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Abhilfe bei Frauenzeitschriften und Patriarchat

By   /  4. Juni 2020  /  No Comments

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Sarah Held fühlt sich grundsätzlich so gar nicht abgeholt von den üblichen, so genannten Frauenzeitschriften. Nachdem sie ausführlich berichtet warum, empfiehlt sie als lokalen Tipp für die Kennerin* der Materie oder für alle, die es werden wollen, das Gloss-Magazin.

Gloss Cover. Bild Gloss/Pangea

Ich hasse sogenannte Frauenzeitschriften, weil sie mir erzählen wollen, was sogenannte Frauen- und Männerthemen sind. Frauenzeitschrift, Frauenthemen – Frauen, Männer, sonst wird da niemand repräsentiert. Es ist das Patriarchat in der Nussschale, gezeigt am Beispiel von sogenannten Frauenthemen und der damit automatisch verbundenen Angst des Cis-Mannes, auch im – natürlich geglaubten – Habitat Zeitschriftenauslage ein Stück abtreten zu müssen.
Gern gehe ich in die Trafik oder in den Bahnhof-Zeitschriftenladen, wo mich innerlich immer so eine schöne, wohlige Hasstirade überkommt, die meinen ganzen Körper durchströmt, weil das Angebot so geil ist. Da fühle ich mich abgeholt und meine Interessen befriedigt. Das Angebot changiert zwischen Selbsttuning, Autotuning, Familientuning, Haustiertuning, Jugend-Tuning, was weiß ich denn, was es noch für Tunings gibt, Royals und noch viel abgründigeren Sachen. Ja, abgründig, so fühlt sich ein Blick in die Zeitschriftenauslagen an. Zeig mir deine hässliche Fratze, Mainstreamgesellschaft, materialisier dich in Form von Brigitte oder Blonde.
Manchmal, also ganz selten, frage ich mich, warum ich so angepisst bin. Bitte nicht falsch verstehen, es ist nicht so, dass ich grundsätzlich grantig oder griesgrämig drauf wäre. Ganz im Gegenteil, ich bin so voll die Lustige, aber trotzdem bin ich randvoll mit Hass. Nein, nicht die Art Hass, die Leute dazu bringt, andere wegen ihrer Hautfarbe zu hassen, oder die Sorte, die Leute dazu bringt, andere wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Begierden umzubringen. Mein ganz persönlicher und privater Hass besteht aus mehreren Schichten, zusammengesetzt sind diese von unterschiedlicher Dichte und Konsistenz. Quasi ein über Jahre gereiftes und gewachsenes Hasskonglomerat, das sich mit der Zielgenauigkeit einer Scharfschützin auf das Patriarchat richtet.
Wenn ich die Zeitschriftenregale so taxiere, frage ich mich: Wo sind Hefte in denen (feministische) Frauen, Femmes, Non-Binaries sich ungehemmt selber feiern können? Sind sie etwa unsichtbar in dem Wirrwarr aus gestählten Photoshop-Brüsten, öligen Motoren, den Diättipps von Prinzessin Herta von Absurdistan oder dem dargestellten nacktem/rohen Fleisch!? Es wäre ja einfach zu sagen: „Die übersieht man halt leicht!“ Aber das stimmt nicht, denn sie sind einfach so gut wie nicht vorhanden. Im Zeitschriftenregal genauso wenig repräsentiert und selbstverständlich wie in der Mehrheitsgesellschaft. In der gutsortierten Trafik oder dem Bahnhofskiosk eures Vertrauens, und damit meine in den W I R K L I C H gut sortierten, finden sich das Missy Magazin oder die Anschläge, aber dann ist auch schon Schluss mit dem Feminist-Content. Das ist doch zum Kotzen, ja genau so richtig zum Kotzen. Wo sind die richtigen Frauen*themen wie Kunst, Revolution, Subversion, Latex, Schallplatten, Kulturkritik, Politik machen, Spandex, Bodypositivity oder Eisenwaren?
Das bringt mich zurück zu meiner Hass­tirade. Wie es sich für eine ordentliche patriarchale Haltung gehört, haben die Typen doch eh bloß Angst, dass in Zukunft die Regale am Bahnhofskiosk, Premiumformate wie Beef (ja, das heißt wirklich so), BusinessPunk oder öde Männerbefindlichkeitsblätter, wie die Men’s Health zusammenrücken müssten. (Frauenzeitschriften gehören da auch dazu, die möchte ich aber nicht auch noch aufzählen.) In meiner Vorstellung läuft das dann ungefähr so: Oh nein, da kommt ein feministisches Magazin, wo sollen denn nun all die Viagra-Absatzförderungsmaßnahmen in Form von übersexualisierten Frauenkörpern, die an schlabberpenisbesitzende Herren mit kreisrundem Haarausfall adressiert sind hin!? Es geht hier nicht nur um Regale, sondern um ganze Läden voll mit Schundheftchen, die zwischen Haarimplantaten, Penisprothesen aka fette Autos und monströsen Grilllandschaften oszillieren. Das Programm wird eben dann unter anderem mit sogenannten Frauenthemen-Heften aufgepeppt, und da geht’s um Diättipps, Hetenprobleme oder Stylingtrends, alles auch schon wieder binär und stereotyp aus patriarchaler Perspektive. Visuell fühlt es sich an, als würde ich von allen Seiten mit Scheiße beworfen werden. Nun gut, ich verliere mich in meinem eigenen Rant. Was sind denn nun diese ominösen sogenannten Frauenthemen? Warum haben es diese schäbigen Blätter eigentlich scheinbar so einfach und werden von der Öffentlichkeit so unkritisch konsumiert? Eh klar, ne rhetorische Frage, ich habe ja schon mal was von patriarchal-kapitalistischen Strukturen gehört.
Was ist nun los, wenn ich keinen Bock habe zwischen einem Gros aus Kacke und Scheiße, bekannt als „Fachzeitschrift“, zu wählen? Nein, ich meine nicht, irgendeinen geilen Shit online zu bestellen, der für die örtliche Kundschaft nicht zugänglich ist, ich meine auch nicht irgendein zusammenkopiertes Cut’n’Paste-Zine. Oh, da fällt mir ein, ich habe bisher die sogenannten Musikzeitschriften „vergessen“, sowas wie die Intro (haha!), das Ox, peinliche Metal-Hefte oder so Dad-Rock-Schinken wie den Rolling Stone, ich habe es so satt. Diese ganzen Dudes schreiben Dude-Sachen für Dudes. Letztlich ist es im Zeitschriftenregal genauso wie in den meisten gesellschaftlichen Räumen, Dudes feiern sich ab – Zeitschrift gewordene Langeweile.
Worauf ich raus will, wenn feministische Themen doch schon so hip und kapitalisiert sind, dann bitte aber echt mehr! Gerne auch die „sperrigen“, nicht so richtig vermarktbaren Themen wie Frauen*morde, sexualisierte Gewalt oder Migration/ Flucht. Es wäre super, wenn ich im Laden zwischen mehr als zwei feministischen Magazinen auswählen könnte. Und mit diesem Wunsch wechsle ich zu positiven Ausnahmen, zu einem in Linz erscheinenden Magazin: Als lokalen Tipp für die Kennerin* der Materie, oder alle, die es werden wollen, empfehle ich das Gloss-Magazin. Es wird von Pangea – Werkstatt der Kulturen der Welt geframed und ein großes Team aus unterschiedlichen Leuten mit verschiedenen Backgrounds basteln an den Ausgaben mit. Basteln, auch schon wieder so’n stigmatisiertes sogenanntes Frauenthema, aber was weiß denn ich schon, ich bin ja nur eine kleine Feministin. Zurück zum Thema: Gloss erscheint nicht regelmäßig, kommt aber immer mit einem neuen Themenschwerpunkt raus, der feministisch gerahmt ist. Die Ausgabe Gloss IV, beispielsweise, verhandelte feministische Sichtweisen auf Medien und Gesellschaft. Neben vielen wechselnden Akteur*innen trägt in fast allen bisherigen Ausgaben der Verein Maiz etwas bei. Es macht Spaß, Artikel über die Dekonstruktion von Werbebildsprachen zu lesen und Nachahmungen von Models und Werbeposen aus Alltagsperspektive unter Nutzungsaspekten zu sehen. Die Hefte liefern eine interessante Mischung aus gar nicht so spaßigen bis sehr unterhaltsamen Inhalten an. Gut, dass dieses Jahr Gloss V erscheint, es wird sich mit der Themenwelt Krise aus der Perspektive von Frauen* und Mädchen* auseinandersetzen: „Das GLOSS-Magazin erscheint im Jahr 2020 in seiner fünften Ausgabe und widmet sich unter dem Titel Frauen*stimmen dem Thema Krisen aus feministisch-diskursiver Perspektive. Um dem Gefühl einer wachsenden Unzufriedenheit, Ohnmacht und dem Nichtstun in den gegenwärtig spürbaren Krisen entgegenzuwirken, baut diese Ausgabe auf bestehendes Wissen auf und schafft ein Sprachrohr für ein Sichaufbegehren und Die-eigene-Stimme-Finden“ (Vgl. Call für die 5. Ausgabe: pangea.at/de/programm/gloss-vol-v). Was Gloss auszeichnet, ist, dass die Betreiberinnen partizipativ und mit einem festen, gleichbleibenden Team an Beitragenden zusammenarbeiten. Das bringt viele Leute und Ideen zusammen und es wird auch in der kommenden Ausgabe sicher wieder ein buntes Potpourri aus Frauen*themen im Heft versammelt. Laut werden, Teil vom Diskurs sein, sich der Öffentlichkeit aus der eigenen Position zeigen und damit die eigene Perspektive auf Gesellschaft sichtbar machen, das ist die Devise von Gloss. In der nächsten Ausgabe werden auch wieder (feministische) Initiativen, Vereine und Einzelpersonen ihre ganz individuellen Schwerpunkte und themenbezogene Haltungen darstellen. Daneben wird es auch wieder eine Menge an künstlerisch-gestalterischen Werken geben, die das Heft so lebhaft auszeichnen. Zudem gibt es auch immer verschiedene Ansätze aus Kunst, Kultur und politische Themen. Besonders schön ist, dass sich Feminismen im 21. Jahrhundert auch dahingehend entwickelt haben, sich nicht mehr so stark über die Negierung, bisweilen Ablehnung von Femininität und stattdessen über Aneignung von vermeintlicher Maskulinität zu definieren. Gloss, Missy und Anschläge zeigen, dass durch die Genderbrille nicht nur Butler, Truman, hooks, Anzaldua, Davis und so gelesen werden können, sondern darunter auch ein fesches Make-Up getragen werden kann.

 

Alle vier Ausgaben des unregelmäßig seit 2013 erscheinenden Gloss-Magazines: pangea.at/de/gloss-magazine

GLOSS Vol. V wird diesen September erscheinen und im selben Monat bei einer Release-Feier präsentiert. Genaues Datum: Watch out, pangea.at/de

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About the author

lebt in Wien und hat über textile Interventionskunst zum Sichtbarmachen von sexualisierter Gewalt und Femicides promoviert. Zur thematischen Entspannung unterrichtet sie an verschiedenen österreichischen Universitäten  queer-feministische Pornografie. In ihrer Freizeit ist sie gern in Sachen Girl Gangs against Street Harassment unterwegs.

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