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Vom Rauschen und Brausen

By   /  4. März 2022  /  No Comments

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Alexander Till zeigte Vom Rauschen und Brausen zuletzt als Diplom­arbeit. Objekte zwischen Malerei, Bildhauerei und Keramik treffen dabei auf einen Text, der sich gegen sein Geschriebenwerden wehrt. Aus Vom Rauschen und Brausen im O-Ton zitiert: Ein Teil der […] Texte ist aus einer Abwehrhaltung, man könnte sagen aus Ressentiment entstanden. Einem Ressentiment im Sinne von: ‚Seht, was passiert, wenn man die Sprache zwingt, sich um die Kunst zu wickeln.‘

Weiter heißt es: ‚Dementsprechend sind [die Texte] sicher nicht frei von Zynismen, endlos zerkauten Themen, […] Polemik, etc.
Und vielleicht als Widerstand gegen eine Welt, die sprachliche und politische Inhalte, Multimedialität, Interaktivität, Partizipation, etc, voraussetzt, hängen hier auch einfach nur Bilder & stehen Skulpturen herum.
Und die Aussage könnte sein: es ist genug.‘

Die Referentin hat nun gerade wegen diesem gegenläufigen Verhältnis von Kunst und Sprache Alexander Till eingeladen, einige Kapitel in dieser Ausgabe #27 zu veröffentlichen. Die Auswahl der Kapitel findet sich in Folge. Der gesamte Text sowie das titelgebende Manifest können online nachgelesen werden.

Das „Rauschen und Brausen“ ist übrigens dem Zitat entlehnt, das Wittgenstein seiner logisch-philosophischen Abhandlung voranstellt:

… und alles was man weiß, was man nicht bloß Rauschen und Brausen gehört hat, lässt sich in drei Worten sagen.

Zwischen ‚Unkonzept‘, ‚Abschiedsgruß der Sprache‘ und einem Kunst-Fundament, das sich eben niemals und nicht ‚in drei Worten sagen lässt‘ durchwaten wir hier nicht-deckungsgleiche Räume des Rauschens und Brausens, des Sagbaren und Nicht-Sagbaren und, wenn man so will, zwischen Subjekt und Objekt und sämtlichen anderen Dichotomien, die Alexander Till in seiner Arbeit zwischen bildender Kunst und Sprache erstehen lässt
(Alle Zitate: Alexander Till).

# Pflanzenwelt
Dieser Text muss damit beginnen, dass ihn das Werk nicht braucht, ebenso wie es mich nicht braucht.
Wofür könnte ihn das Werk überhaupt *brauchen*?
Wer den Text liest, kann beurteilen ob das Kunstwerk wichtig ist oder nicht. Da es heute viele Kunstwerke gibt, ist das notwendig.
Der Text enthält auch wichtige Informationen, die der Betrachterin Halt an der sonst inerten Oberfläche des Kunstwerks bieten. Er stellt klar, inwiefern das Kunstwerk sich auf sie und ihr Leben bezieht und schließt eventuelle Fehlinterpretationen aus.
In diesem konkreten Fall haben wir es mit vielen *organischen* Formen zu tun. Organische Formen verweisen auf die Pflanzenwelt, die wiederum auf das Klima verweist, das uns bekanntlich alle betrifft.
Folglich auch unsere Betrachterin.
QED
Das war einfach.
So ist auch ausgeschlossen, dass dieses Werk als rechte Propaganda missverstanden wird.
Darauf sollte man immer achten.

# Stärke
An der Unterseite ist mit Bleistift eine sechs oder neun geschrieben.
Ich richte das Regal wieder auf. Und den Couchtisch. Die Beine sind locker und weisen nach außen. Wie Bambi, das auf dem Eis kreiselt.
Es ist unbefriedigend viel Schleim mit wenig saugfähigem Material zu entfernen. Sich in das Gefühl fallen zu lassen funktioniert nicht, es fehlt etwas. Irgendetwas, dann ginge es. Wischen, falten, wischen, mehr schieben als binden.
Mancherorts ist es bereits verkrustet. Ich verwende den Ceranfeldschaber und mache einen Kratzer in die Edelstahloberfläche des Dunstabzugs. Auch in den Schiebeschaltern ist es fest.
Der Küchenboden ist weiß angestaubt. Ich versuche den Staubsaugerschlauch wieder zu befestigen. Es ist scheinbar ein Plastikschnapper abgebrochen. Ich suche Gewebeband. Es gibt nur transparentes Tixo in feinsten Streifen, verteilt auf mehrere fast leere Rollen.
Ich schiebe den Schleim mit dem Scheibenabzieher über den Boden. Der Schleim vermischt sich mit Haaren und Staub.
Etwas schabt über den Boden und ich hebe den Abzieher. Zwischen Boden, Abziehgummi und Haaren bildet sich für kurze Zeit eine transparente Haut. Ich bin wieder da.
Auf dem Parkett, in einen Spannungshügel gebettet, liegt etwas Kleines und Schwarzes. Ein Plastikschnapper.
Die Polstermöbel, werden die anderen sagen, muss man entsorgen. Ich glaube man muss sie nur nass reinigen. Oder warten bis man alles abbürsten kann, oder vielleicht ganz in Schollen herunterbrechen. Es ist immer leichter, wenn sich keiner einmischt.
Die Elektroden kann man wiederverwenden, sie kleben dann nur nicht mehr so gut.
Der Griff des Lötkolbens ist auch schon trocken. Die Fuge zwischen Hartplastik und Silikoneinlagen ist lückenlos gefüllt. Ebenso fünf Löcher der Steckplatine. Es ist auch etwas zwischen die Lötdrahtwindungen gekrochen.
Ich stelle den halbleeren Kartoffelstärkekarton wieder ins Regal. Auch den Salzsack. Die Edelstahlschüssel wird mit Wasser gefüllt, das muss erst einziehen.

# Begleitschreiben
Gerade vorhin, auf dem Weg zum Zug, hatte ich wieder eine Vorstellung davon, was ich zu sagen habe. Eine Frage, die sich zuallererst stellt: Wie tief soll das Hinterfragen reichen? Hinunter zu: *inwiefern braucht ein Kunstwerk einen Text?* Es scheint auf den ersten Blick folgendermaßen: ebensowenig, wie ein beliebiges großflächiges Gepinsel zwingend Freiheit bedeutet, führt ein bodenloses Hinterfragen notwendig in irgendeine tatsächliche Tiefe.
Der typische Pseudoboden eines Textes wie diesem wäre die Selbstreferenz auf Ebene der Aufgabenstellung. (bei der ich mich ehrlicherweise selbst immer wieder erwische) Also die Frage, inwiefern es überhaupt legitim ist, einen Begleittext, sozusagen einen Beipackzettel für ein Kunstwerk, vorauszusetzen. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage würde vielleicht zum Versuch ihrer Beantwortung führen, oder zu mehreren nur mit beliebigen Satzzeichen gefüllten Seiten, oder zum mehrmaligen Wiederholen eines einzelnen Satzes, oder ähnlichen Protestakten.
Während ich selbst der Ansicht bin, dass ein Kunstwerk definitionsgemäß auch ohne Zettel an der Wand funktioniert (es darüberhinaus weder einen Kontext braucht, noch aus „seiner Zeit heraus“ verstanden werden muss), kann ich die Forderung nach einer Erklärung aus pragmatischen Gründen verstehen. Sozusagen aus Gründen der Erwachsenenwelt.
Was ist dieses Erwachsensein? In einem Sinn, eine Abstumpfungserscheinung, (und es wäre falsch zu glauben es ginge hier darum ihr Gegenteil zu propagieren) eine Ermüdung, die sich nach dem wiederholten Stellen gewisser Fragen einstellt, und zu einem *weil es halt so ist* führt. Aber halt! Ist nicht genau dieses *weileshaltsoist* das Gift unserer Welt?
Vielleicht ist es mittlerweile wahrnehmbar, dass auch dieser Text, man erkennt es vielleicht schon am Tonfall, den Fängen des Zynismus nicht entgangen ist. Auch wir stehen mit allen Füßen noch fest in der unendlichen Bodenlosigkeit der Selbstreferenz. Wieder eine Sackgasse. Wie kommen wir da wieder raus? Einfach schreien? Irgendetwas Absurdes tun? Den Text verbrennen? Authentisch sein? Uns Ritzen? Unkontaminiert von den Manierismen jeglicher Expertise einfach drauflostanzen, bis sich die anfängliche Peinlichkeit in Begeisterung verwandelt und irgendjemand, der uns so liebt wie wir sind, zu klatschen beginnt?
Dünnes Eis.
Was eines Begleitschreibens bedarf, jedenfalls, ist nicht das Kunstwerk, sondern das Begleitschreiben.

# Verschwörungstheorie
Die Kunstuniversität ist in erster Linie eine Institution, eine verkrustete, bei genauerer Betrachtung, (hier wäre ein „jedoch“ fehl am Platz) eine perfekt funktionierende, sich selbst regulierende. (Man stelle sich eine Haftanstalt vor, in der bis in die Direktion die gesamte Belegschaft aus Insassen besteht.)
Niemand stellt Fragen, wenn in einer staatlichen Institution Protestworkshops veranstaltet werden. Auch nicht bei Kursen, in denen es darum geht, Manifeste zu schreiben. Manifeste für wasauchimmer, einfach um die Manifestenergie abzuleiten.
Auf diese Weise können sich eine Vielzahl an Personen bei minimalem Materialaufwand die Hörner abstoßen, um danach optimal in den Kulturbetrieb eingegliedert zu werden.
Wir lernen es Fahrräder zu reparieren, feministischen Krawall zu veranstalten und nebenbei auch noch ein paar individuell gestaltete Einrichtungsgegenstände an reiche Leute zu verkaufen. Auch Sprayer werden bei uns domestiziert, auf mobile Bildträger umgeschult und mit Awareness ausgestattet.
Allein das Reinigungspersonal wird bisweilen skeptisch, weshalb auch peinlich genau auf getrennte Aufenthaltszeiten geachtet wird.
Nur manchmal, wenn manche es mit dem Ausschweifen zu genau nehmen und zu den unmenschlichen Reinigungspersonalzeiten von diesem aus dem Atelier gekehrt werden, kommt es zu rätselhaften Begegnungen.

# Diode
Die Schienen der Straßenbahn verlaufen direkt durchs Gras, das hat etwas Utopisches an sich. Eine Welt, in der alles von Gras bedeckt ist, durch das man dann auf Schienen fährt. Beim letzten Gespräch wurde ich gefragt, was meine Erzählung ist. Tatsache ist, dass es keine Erzählung gibt. Zumindest noch nicht. Alles was es im Vorhinein gäbe, wäre eine langweilige Spekulation. Irgendetwas, um Bürokraten ruhig zu halten, ihnen das Gefühl zu geben es tue sich etwas, die Kunstmaschine liefe wie geschmiert. Die tatsächliche Kunstmaschine ist aber eher ein Verdauungstrakt, der ab und zu quantifizierte Blasen auswirft, wie eine Rauschdiode. Könnte ich mir irgendein Bauelement aussuchen, es wäre eine solche Rauschdiode. Da bekommt man wieder richtig Lust auf Elektronik. Wieder ein Beispiel dessen, wo­rum es geht: Wenn ich Schaltungen baue, weiß ich nie vollkommen, was ich eigentlich tue. Genau wie sonst auch. Maria Lassnig hat von der Malerei gesagt, sie sei eine Ur-Technik, also etwas, das absolut unkompliziert und direkt ist. Es ist interessant darüber nachzudenken inwiefern das tatsächlich der Fall ist.
Dass das Arbeiten mit elektronischen Schal­tungen eine unfassbare Industrie vor­aus­setzt, ist einleuchtend, allerdings ist die­se in unsere Welt bereits dermaßen integriert, dass man eben in jedem Straßengraben bereits einen alten Videorekorder findet, dass also diese immense Industrie bereits zu einem Grundbestandteil unserer Welt geworden ist. Ähnlich wie man als Malerin industriell hergestellte Farben wie Echtorange oder Preußischblau mit demselben Selbstverständnis verwenden kann.

 

Auszug aus „Vom Rauschen und Brausen“, 2. Auflage, Linz 2021, Alexander Till
Mit Hinweis auf den kompletten Text mit allen Kapiteln, insbesondere dem titelgebenden Manifest
„Vom Rauschen und Brausen“.
Online auf: alexandertill.at

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About the author

Diplom Bildende Kunst, Gründung des Kunstvereins „Blaues Haus“, 2021. Studienaufenthalt an der ESADMM in Marseille, 2019. Von 2016 bis 2021 Studium Malerei bei Ursula Hübner an der UFG Linz, Steinbildhauerei bei Gabriele Berger.

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