Was mit dem Salzamt passiert, ist noch immer nicht entschieden – wird Zeit, meint die Referentin. Wir berichten einstweilen aus dem Salzamt: Unter dem Titel „Searching for A Fata Morgana“ haben zuletzt Clemens Bauder und Rachel Leah Cohn im Sommer ausgestellt. Clemens Bauder im Interview.
Ihr seid in Katar in die Wüste gegangen und habt euch auf die Suche nach einer Fata Morgana gemacht. Dann sind kinetische Holzobjeke entstanden, die einen Bewegungsaspekt forciert haben, eine Sand- und Soundmaschine mit dem Titel „Disco Fata Morgana“ und ein sechseckiger Leuchtturm. War das quasi die selbstgebaute Fata Morgana?
Ja genau, wir haben die Frage, wie denn eine Fata Morgana aussehen könnte, auf poetische Weise beantwortet und in zwei verschiedene Objekte umgesetzt. Durch die vorangegangene Recherche war Rachel vor allem von den farbenfrohen arabischen Glaslaternen und Narrationen im Schattentheater inspiriert. Die Bilder im Leuchtturm erzählten von einer persönlichen Entdeckung einer künstlich angelegten Oase in der Wüste, die mittlerweile abgerissen wurde und komplett verschwunden ist. Mit Malereien auf Acrylglas und Silhouetten aus Holz versuchte sie einen Ort, an dem die Natur und das Artifizielle für einige Zeit miteinander verflochten waren, wieder ins Gedächtnis zu holen und fatamorganesk wie ein Leuchtfeuer am Horizont auftauchen zu lassen. Ich habe mich über Sound und Licht an die Idee einer Fata Morgana angenähert. Die Stille und absolute Dunkelheit der nächtlichen Wüste waren für mich von Anfang an sehr beeindruckend. In dieser Atmosphäre wollte ich eine kinetische Figur, die Disco Fata Morgana, auftauchen lassen. Eine Maschine, die mit dem Wüstensand einen rhythmischen, repetitiven Sound als auch bewegtes Licht generiert. Diese beiden Ansätze haben wir dann für die Installation im Salzamt zusammengeführt.
Die Arbeiten im Salzamt waren surreal, leuchtend, schienen wie Holzgebilde mit anderer Logik und verborgenem Zweck. Die Fotos ließen vermuten, dass alles insgesamt in der Wüste vermutlich nochmal eine ganz andere Magie hatte. Ins Nachhinein gefragt: Was war diese Arbeit?
Ortsspezifische Arbeiten 1:1 in den Ausstellungskontext zu überführen finde ich schwierig. Wir haben deshalb versucht, mit unseren Erfahrungen in der Wüste eine eigenständige Arbeit, die mit den atmosphärischen Potentialen und Versatzstücken der vorangegangen Objekte spielt, zu entwickeln. So sind drei fatamorganeske Bilder entstanden, die durch einen Leuchtturm immer wieder für kurze Zeit aufflackern. Verknüpft mit dem bei der Eröffnungsperformance gemeinsam mit Andre Zogholy entstandenen Sound. Für mich war die Disco Fata Morgana ein skizzenhafter Prototyp, ein prozesshaftes Experimentieren in einer bis dahin noch unbekannten Umgebung. Etwas, das in der Wüste für kurze Zeit auftaucht und dann wieder verschwindet. Deshalb auch keine Vorankündigung oder Publikum. Im Endeffekt war es also wirklich für uns und die Wüste. Der Wunsch, mit der Disco Fata Morgana in einem größeren Maßstab für ein Publikum zu performen, ist aber da.
Man kennt dich in Linz als Architekt, als Artist, der immer wieder mit Holz zu tun hat, und im Zusammenhang mit urbanen Thematiken. Vielleicht kannst du Arbeitsschwerpunkte ergänzen. Und erzähl bitte auch über deine Kollegin Rachel Leah Cohn, warum und wie ihr zusammengekommen seid und gearbeitet habt.
Rachel und ich haben uns im Dezember 2015 auf der Bi-City Biennale of Urbanism and Architecture in Shenzhen, China, bei der wir beide im Rahmen der Aformal Academy eingeladen waren eine Arbeit zu realisieren, kennengelernt. Nach ein paar Tagen Recherche vor Ort – wir waren beide vom informellen urbanen Erfindergeist im Urban Village Baushizhou, wie zum Beispiel von mobilen Grillstationen, inspiriert – und überschneidenden Interessen wie etwa am traditionellen chinesischen Teeritual hat sich dann eine Kollaboration ergeben. Angelehnt an die klassischen Schubkarren, die das Stadtbild noch immer prägen, haben wir eine mobile Sauna samt Ritual für sechs Personen entwickelt und mit einfachsten Werkzeugen – Hammer und Fuchsschwanz – gebaut. Für den Saunaofen wurde ein Hot Pot, der normalerweise zum Brühen von Suppen verwendet wird, umfunktioniert. Vor jedem Saunagang wurde bei einer Teezeremonie jenes Teewasser, das für das Reinigen der Gefäße abfällt, gesammelt und als Aufgusswasser verwendet. Mit dem Wasserdampf breitete sich auch der Geruch von grünem Tee in der kleinen Sauna aus. Besonders gefallen hat mir, dass die Wände der Sauna aus durchsichtigem Vinyl waren. Mit Fortdauer des Saunagangs ist durch den Dampf der Blick auf die Stadt verschwunden, ebenso für die Passanten der Blick ins Innere. Bei mir hat sich in den letzten Jahren ein Arbeitsschwerpunkt hin zu experimentellen, temporären Architekturen und Installationen, meist im öffentlichen Raum entwickelt. Temporär vielleicht deshalb, weil bei solchen Projekten verschiedene Grenzen etwas weiter ausgelotet werden können. Aber auch, weil man bei diesen Projekten sehr nah dran sein und selbst Hand anlegen kann, von der Idee bis zur Fertigstellung. In der letzten Zeit verknüpfen sich meine Arbeiten immer mehr um eine Soundkomponente und kinetische Momente.
In der Arbeit Disco Fata Morgana wird ein Holzobjekt von Sand angetrieben und bewegt zum Beispiel eine goldene Teekanne, die dann bedeutsam immer wieder verschiedene Richtungen anzeigt. Ihr beiden seid nicht nur im Salzamt in goldenen Kostümen, goldenen Jacken und Kniehosen aufgetreten, sondern auch in der Wüste – soweit ich weiß. Ich komme damit zu Alice. Ich hatte, wahrscheinlich wegen der Teekanne und der Kniehosen, gleich diese Assoziation zu Alice im Wunderland.
Die goldenen Kostüme sind aus der Idee heraus entstanden, in der Wüste selbst zu reflektieren, mittels Sonnenstrahlen oder künstlichem Licht zum Leuchtobjekt zu werden. Die Maßanfertigung an sich war schon ein Erlebnis. Mit dem Schneider haben wir nur kurz eine Skizze hin- und hergeschoben, das tatsächliche Kostüm war dann eine Überraschung. Herr Kamal hat aber einen guten Job gemacht. Und reflektiert hat der Vorhangstoff schlussendlich auch sehr gut. Mit unseren Kostümen waren wir in der Wüstenszenerie seltsame Fremdkörper und dann auch wieder nicht. Die Teekanne war mehr ein glücklicher Zufall als zu Beginn gewollt. Nachdem ich tagelang mit verschiedenen Discokugel-Varianten gespielt hatte, ist sie mir auf dem Basar in die Hände gefallen. Und dass der Schnabel der Kanne stetig in verschiedene Richtungen zeigt, passt natürlich noch viel besser zur Suche nach einer Fata Morgana.
Und dann erzählst du im Vorgespräch, dass du derzeit an Projekten für die Alice-Ausstellung im OK arbeitest. Hat das miteinander zu tun? Oder anders gefragt, was sind deine nächsten Arbeiten?
Es gibt eigentlich keine direkte Verbindungslinie. Gemeinsam mit Kathi Lackner arbeite ich an einer künstlerischen Spiel- und Bewegungszone, dem Gaudimax und gleichzeitig an einer Transformationsschleuse, dem Eingang in die sinnliche Welt von Alice. Gemeinsam mit Markus Reindl und Julia Ransmayr kuratiere ich überdies das multidisziplinäre Format UNTEN. Das Programm bewegt sich zwischen Rauminstallation, Performance und Clubkultur. Wir forschen vielleicht auch ein bisschen nach der dunklen Seite von Alice. In diesem Rahmen ist dann auch die nächste Sound- und Lichtinstallation am Start, Markus und ich kreieren gerade eine Nachtmaschine.
Katar ist ein Emirat, eine absolut regierte Monarchie. Laut Wikipedia das reichste Land der Welt mit einem sogenannten „kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt“ von ca. 127.600 Dollar pro Kopf – und der Scharia als Hauptquelle der Gesetzgebung. Kannst du ein paar Eindrücke von Katar schildern? Und vielleicht auch vom Stellenwert von Kunst, Kunstuniversität und den KünstlerInnen. Wie ist es euch gegangen mit eurem Vorhaben?
Ich war zum ersten Mal im arabischen Raum unterwegs und mein Radius war wegen des straffen Zeitrahmens von nicht ganz drei Wochen ein sehr enger. Auch habe ich mich hauptsächlich im sehr internationalen Umfeld der VCU Qatar, der Zweigstelle einer amerikanischen Universität bewegt. Das heißt, ich habe eine sich sehr in Öffnung begriffene Gesellschaft erlebt, wenngleich Reglementierung und enormer Reichtum überall präsent sind. Bei jeder Rückfahrt aus der Wüste ist mir Doha, die Hauptstadt von Katar, wie eine gigantische, künstliche Fata Morgana an sich erschienen. Mit den Ressourcen der VCU Qatar im Rücken war die Realisierung der Installationen möglich, Materialien auf dem Basar aufzutreiben, ein Abenteuer.
Abschließend zurück zum Leuchtturm. Und wir versuchen damit auch eine inhaltlich verwegene Brücke zwischen Katar und Linz. Mir fällt auf, dass der Leuchtturm zurzeit von verschiedenen Initiativen künstlerisch thematisiert wird. Auf der Florentine gibt es seit etwa zwei Jahren einen Leuchtturm als kinetisches Objekt, Time’s Up werden, was ich weiß, in ihrer Ausstellung Turnton auch einen Leuchtturm dabeihaben. Und heuer wird die Stadtwerkstatt im September insgesamt drei Leuchttürme im Donauraum platzieren, die das neu ausgerufene Urfahraner Areal „Lower East Site“ bespielen. Ihr habt nun bei „Searching for a Fata Morgana“ einen Leuchtturm in der Wüste platziert. Warum diese Symbolik der Orientierung bei euch?
Durch die unglaubliche Weite der Wüstenlandschaft kann einem das Gefühl der Orientierungslosigkeit bereits untertags sehr schnell einholen. Ohne Führer oder GPS ist man tatsächlich verloren und ist über jede Erscheinung am Horizont froh. Nach der nächtlichen Performance haben wir uns in der Stockfinsternis mehrmals mit unserem Truck hoffnungslos verirrt. Da half nur Autospuren lesen. In diesem Moment hätte ich mir einen realen Leuchtturm irgendwo am Horizont gewünscht. Für mich persönlich strahlen Leuchttürme seit jeher eine magische Anziehungskraft aus. Beim Näherkommen an das Leuchtfeuer in weiter Ferne gibt der zuerst nur klein geheimnisvoll rotierende Punkt schlussendlich die Sicht auf die unmittelbare Umgebung immer mehr frei. Ein ähnliches Gefühl hatte ich beim Zuwandern auf unseren Leuchtturm, der mit assoziativen Bildern einen Ort markierte, der nicht mehr ist.