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Zum Rostigen Esel

By   /  2. März 2023  /  No Comments

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Viele Leute kommen, weil sie wissen, hier könnte es das Teil noch geben: Über Fahrradwerkstätten, kollektive Arbeit und die Herausforderungen auf zwei Rädern hat Magnus Hofmüller mit VertreterInnen des ersten Linzer FahrradmechanikerInnenkollektivs Zum Rostigen Esel gesprochen.

Magnus Hofmüller: Danke für die Möglichkeit zum Gespräch! Gleich zu Beginn: Eine kollektive Fahrradwerkstatt – wie kam es dazu und wie wurde die Idee geboren, wie schaut sowas aus?
Rostiger Esel: Max hatte in Wien schon einen Fahrradladen, der als Kollektiv funktioniert. Als er dann aus privaten Gründen nach Linz gezogen ist, hat er ein paar Leute aus dem Umfeld der Bike Kitchen* gefragt, ob wir nicht vor Ort eine solch kollektive Fahrradwerkstatt aufbauen und starten möchten. Es war im Jahr 2014, als wir mit der Planung begonnen hatten, und wir haben dann 2015 als Gruppe von 5 Personen begonnen. Das erste Geschäftslokal war in der Lessingstraße. Zu Beginn war es noch ein Einzelunternehmen mit Angestellten, wurde dann aber rasch zur Rechtsform der OG, der so genannten Offenen Gesellschaft – was einem Kollektiv viel mehr entspricht. Aktuell sind wir 7 beteiligte Personen an der OG, ein Lehrling und 2 Angestellte, die kurz davor sind, in die OG einzutreten.

MH: Eure Idee ist, dass alle MitarbeiterInnen auch Teil des Kollektivs sind und alle die gleichen Möglichkeiten und Anteile haben.
RE: Ja, genau. Dass alle gleich viel verdienen ist uns sehr wichtig. Im ersten Jahr gibt es aber so eine Art Probezeit in Form einer normalen Anstellung und auch zu einem fixen Stundensatz.

MH: Wie gestaltet sich der Alltag in einem Kollektiv von gesamt 10 Personen? Stichworte: Dienstplan, Geschäftsführung und so weiter …
RE:
Wir haben alle 2 Wochen ein Plenum innerhalb dessen wichtige Entscheidungen getroffen werden und viel besprochen wird. Der Dienstplan ist ein Kalender der „bespielt“ wird – keiner teilt Dienste ein. Er muss nur voll werden. Es gibt eine ungefähre Stundenpeilung jedes Mitglieds am Beginn des Jahres. Je nach Kapazität und persönlicher Planung. Je nachdem wird zwei, drei oder vier Tage pro Woche gearbeitet. Wir kennen ja unseren Gesamtbedarf an Stunden und können das dann gut einteilen und überblicken.

MH: Das heißt, der Anteil ist nicht in Stunden umgelegt, sondern kann individuell angepasst werden.
RE: Ja, das hat aber nichts mit dem Mitspracherecht zu tun, das ist uns besonders wichtig, jede Stimme zählt gleich viel. Egal, wieviel „Stundenleistung“ erbracht wird.

MH: Organisation?
RE: Der Bereich Organisation und Administration wird so gut wie möglich aufgeteilt. Der Backoffice-Bereich wird so gut wie möglich gestreut. Aber es wird auch je nach Vorlieben, aber auch Fähigkeiten intern verteilt. Und auch hier zählt die Stunde gleich: Egal ob Werkstatt, Organisation oder Office.

MH: Wie sieht das bei euch mit der Ausbildung aus?
RE: Wir haben Max mit einem Fahrradmechaniker-WIFI-Kurs, weil es bis vor zwei Jahren gar keine Möglichkeit für eine Lehre in diesem Bereich gegeben hat, und Gerald mit einer Fahrradmechatroniker-Lehre. Die anderen Teile unseres Kollektivs sind Autodidakten. Und nicht zu vergessen unseren Lehrling Veronika. Sie macht die Ausbildung von der Pike auf.

MH: Wo liegen eure Schwerpunkte auf Werkstatt und auf Shop Seite?
RE: Verkauf ist nicht unser Hauptschwerpunkt. Wir haben einen Teileshop, der möglichst effizient gehalten wird. Sättel, Schlösser und Ersatzteile stehen da im Vordergrund. Und natürlich alles, was zur Sicherheit und StVO gehört. Aber keine Kleidung, Fahrradtaschen oder ähnliches. Im Werkstattbereich machen wir mittlerweile alles – auch Tätigkeiten, die wir zu Beginn nicht im Angebot hatten. Das betrifft zum Beispiel Federgabeleinstellung, aber auch E-Bikes oder nachträgliche Elektro-Motorisierung von normalen Fahrrädern.

MH: Ein Fokus von euch sind ja auch Lastenräder – wie kam es dazu?
RE: Hier müssen wir Joe auf die Schulter klopfen. Der wollte Lastenräder in Linz verkaufen und wir haben ihn mal machen lassen. Im ersten Jahr ging es schleppend voran. Aber als 2016, 2017 die öffentliche Förderung von Lastenrädern beschlossen wurde, kam es zu einer deutlichen Veränderung. Da ging plötzlich mehr. Wir hatten nur zwei Vorführräder, ein Bakfiets und ein Bullitt. Und das Ladenlokal in der Lessingstraße wurde zu klein, wir mussten umziehen. Mittlerweile sind zwei Drittel des Shop-Umsatzes Lastenräder und seit fünf Jahren verdoppelt sich dieser jedes Jahr.

MH: Um drei Herausforderungen zu nennen: Corona, Lieferkette und Teuerung. Wie geht ihr damit um? Was betrifft euch besonders?
RE: Wir sind zu Beginn 2020 hier im neuen Ladenlokal in der Museumstraße eingezogen, hatten dann ab März gleich den Lockdown und wussten nicht, was wir durften und was nicht. Wir wurden dann aber recht rasch als systemrelevant eingestuft und durften öffnen. Und dann kamen die „Kellerräder“. Die Menschen haben im Lockdown ihre Wohnungen und Keller durchgeräumt. Es ist regelecht explodiert, wir hatten in diesem Jahr über 1000 Stunden mehr gearbeitet als im Jahr davor. Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ist völlig unzuverlässig geworden. Zum Bespiel mussten wir auf Ketten über sechs Monate warten. Wir sind aber auch gut im Improvisieren und haben ein Augenmerk auf Re-Use-Teile. Das macht uns auch unabhängiger. Viele Leute kommen, weil sie wissen, beim „Rostigen Esel“ könnte es das Teil noch geben.
Wir haben beobachtet, dass Fahrräder und das Drumherum nur 5% teurer geworden sind – also weniger als andere Güter. Also sind wir auch nicht so betroffen. Die Energieteuerung trifft uns fast gar nicht, wir brauchen wenig Strom und heizen mit Holz.

MH: Abschließend noch zum Randthema „Fahrrad und Linz“. Was meint ihr zur aktuellen Situation und zum Ausblick in die Zukunft?
RE: Linz ist eine Autopendlerstadt. Die Linzer Politik denkt, dass die Pendler aus den Umlandgemeinden ihre WählerInnen wären und nicht die LinzerInnen. Der Verkehrsfluss geht über alles. Es gibt kaum Schutz für RadfahrerInnen, keine Tempo-Kontrollen und Angst, Parkplätze umzuwidmen. Es fehlt einfach der Mut, Fahrradwege attraktiver zu machen und bei neuen Projekten den Fahrradverkehr auf Augenhöhe mitzuplanen. Linz ist hier wirklich nicht modern und auf der Höhe der Zeit. Es müsste einfach mehr Raum für alternative Verkehrskonzepte geschaffen werden. Hier wäre zum Beispiel die Nibelungenbrücke eine gute Möglichkeit.

MH: Danke für das Gespräch!

GesprächspartnerInnen: Die kollektiven Menschen des Rostigen Esels.

Fahrradwerkstatt Zum Rostigen Esel
Museumstraße 22, 4020 Linz
Montag bis Freitag 10:00–13:00 h, 14:00–18:00 h
www.rostigeresel.at

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About the author

ist Präsident von cycling matter – Club für Radfahren, Landschaft und Kultur und beschäftigt sich privat und ehrenamtlich mit eben der Trias aus Radfahren, Landschaft und Kultur.

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