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Was sagt die Kunst?

By   /  30. August 2023  /  No Comments

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Was sagt die Kunst? fragt der Titel des Text- und Bildbands von Monika Leisch-Kiesl und Franziska Heiß, welcher Ende 2022 an der KU Linz präsentiert wurde. Lisa Krumbiegel über die Linzer Beiträge zur Kunst­wissenschaft und Philosophie und das vorangegangene Ausstellungsformat Im Vorbeigehen. Beides stand und steht im Zeichen von Gegenwartskunst und Wissenschaft im Dialog.

Die Wahl des Veranstaltungsortes für die Ausstellung des Text- und Bildbands Was sagt die Kunst? Gegenwartskunst und Wissenschaft im Dialog von Monika Leisch-Kiesl, Professorin am Institut für Geschichte und Theorie der Kunst an der KU Linz, und Franziska Heiß, Absolventin im Fachbereich Kunstwissenschaft, war keineswegs zufällig. Alle ausgewählten Kunstwerke, die im Buch vorgestellt wurden, waren über einen Zeitraum von zehn Jahren in der KU Linz ausgestellt. Die Absicht der Buchpräsentation war es, diese Impressionen erneut zu verbinden und ein Gefühl zu vermitteln, das alle Kunst- und Literaturliebhaber*innen kennen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten einen Spaziergang durch ein Buch erleben. Die ersten Stunden mit einer neuen, fesselnden Lektüre ähneln oft genau einem solchen Spaziergang, doch selten ist das auch tatsächlich zu erleben. Die Besucher*innen der Buchpräsentation hatten jedoch am 1. Dezember des Vorjahres die Gelegenheit, genau dies Im Vorbeigehen zu erfahren. Robert Starzer, studentischer Mitarbeiter und ausgebildeter Grafikdesigner, verwandelte das Foyer der KU Linz zum Abschluss der Buchveröffentlichung in einen räumlichen Gang durch die Seiten des Werkes. Dabei wurden die Besucher*innen auf eine visuelle Reise durch die Kunstwerke und die darin vermittelten Ideen mitgenommen.

Zunächst ein kleiner Einblick in die Publikation und deren Entstehungsgeschichte. Im Jahr 2011 wurde der Band Was spricht das Bild? – Gegenwartskunst und Wissenschaft im Dialog von Monika Leisch-Kiesl und Johanna Schwanberg herausgegeben, in der erstmals in diesem Zusammenhang Gegenwartskunst und Wissenschaft zusammengeführt wurden. Im Verlauf der nächsten zehn Jahre wurden weitere, insgesamt 19 Ausstellungen unter dem Titel Im Vorbeigehen: Kunst an der KU Linz präsentiert. Der zweite Band der hier behandelten Publikation trägt den variierten Titel Was sagt die Kunst? und beschäftigt sich erneut mit Gegenwartskunst und Wissenschaft, wobei Verbindungen zwischen beiden Bereichen hergestellt werden. Die Grundlage dieser Veröffentlichungen bilden Werke zeitgenössischer Künstler*innen, die also zuvor in den Räumen einer geistes- und kulturwissenschaftlichen Universität gezeigt wurden. In den Geisteswissenschaften werden grundsätzlich durch Publikationen und Vorträge oft gesellschaftliche Debatten über Werte, Ethik und Politik diskutiert – Fragen, die auch häufig im Zentrum künstlerischen Schaffens stehen. Die 19 in der Publikation behandelten künstlerischen Positionen stehen im Dialog mit namenhaften Vertreter*innen der Philosophie und der Cultural Studies, aber auch Bezüge zur Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften wurden hergestellt. Die Werke sollen als Grundlage für Diskussionen dienen, die sich mit Themen befassen wie: die Bedeutung von Bibliotheken und öffentlichem Raum, der Wert der Kunst, die Grenzen zwischen Populär- und Hochkultur, die Rolle der Kirche im Dritten Reich, ästhetische und thematische Herausforderungen, die Kunst an die Theologie stellt, die Bedeutung von Tränen, ökologische Imperative und die Möglichkeit von Überraschungen. Die Publikation bietet den Leser*innen verschiedene Perspektiven, zeitgenössische Kunst zu entdecken, neue Einsichten zu gewinnen und eigene Forschungen anzustellen. Diese Beispiele verdeutlichen, wie sich zeitgenössische Künstler*innen mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen und dabei wissenschaftliche Konzepte und Ansätze in ihre Werke integrieren.
Durch die Entscheidung, die Universität als Ausstellungsraum „im Vorbeigehen“ zu nutzen, erscheinen die Kunstwerke in einer Art und Weise, die sich von den herkömmlichen Präsentationsformen, wie Museen beispielsweise, unterscheidet. So wurden in einem Hörsaal der Universität durch die Installation von Klebefolien des Künstlers Oliver Ressler Bezüge zur Auseinandersetzung mit Kapitalismuskritik und Friedensbewegungen hergestellt. Das Projekt trägt den Titel no replastering, the structure is rotten und schuf eine Verbindung zwischen Kunst und dem universitären Alltag durch die Anbringung an den Wänden eines Hörsaals. Monika Drożyńska lenkte in ihrem Werk Pięć / Five / Fünf die Aufmerksamkeit auf die spielerische Erforschung von Sprache. Stoffbahnen mit Handstickerei zum Thema Sprache(n) und Erfahrungen mit Heimat erstreckten sich über eine Länge von über zwanzig Metern im Treppenhaus des Neubaus, beginnend im vierten Stock und bis in den Keller reichend. Beim Vorbeigehen an dieser Arbeit entdeckte man immer wieder neue Aspekte. Maria Bussmann gestaltete, indem sie eine umfangreiche Sammlung von Einzelzeichnungen im gesamten Universitätsgebäude anbrachte. Diese Zeichnungen repräsentierten einen Ausschnitt ihres Oeuvres, der sich mit dem Titel Zum Sichtbaren und Unsichtbaren bei Merleau-Ponty verband, dessen philosophische Position sie zeichnerisch reflektiert. Die Präsentationsform innerhalb der Universität schuf einen Dialog zwischen Gegenwartskunst und Wissenschaft auch insofern, als die Kunstwerke Diskussionen innerhalb der Studiengemeinschaft geweckt haben, die spontan beim Vorbeigehen, wie es der Name der Ausstellungsreihe verspricht, entstanden sind.
Die Neuerscheinung des Buches, das nun diese Ausstellungsreihe reflektiert, eröffnet aufgrund ihres Zugangs in Form von zahlreichen Abbildungen in Verbindung mit theoretischen Texten auch Nicht-Wissenschaftler*innen die Möglichkeit, eine neue Perspektive auf künstlerische Arbeiten zu vermitteln. Bezeichnenderweise geschieht dies nicht anhand von ikonischen Kunstwerken an Museumswänden, sondern anhand von zeitgenössischen Werken, die im alltäglichen Leben in Linz zugänglich waren. Die Autor*innen zeigen, welche Erkenntnisse und Gedanken entstehen, wenn Kunst und Wissenschaft im Kontext einer Universität zusammenkommen, die ihre Schwerpunkte in Kunstwissenschaft, Philosophie und Theologie hat. Dabei beleuchten sie die Verbindung und Wechselwirkung zwischen diesen Disziplinen und erläutern, wie sich das Verständnis und die Interpretation von Kunstwerken verändern können, wenn sie aus verschiedenen fachlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Im Zentrum stehen also Kunstwerke, die durch diese interdisziplinäre Herangehensweise neue Wertschätzung erfahren. Das Buch richtet sich an Kunstinteressierte, die ein Betrachtungserlebnis von Kunstwerken suchen, das über traditionelle Denkmuster, abseits von etablierten kunsthistorischen Interpretationen, hinausgeht. Durch diese Herangehensweise erhalten Leser*innen einen frischen Blick auf die Kunstwelt, der neue Perspektiven eröffnet und die eigenen Denkweisen erweitert. Die Leser*innen werden angeregt, Kunst bewusster wahrzunehmen und durch theoretische Einsichten tiefere Verbindungen herzustellen. Dabei eröffnet sich das Thema, welchen Nutzen die Kunst für die Geisteswissenschaften haben kann, wenn sie geisteswissenschaftliche Diskurse herausfordert und nicht bloß als Ergänzung dient. Diese Herangehensweise öffnet neue Perspektiven und erweitert das Denken, sowohl in der Kunst als auch in den Geisteswissenschaften, und regt dazu an, die Potenziale dieses Dialogs weiter zu erforschen.

Zu guter Letzt ermöglicht die Publikation einen persönlicheren Einblick in die Welt der KU Linz. Die Gespräche mit langjährigen Mitarbeiter*innen sowie Erfahrungsberichte von Studierenden, die von Anfang an die Ereignisse der Ausstellungsreihe Im Vorbeigehen begleitet haben, bieten eine einzigartige Perspektive auf die Universität und das Miteinander vor Ort. Die Neuerscheinung ermöglicht nicht nur eine interdisziplinäre Betrachtung von Kunstwerken, sondern präsentiert auch Einblicke in die Erfahrungen und Geschichten der Mitarbeiter*innen und Studierenden der Ausstellungsreihe. Leser*innen können dadurch die Vielfalt und Bedeutung kultureller Projekte an Universitäten verstehen und schätzen. Oder sie können eine neue Perspektive auf eine Universität entwickeln, die durch lebendige Interaktionen und bereichernde Gespräche zum Leben erweckt wird.

 

Monika Leisch-Kiesl und Franziska Heiß: „Was sagt die Kunst? Gegenwartskunst und Wissenschaft im Dialog“, erschienen im Verlag transcript 2022; 340 Seiten, Softcover, 39,00 Euro, ISBN 978-3-8376-6136-1, erhältlich unter www.transcript-verlag.de oder in den Linzer Buchhandlungen.

Thematisierte Ausstellungsreihe „Im Vorbeigehen“:
ku-linz.at/kunstwissenschaft/veranstaltungen/ausstellungen/im_vorbeigehen

KU Linz ku-linz.at

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About the author

ist Kunstwissenschafts- und Philosophie-BA-Studentin.

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