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Kunst, Feminismus, Oh!

By   /  1. Juni 2023  /  No Comments

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Die Art Lady besuchte den Film Daniel Richter und die Ausstellung What the Fem*? und trinkt am Ende Kaffee mit Mutter.

Oh my god, der Film Daniel Richter, wie skandalös! Ein Bub liebt Bilder aller Art, ein junger Typ ist in der linken Szene, produziert Bilder und fragt sich später, was Kunst ausmacht. Ein Mann malt, ein Mann spricht. Mittlerweile erwachsen und erfolgreich. Niedliche Papageien setzen sich in Richters Atelier auf seine Hand oder Schulter. Sozusagen mit Papagei am Kopf reflektiert Daniel Richter seine Kunst und den Kunstmarkt, während Auktionsszenen gezeigt werden, in denen es um Hunderttausende geht. Und dann taucht noch Wegbegleiter Jonathan Meese auf: Oh, es ist ein Skandal, dass wir machen, was wir machen! Oh, es ist ein Skandal, dass wir tun, was wir lieben! Oh! Oh! Ein bisschen meesisches Raunen und Krakeln, ein bisschen Clown herunterreißen und mit Kura­to­r:innen schäkern, während er eigentlich Raum okkupiert. Oh, ganz lustig! Der ernste, linke Richter und das selbstdeklarierende Entertainment-Muttersöhnchen Meese! Aber was ist die Story? Was inszeniert letzterer durch seinen Gastauftritt plötzlich wie ganz nebenbei? Zwei Typen denken und stolpern in der Kunst herum und es geht irgendwie immer erfolgreich aus. Das scheint das Lalala-Hahaha-Nebennarrativ zu sein. Es entwickelt wie nebenbei unangenehme Dominanz, ist aber nicht im Geringsten skandalös. Der eigentliche Skandal ist, dass im Gegensatz dazu immer noch kaum eine Erzählung über das künstlerische Schaffen von Frauen ohne das Hauptnarrativ auskommt, wie schwer es Künstlerinnen auf Grund ihres Geschlechts haben. Bei Frauen keine Spur von glücklichem Herum- und Hineinfallen in die nächste Gelegenheit à la Forrest Gump. Samt Pralinenschachtel-Philosophie, die Mama für ihren Sohn selbst gebacken hat. Und apropos Mama: Bei Frauen wirkt Mutterfixierung auch schnell pathologisch. Oh!

Das Problem ist benannt, tausendmal, zigtausendmal, endless. Die Art Lady wechselt also in die Ausstellung What the Fem*?. Dort geht sie in den Räumen herum, es sind zahlreiche feministische Werke und Arbeiten von Frauen gehängt. Und die Schau ist seit Beginn im November des Vorjahres gewachsen, befand sich bis zum Zeitpunkt ihres Endes am 28. Mai im Prozess der „feministischen Anreicherung“. Und zwar, wie es aussieht, der feministisch-aktivistischen Anreicherung. Also, stellen wir die Frage: Von welchem Feminismus reden wir? Und wir sagen: Feminismus ist immer aktivistisch und politisch, entwickelt neue Theorien und andere Bildästhetiken. So benennt die Ausstellung im ersten Raum die vier Wellen des Feminismus, jaja, machen wir das an dieser Stelle mal ganz flapsig in vier Worten: Blaustrümpfe, Kampfemanzen, Riot-Grrrls und das große NOW … jedenfalls eine HerStory durchtränkt von Aktivismus. In der Ausstellung zwischen den Kunstwerken finden sich zahlreiche, nach und nach zusätzlich hingeklebte partizipative Stellungnahmen, ganz viel Zustimmung für den Feminismus und teilweise Blicke auf die schlimme reale Welt da draußen. An anderen Stellen fällt eine ganze Serie von Interventionen und prozesshaften Selbstbefragungen auf, wie etwa Plakate, die unter dem durchlaufenden Claim „Wer putzt das kritische Museum?“ die Ausstellung kommentieren. Die Plakate machen Ansagen, wie: „Blinde Flecken – Wie als Migrant*innenorganisationen in ein fertiges Ausstellungskonzept zu intervenieren, das in seiner Entstehung und Umsetzung nicht nach Beiträgen von organisierten feministischen Migran­t*in­nen in Linz fragte“. Die Plakate sind gezeichnet mit „Black Queer & Trans Radical Feminism – Decolonising the Nordico“ und maiz und das kollektiv. Dann auch, wieder an anderer Stelle, eine selbstreflexive Stellungnahme des Museums, die in kritischer Selbstbefragung des Museums entstanden ist: „Aktivismus im Museum – Stehen wir wirklich auf gegensätzlichen Seiten? – Warum richtet sich Aktivismus auch ‚gegen uns‘? Wie ist eine offene Zusammenarbeit möglich?“. Tja, so oder so: Wie soll feministische Kunst jemals vom feministischen Aktivismus getrennt werden? Feminismus hängt nicht Bilder von Frauen an die Wände, geht aber natürlich sowieso auch, eh klar. Beides schließt sich keineswegs aus. Oh, und mitten am Sonntag, dem 14. Mai, als sie in der Ausstellung steht, fällt der Art Lady auf: Oh, Muttertag! What the Motherf**k! Und die Lady macht sich auf den Weg zu ihrer Mutter. Die wollte den Muttertag natürlich verheimlichen, weil sie ihn hasst. Die Lady besucht ihre Mutter aber doch. Wie zufällig, aber dennoch auch ein wenig zufleiß.

Sie beginnt der Mutter über ihren Ausstellungsbesuch zu erzählen. Und erläutert auf Nachfrage ihre eigenen Gedanken über die Unterschiede von Differenzfeminismus, der auf zwei Geschlechtern besteht, und etwa die geschlechtliche Fluidität des FLINTA*-Begriffs. Sie erzählt von denen, die das Geschlecht ganz wegdenken wollen, was wiederum die Differenzfeministinnen traurig finden … und ähnliches. Die Mutter schaut neugierig wie immer. Sie lebt aber auch nicht unter einem Patriarchen-Felsen. Und beginnt von ihrer Nachbarin und deren Familie zu erzählen. Das hört sich zuerst nach einer ziel- und endlosen Geschichte an, ohne jede Pointe am weiten Horizont. Die Story endet aber ganz plötzlich damit, dass das 12-jährige Enkelkind der Nachbarin transgeschlechtlich ist, es bezüglich seiner Entwicklung sehr schwer hat und in der Schulklasse im Moment diverse Gesprächsrunden stattfinden, im Sinne von Aufklärung, Respekt und Unterstützung. The Kids seem alright. So hört sich’s an, das stimmt hoffnungsfroh. Mit diesem kleinen Sonntags-Klatsch endet die Story: Oh, das emanzipative Potential! Oh, die offene Gesellschaft! Oh, der Feminismus! Oh, against all Odds!

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  • Published: 2 Jahren ago on 1. Juni 2023
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  • Last Modified: Juni 1, 2023 @ 10:50 pm
  • Filed Under: Kolumnen

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ist im Pseudonym angelegt und eine fallweise wiederkehrende Kolumne mit wechselnden Autor:innen und Autor:innengemeinschaften.

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