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PLATEAU BLO: Raum am See. Wagnis: Utopie realisieren.

By   /  1. März 2024  /  No Comments

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Stadt-Land-Diskurs bedeutet, lokale Sichtweisen und Haltungen mit Perspektiven von außen zu balancieren. Die Kulturhauptstadt bedeutet für das Salzkammergut auch eine Struktur zur Imageverbesserung. Weil feine Leute kommen, kreiert man Programmlinien wie Globalokal, unter denen das hier besprochen Projekt läuft, man will sich schließlich im besten Licht präsentieren. Ralf Petersen meint: Mit ihrem Projekt PLATEAU BLO haben die raumarbeiterinnen einen anderen Anspruch.

BLO von den raumarbeiterinnen. Foto Michael Wittig

Im Salzkammergut ist was los: Von Bad Ischl aus wurde am 20. Jänner das in diesem Jahr aus mehreren Orten und Städten bestehende Kulturhauptstadtjahr 2024 offiziell eröffnet. Eine ganze Region also, mit Bannerstadt Bad Ischl. Konzerte in Kirchen, Performances mit nackten Menschen in verschiedenen Formen und Ausführungen, Getümmel, Getränke, Drum&Bass. „Ich hab alle Leute, die ich getroffen hab, umarmt; das war mein Modus Operandi“, erzählt Simone Barlian, erschöpft. Barlian – gebürtige Gmundnerin – hat bei der Kulturhauptstadt gemeinsam mit Sabine Pollak das Projekt PLATEAU BLO eingereicht, welches auf der schon „länger rumschwebenden“ Idee einer Sauna auf einem Floß gründet. Ein Projekt, bei dem es darum geht, Plattformen zu errichten, sowohl physisch – auf dem Traunsee – als auch metaphorisch. Der Kunstbetrieb, erklärt mir Barlian, kann helfen, Räume zu öffnen. So ist der Untertitel des Vorhabens treffend Raum am See. Während der Konzeption – zweieinhalb Jahre Vor- und Überzeugungsarbeit liegen vor dem offiziellen Projektbeginn – hatte Barlian den Impuls: „Wäre das nicht ein interessantes Projekt für die Uni?“, was dann zum Gespräch mit Sabine Pollak führte.

Pollak ist an der Kunstuniversität Linz Teil des Leitungsteams der raum&designstrategien, aus welchem auch das von Linz aus arbeitende Kollektiv raumarbeiterinnen hervorgegangen ist, welches das Projekt umsetzt. Zu den raumarbeiterinnen gehören – neben Simone Barlian – Theresa Muhl, Kerstin Reyer und Sophie Netzer. „(Fast) jeder Raum kann prinzipiell okkupiert, bespielt und interpretiert werden. Wir wollen die Produktion von Raum nicht Bürokratie und Technokratie überlassen. Wir suchen wirksame künstlerische Strategien und Praxen für einen besseren Umgang mit dem Raum von Stadt und Land“, schreibt Pollak 2022 im Mission Statement der Abteilung.

So war es also ein Workshop an der Kunstuniversität, der den Kick-Off zum PLATEAU BLO bildete. Mit der Kunstuniversität Linz und der Abteilung raum&designstrategien als Kooperationspartnerinnen war eine geöffnete Struktur des Vorhabens geschaffen, die Studierenden die Möglichkeit zur Mitarbeit und Partizipation bietet und als Forum für eine gemeinsame Reflexion des raumpolitischen Kontextes sowohl des Projekts am Traunsee als auch von Arbeiten der Studierenden selber genutzt werden kann. Gleichwohl das Erbauen (und Nutzen!!) einer treibenden Sauna – bewegliches Hitzehaus – ein guter Köder ist, geht es beim PLATEAU BLO um mehr als Wellness. So sind insgesamt vier Flöße geplant, die für Performances, Diskussionen und mehr genutzt werden sollen, von Initiativen, Anwohner*innen und Künstler*innen. Für letztere werden Residencies zum Arbeiten vor Ort eingerichtet, die im Februar im Rahmen eines Open Calls ausgeschrieben waren.

Großes Politikum sind unter anderem Seezugang und die wenigen öffentlich nutzbaren Zugänge: „Ausgangspunkt ist der Umgang mit den begehrten Uferzonen des Traunsees“, heißt es auf der Website des Salzkammerguts zum Projekt, „Uferzonen sind Privathäusern und Hotels zugeordnet, werden von Durchgangsstraßen tangiert oder sind unzugänglich und nur vom See aus erreichbar.“ Als Gegenpol also das treibende „hothouse“, welches zur Mitgestaltung aufruft, zu Aktivismus, Draußensein, Verantwortung. Flucht aufs Wasser: Die „floating university“, aus mehreren Flößen bestehend, treibende Eisschollen. Leerraum, Lehrraum (auf dem Wasser).

Sauna als Gleichmacher: ALLE nackt, das heißt: alle unverkleidet. Klassenübergreifend, auf Augenhöhe. Dieses Setting dient als Rampe für unkonventionelle Ideen: Zum Beispiel Bürgermeister-Sauna mit den Bürgermeister*innen der umliegenden Gemeinden. Politische Entscheidungen auf Finnisch. Die Sauna – als Diskussionsort – für die großen Fragen, wie: Wem gehört der See? Einst war’s der Kaiser, der die sogenannten sauren Wiesen, für die lokalen Bauern nicht besonders erträglich, zu seinem Jagdrevier ernannte, Prestige und einen Hauch „mondän“ brachte. Nun sieht man um den Traunsee oft verödete Dorfzentren, „das Sozialleben scheint tot“, sagt Barlian. Dem entgegen stehen dann Zweitwohnsitze und Luxus-Leerstand und im Sommer „fallen die Bobos ein“. Umso mehr freut es die Organisatorinnen, das örtliche, leerstehende, ehemalige Frauenkloster für Anwohne­r*innen und Künstler*innen nach 200 Jahren „Abschottung“ zu öffnen.

Die Gemeinde Gmunden schmückt sich mit dem Projekt, ist endlich ein bisschen „Uni-Stadt“. Die Hoffnung liegt auf der Nachhaltigkeit. Dass was bleibt. Dass was kommt vor allem, junge Leute nämlich. Demographisch, sagt mir Barlian, liegt eine Überalterung vor. Einmal sollte die Keramikklasse der Kunstuniversität nach Gmunden verlegt werden, da „haben die Studierenden gestreikt“. Sie wollten nicht in die arrivierte Kleinstadt. „Nur eine schöne Landschaft genügt einfach nicht“, meint Barlian, stattdessen müsse man „temporäre Impulse“ für junge Leute schaffen. Zeigen, dass hier was geht und Kultur prinzipiell möglich ist.

Ein Ort, der die Strapazierung zwischen Fremdbestimmung und Mitmachethos demonstriert, ist der Toscanapark. Den hat das Land Oberösterreich jüngst für 50 Jahre an private Investoren verpachtet. „Eine Privatisierung droht“, kommentiert dies Werner C. Binder, Obmann des Vereins waldstattparkplatz auf der Website der Initiative. Das rief auch Simone Barlian auf den Plan, die mit ig_toscanasteg, einer Gruppe, gegründet, um Flächen als Naherholungsorte für Anwohner*innen zu sichern, im Rahmen eines „common effort“ auf die Causa aufmerksam machte. Dies führte schließlich zur Sanierung des Toscanastegs. „Bürger*innen-Beteiligung works!“, ist die Lektion dieser Aktion. „Wertvolle Räume zu erhalten“, schreibt Barlian, „ist mindestens (!) ebenso wichtig, wie eben solche zu konstruieren. Raum-Verantwortung wird die nächsten Jahre bei all der Zersiedelung mit Sicherheit noch weiterhin ein essentielles Thema in Gmunden bleiben!“. Man muss, findet Barlian, das Verständnis in der Bevölkerung schärfen, dass „wir für die Pflege unserer Kommunalflächen zuständig sind“. Die den Park pachtende Liegenschaft hat den Steg außerdem für die Sauna bereitgestellt, als Zeichen, der Toscanapark bleibe – zumindest noch – öffentlich.

Per SMS bekomm ich die Wegbeschreibung: „Toscana Park. Mit der Bahn bis zur Kuferzeile, dann dort zum Park und bis zum Eiland Schloss Ort und dann immer den See auf der linken Seite habend zum Wasser runter.“ Ein Anwohner spricht mit Raumarbeiterin Kerstin Reyer, als ich den Toscanasteg schließlich finde. Er habe eine Boje, erzählt er, doch ein Boot liege höchstens das halbe Jahr daran. Da war ihm die Idee gekommen: Eine Sauna auf einem Floß. Kurz nach dem Einfall bekam er eine Nachricht, die ihn über das Bauvorhaben von PLATEAU BLO informierte („Great minds …“). Der Anwohner, ein Vogelschauer – Meisen usw., viel Auswahl gibt’s grad nicht – erzählt von Eiszapfen-Kunstwerken, die heute, am 21. Jänner, minus 13 Grad, die Weiden schmücken. „Kannst auch machen“, kommentiert Reyer den Saunabau humorvoll, „ist voll einfach.“

Eigentlich sollte das Sauna-Floß in Ebensee ankern heut, was war passiert? „Südwind“, erklärt mir Kerstin Reyer, die mir vorher die Nachricht gesendet hatte. Nebenan, in der Sauna, wird der Ofen angeheizt, von Pi, einem der vielen Helfer*innen. Wir stehen – dick angezogen – im Schnee und Eis, während die Sonne über dem Traunsee untergeht. Der Südwind, in einer Schneise, senkrecht den See entlang, schießt von Ebensee bis nach Gmunden hinauf. „Bootstaufe“, sagt Reyer, halb lachend, halb seufzend. Sauna als Abenteuer. Die Konstruktion war zu instabil: Schon der zur Eröffnung geplante Salztransport – das Salz hätte auf dem Dach liegen sollen, während ein Boot das Floß einmal auf den See hinaus, dann wieder ans Ufer zieht, symbolisch, performativ – hatte abgesagt werden müssen. Nun müssen die Seitenschiffe neu austariert und stabilisiert werden. „Der See hat sich einen Scherz mit uns erlaubt“, sagt Reyer. Bis dahin hatte man alles unter Kontrolle zu haben geglaubt.

In Ebensee stand nun eine Fasssauna, damit, oder weil man das Event nicht absagen konnte oder wollte. Das ist Kultur: Trouble-shooting. Umso erfreulicher, dass ich mich damit nicht abspeisen muss, sondern in den Genuss der frischgebauten Sauna komme, die heute „angeschwitzt“ wird. Premiere! Gesponsert wurde der Ofen von einer finnischen Firma, die eine Zweigstelle in Vöcklabruck hat. Grad, an diesem Eröffnungstag im Jänner, war dort zufällig eine Vorstandstagung, weswegen die Unterstützer natürlich auch zur inoffiziellen Erstschwitzung eingeladen sind. Doch der Besuch bleibt aus: Vielleicht haben sie sich anderweitig „festgeschwitzt“.

Ganz auf finnisches Sauna-Traditions-Korrektiv wollen wir aber auch nicht verzichten, weswegen es sich gut trifft, dass der finnische Student Olli spontan mit dabei ist. Für ihn auch super, kann er doch so direkt mal ein First-in-a-lifetime-Event eintüten: Weil wir alle frieren, die Sauna aber noch nicht so ganz eingeheizt ist, gehen alle mit Klamotten (natürlich aber ohne Schuhe) rein, in die sich wärmende Stube. Locker plaudernd sitzen wir da. Während die Temperatur steigt, entledigen sich alle, Stück für Stück, ihrer Kleidung, bis – bei 40 Grad – dann alle nackt sind: unverkleidet. Draußen ist’s inzwischen dunkel, Lichter drüben, in den Häusern Gmundens, spiegeln sich im Traunsee, dann ist da die von links nach rechts aufsteigende Berglandschaft, der Mond. „Das beste Sauna-Erlebnis, das ich je hatte“, kommentiert Gast Martin das Schwitzen mit der Panorama-Aussicht. Bei 60 Grad geht’s raus: Sprung ins kalte Wasser. Danach kribbelt es.

 

raumarbeiterinnen ist ein Kollektiv, welches aus Simone Barlian, Theresa Muhl, Sophie Netzer und Kerstin Reyer besteht und – häufig performativ – Raumstrategien erforscht und beleuchtet.
raumarbeiterinnen.org

Vom 8.–15. April finden Ausstellungen und Austausch im Rahmen von Plateau Blo statt.
Weitere Termine und Informationen zu kommenden Veranstaltungen im Rahmen des Projekts findet ihr auf: salzkammergut-2024.at/projekte/plateau-blo

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ist Autor und Künstler und lebt in Österreich. ralfpetersen.info

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