen es im ganzen Film nur sechs gibt, haben keine Namen.

Das Linzer Kollektiv Okabre besteht seit 2015 und widmet sich der Vertonung von Filmen, Lesungen und Performances. Das Sextett besteht aus: Andreas Wahl, Florian Graf, Günther Gessert, Manfred Rahofer, Thomas Pichler und Rainer Fehlinger. Im Spektrum der Klangwelt scheint es für die sechs Musiker kaum Grenzen zu geben – dieser Eindruck entsteht, wenn man der Vertonung beiwohnt. Vocal, Gitarre, Theremin, Bass, Drums, Synthesizer, Marxophone, Electronics und verstärkte Objekte kommen dabei zum Einsatz.

Gegen 21.30 Uhr greifen die Musiker zu ihren Instrumenten und beginnen zu spielen. Es wirkt wie ein ruhiges Intro, während am Anfang noch einige japanische Wörter auf der Leinwand erscheinen. Doch als die erste Person auftritt, werden die Sounds der einzelnen Instrumente schneller. Ein Mann bewegt sich auf einem alten Industriegelände, viel Metall ist zu sehen und plötzlich schneidet er sich eine Wunde in den Oberschenkel, in die er ein großes Metallstück implantiert. Kurz darauf wird die Wunde von Maden befallen und der Mann, welcher vom Regisseur Shinya Tsukamoto selbst gespielt wird, verliert die Beherrschung und läuft vor ein fahrendes Auto.
Nun erscheint der Protagonist, der vor einem Spiegel merkt, dass ein Metallstück in seiner Wange steckt. Als er auf dem Weg zur Arbeit ist, wird er von einer Frau in der U-Bahn angegriffen, deren Hand aus Metallteilen und Schläuchen besteht. Es folgen Jagd- und Kampfszenen zwischen den beiden.
Und ab hier zeigen die Musiker des Kollektivs Okabre ihre musikalischen Fähigkeiten. Sie erzeugen ein voodooähnliches Spannungsfeld zwischen Bild und Musik. Es knallt, zischt, dröhnt, donnert, klopft, quietscht, das Theremin fährt höchste Tö­ne auf, das Schlagzeug wird immer schneller und der Sänger verfällt in Schreien. In diesem freien Spiel wird die Dramaturgie für die Zuseher spürbar: Musik und Film verschmelzen. Ob man nun auf die Leinwand blickt oder einem der Musizierenden zusieht, ist nicht mehr entscheidend, sie scheinen eins geworden zu sein.
Als der Kampf vorerst vorüber ist, werden die Sounds ebenfalls ruhiger, was nicht weniger eindrucksvoll ist. Die Gitarre rückt stärker in den Mittelpunkt, der Gesang wird harmonischer und das knallende Klopfen wird zu einem sanften Dröhnen.
Doch nun passiert im Film, was für manche schon vorhersehbar war: Der Büroangestellte beginnt, zu einem Maschinenwesen zu mutieren. Er erkennt, dass sein Arm und sein Bein schon aus Metall bestehen. Mit wachsender Sorge, was nun plötzlich mit ihm passiert, wird nun auch die Musik wieder experimenteller und der Gesang predigt: Here comes the electric machine!

Je länger der Film dauert, umso mehr vereinen sich Traum- und Realszenen. Die Kameraführung ist sehr hektisch, es gibt viel Szenenwechsel und viele Schnitte. Doch die Ausführung der Musik durch das Kollektiv Okabre schlägt gleichsam einen Weg durch die vielen skurrilen Szenen und befeuert aber zudem die Sinne der Zuseher.
In einer der groteskesten Szenen von Tetsuo wächst dem Protagonisten ein riesiger, rotierender Metallpenis. Die Livevertonung trifft diese Szene abermals perfekt und so haben die Zuseher ebenfalls das Gefühl zu rotieren. Abermals hört man: Here comes the electric machine. Ereignisse und Klänge überschlagen sich. Wie es nun mit dem Iron Man weitergeht, bleibt hier besser unerwähnt.
Soweit noch: Gegen Ende des Films singt sich Sänger Rainer Fehlinger in einen Wahn und wiederholt immer wieder things are ahead, things are behind.

Das Kollektiv Okabre bringt mit seiner experimentellen Art, Musik und Film zu vermischen den Kinobesuch auf ein neues, spannendes Level. Eine Livevertonung á la Okabre beschert nicht nur Musik auf hohem Niveau, sondern zudem eine Kombination, die Sinnes- und Klangwelten neu erscheinen lässt. Die Atmosphäre im Kinosaal war atemberaubend. Schon bevor der Saal geöffnet wurde merkte man unter den wartenden Gästen Neugier und Vorfreude. Wie wird ein japanischer Experimentalfilm mit Musik aus Österreich verknüpft und was kann man davon erwarten? Es wurde über vorhergegangene Auftritte des Kollektivs in Linz und Wien gesprochen. Manche sprachen auch über den Auftritt beim letzten Klangfestival in Gallneukirchen. Es war zu fühlen, dass es ein besonderer Abend werden würde und es ist schön, dass es mit dem City Kino einen Raum in Linz gibt, in dem Veranstaltungen dieser Art möglich sind.

Im November 2018 hatte das Kollektiv Okabre schon einmal einen Auftritt im Linzer City Kino. Damals mit der Echtzeitfilmvertonung des Horrorklassikers Night of the Living Dead von George A. Romero aus dem Jahr 1968. Romero gilt nicht umsonst als Mitbegründer des modernen Horrorfilms, schließlich hatte er in Night of the Living Dead Zombies erstmals aus eigener Kraft aus den Gräbern aufsteigen lassen. Die Vertonung dazu war damals ganz anders als bei Tetsuo und dennoch unverkennbar das Kollektiv Okabre. Obwohl die Filme so unterschiedlich sind, war die Atmosphäre im Kinosaal trotzdem sehr ähnlich. Das Sextett schaffte es in beiden Fällen, das Publikum mit seiner musikalischen Vielfalt zu beeindrucken.
Außerdem ist noch zu erwähnen, dass es 2019, abseits der Vertonung von Tetsuo noch eine weitere Filmkonzertreihe gibt: Sayat Nova von dem armenischen Regisseur Sergei Paradschanow, aus dem Jahr 1968.
Es zeigt sich, dass sich das Kollektiv Okabre im Wandel befindet und genau das macht ihre Live-Performances so beson­ders.

 

Weitere Auftritte des Kollektivs Okabre:
07. September: Röda / Steyr (Konzerttermin ohne Film)
18. Oktober: Club Noir / Waidhofen/Ybbs
19. Oktober: Programmkino Wels

okabre.com

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schreibt für die Referentin über Musik.

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