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„Ich mag alle meine Opfer gleich gern.“

By   /  5. Dezember 2018  /  No Comments

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Wenn Peter Klien auftaucht, sind PolitikerInnen nicht unbedingt erfreut. Sebastian Kurz ergreift sogar regelmäßig die Flucht vor dem Herrn in Anzug und Krawatte. Seit zwei Jahren stellt Klien den Außenreporter der ORF-Late-Night-Show Willkommen Österreich, ab Herbst 2019 bekommt er eine eigene ORF-Show unter dem Titel Gute Nacht Österreich. Zurzeit ist Klien mit seinem Kabarettprogramm Reporter ohne Grenzen auf Tour. Peter Klien im Interview mit Silvana Steinbacher.

Peter Kliens Fragen können sogar gecoachte PoltikerInnen aus dem Konzept werfen. Ein paar Beispiele: Klien zu Erwin Pröll: „Hat es Sie nie gereizt, in die echte Politik zu gehen?“, zu Viktor Orbán: „How do you like it in the West?“, oder zu Eva Glawischnig: „Wäre nicht alles anders gekommen, wenn Sie Herbert Kickl in der Oberstufe geküsst hätten?“. Was passiert, wenn plötzlich PolitikerInnen vor den Fragen des Journalisten zittern, beweist Peter Klien seit rund zwei Jahren.
Wer verbirgt sich hinter dem Satiriker und Kabarettisten ohne ORF-Mikrophon, denke ich, als ich zu unserem Interview kurz vor Beginn seines Kabarettprogramms unterwegs bin. Schließlich kenne ich den einen oder anderen Kabarettisten, der, wenn er die Bühne längst verlassen hat, nur pseudolustige Sprüche von sich gibt. Aber Peter Klien ist da komplexer angelegt, nicht nur als rotzfrech Fragender und Kabarettist, sondern auch als ehrenwerter Altphilologe, der gerne in vergangenen Jahrtausenden schwelgt. Ob ihm da die schnöde Politik noch lange genügen wird?

Wenn man mit Ihnen ins Gespräch kommt, kann man leicht in die Falle tappen. Dieser Ruf eilt Ihnen jedenfalls voraus, muss ich vor Ihnen auf der Hut sein?
Nein, denn in dem Fall stellen Sie ja die Fragen, und ich muss auf der Hut vor Ihnen sein. Ich bin hier ja als Privatperson, insofern kann man mit mir auch ganz normal reden.

Sie legen sich’s gern mit den Mächtigen an, was fällt Ihnen derzeit beim Stichwort Macht und Politik ein?
Macht ist die zentrale Kategorie. Entweder will man sie erreichen oder verteidigen. Mir ist aufgefallen, dass es hundertmal weniger um Inhalte geht, als ich je geglaubt habe, und insofern geht wenig weiter. Es dreht sich fast alles um Machterhalt, um Personen, die man mag oder nicht mag. Es ist eine in sich gefangene Blase. Im Vordergrund stehen Intrigen, Eitelkeiten, Beziehungen, Rache.

Sie sind seit 2016 Außenreporter der ORF-Late-Night-Show Willkommen Österreich. Könnte ihr schneller Erfolg auch am Bedürfnis vieler liegen, innerhalb einer politischen Verdrossenheit über die Zustände lachen zu können?
Das spielt sicher mit, denn normalerweise wird einem immer etwas von oben herunter erzählt. Und dann komme ich und drehe den Spieß von oben nach unten um. Das ist ein wenig revolutionär und anarchistisch. Da schwingt schon die Befriedigung mit, dass da einer von den „Oberen“ einmal eine verbale Ohrfeige kriegt.

Sehen Sie Ihre Arbeit auch als subversiven Akt?
Ja auf jeden Fall, es war zwar nicht in erster Linie so geplant, mir geht´s auch stark um die Komik, indem ich eben auch Unerwartetes frage. Ich bin Satiriker und will Spaß bereiten, aber es ist natürlich besonders lustig, wenn ein Mächtiger in ein Fettnäpfchen tritt.

Insofern bieten Ihre Fragen genügend Identifikationsflächen für den Einzelnen.
Sicher. Gerade die ÖsterreicherInnen sind ja ein obrigkeitshöriges Volk, ich denke das hängt auch noch mit dem Kaiserreich zusammen, dem Beamtenstaat. Öffentliche Figuren genießen immer noch zu großen Respekt, umgekehrt schimpft man aber über sie. Die Unzufriedenheit entfesselt sich in meinen Interviews, da freuen sich die Leut’.

Haben Sie den Eindruck, dass manche österreichischen JournalistInnen nicht hartnäckig genug ihre Fragen stellen?
Nicht alle und nicht immer natürlich. Das Problem ist vermutlich die Kleinheit unseres Landes, wo jeder jeden kennt. JournalistInnen kennen die PolitikerInnen oft über einen professionellen Kontakt hinaus, sitzen mit ihnen manchmal beim Heurigen, da ist es natürlich schwierig, sie am nächsten Tag verbal anzuschießen. Ich glaube, es liegt schon auch an der Verhaberung, und an der Angst vor Konsequenzen.

Empfinden Sie es nicht als deprimierend oder entmutigend, innenpolitisch immer auf dem neuen Stand sein zu müssen?
Ich bin kein News-Junkie und empfinde es in erster Linie als anstrengend, ständig die Nachrichtenticker im Auge haben zu müssen. Politisch gesehen bin ich abgeklärt, erwarte mir nicht mehr allzu viel.

Da klingt aber sehr viel Resignation des Satirikers durch.
So würde ich das nicht bezeichnen, aber ich konnte doch erleben, wie wenig es um Inhalte geht.

Welche Situation war Ihr persönliches Highlight?
Da gibt’s gottseidank einige. Das erste Mal (Anm.: erster Wahlgang der Bundespräsidentenwahl) war schon toll, weil es meine Form des Interviews in Österreich noch nicht gegeben hat. Auch als ich Erwin Pröll mit meinen rotzfrechen Fragen gekommen bin und er überhaupt nicht gewusst hat, wie ihm geschieht, oder auch die Situation mit dem Generalleutnant am Heldenplatz. Das Bundesheer ist immer ein herrliches Ziel von Satire.

Vermutlich auch durch das Zeremoniell.
Ja, es kommt alles so respekteinflößend daher und führt sich dann so seltsam auf und dumm eigentlich.

Welcher Politikertyp reizt sie denn besonders?
Ich mag alle meine Opfer gleich gern! Ich versuche jedem Politiker, jeder Politikerin und jeder Partei die Schwächen zu entlocken, so bin ich immer neu herausgefordert.

Sie würden sich Donald Trump als Interviewpartner wünschen, soviel ich weiß.
Wär schon super. Das Schöne ist ja, dass er so in seinen Emotionen und Gedanken aufgeht, ohne Reflexion, ohne jede Abfederung.

Gibt es Politikertypen, bei denen Ihnen fad wird?
Ja, die Mitläufer. Menschen mit Kanten sind ja auch für Karikaturisten interessanter. Diejenigen, bei denen ich keinerlei Kanten bemerke, sind schwer zu fassen. Wenn sich einer von einem Amterl zum nächsten mitnehmen lässt, ist das nicht besonders spannend.

Dann gibt es ja auch noch diejenigen, die zwar keine Mitläufer sind, aber regelmäßig davonlaufen wie Sebastian Kurz.
Ja, das ist natürlich eine ganz eigene Geschichte, aber auf diese Weise weiß er, wie es sich anfühlt, ein Flüchtling zu sein.

Beim FPÖ-Wahlkampfauftakt der Nationalratswahl 2017 ist Ihnen Herbert Kickl sehr nahe gekommen, und zwar im wörtlichen Sinn, indem er sie mehrmals zur Seite gestoßen hat. Was haben Sie anschließend mit Ihrem Anzug gemacht?
Den bringe ich sowieso regelmäßig zur Reinigung. In diesem extremen Fall habe ich mein Ziel erreicht, wenn meine Fragen so eine Reaktion hervorrufen, schließlich würde ich ja leiden, wenn das Gegenüber meine Fragen ignoriert. Aber das mit dem Kickl war schon eine besondere Situation, ziemlich grenzüberschreitend, aber als Satiriker hab ich innerlich gelacht.

Im September 2018 wurde eine E-Mail des Ressortsprechers des Innenministeriums an die Kommunikationsverantwortlichen der Landespolizeidirektionen publik, in der vor bestimmten Medien gewarnt und empfohlen wurde, die Zusammenarbeit mit diesen auf ein Minimum zu beschränken. Was sagt der Privatmensch Peter Klien dazu? Ist Ihnen kurzfristig der Humor vergangen?
Ja, da wurde schon eine Grenze erreicht, wo man aufstehen und sagen muss, so geht’s nicht. Es geht nicht immer nur mit satirischen Mitteln, manchmal muss man auch ernsthaft protestieren. Natürlich gibt es auch sonst Situationen, in denen ich mir denke, hier müsste ich mich ernsthaft zu Wort melden oder irgendeine Aktion setzen.

Kann ja noch werden, wenn Sie etwa an den früheren Kabarettisten Beppe Grillo in Italien denken, was immer man von ihm halten mag. Würde Sie perspektivisch eine politische Funktion reizen?
Dieser Trend des ehemaligen Kabarettisten als Politiker ist ja quer durch Europa zu sehen, der neue slowenische Ministerpräsident war früher auch Kabarettist. Also ausgeschlossen ist gar nichts.

Sie stehen als Kabarettist schon lange auf der Bühne, in welcher Situation fühlen Sie sich sicherer: mit dem Mikrophon in der Hand oder auf der Bühne?
Seit meinem Außenreporter-Dasein ist es für mich als Kabarettist viel leichter geworden. Früher war ich einer von vielen. Wenn man beginnt, muss man sich erst einmal durchkämpfen, das Publikum lehnt sich zurück, so unter der Devise: Zeig mal, was du kannst. Jetzt bin ich eine öffentliche Figur und wenn ich auf die Bühne komme, muss ich mir die Sympathie nicht mehr erkämpfen, das ist schon ein großer Vorteil.

In einer Kritik stand angesichts Ihres jetzigen Programms, Peter Klien sollte sich für die Bühne etwas anderes überlegen. Sie sind ja als Außenreporter gut im Austeilen, wie gut sind Sie im Einstecken, wenn es um Ihre Person geht?
Nicht nur gut, bei Kritik ist jeder empfindlich. Ich sehe auch, wenn es negative Kommentare im Internet gibt, aber damit muss ich leben. Was mich bei dieser Kritik allerdings gestört hat, war, dass die entsprechende Journalistin nicht gut recherchiert hat, denn es war mein viertes Programm und nicht mein erstes, wie sie geschrieben hat. Das sollte eine Journalistin wissen, wenn sie Kritik übt.

Sie bezeichnen sich als ergebenen Platon-Jünger. Welche Frage würden Sie Platon stellen?
Welche Frage? Da haben Sie mich jetzt aber wirklich kurz drausgebracht, denn das hab ich mir noch nie überlegt. Ich bin nur daran gewöhnt, ihm zuzuhören. Ich gebe mich damit zufrieden, ihm zuzuhören.

Sie lehren auch an der Universität Wien. Erwarten Ihre Studierenden bei Ihren Vorlesungen auch Ihre satirische Seite?
Ich denke schon, dass viele Studierende enttäuscht sind, dass es bei meinen Vorlesungen nicht lustiger zugeht. Natürlich könnte man die antike Philosophie auch komisch präsentieren, aber ich möchte das nicht, für mich ist es eine ernste und ernstzunehmende Sache, und so will ich es auch vermitteln.

Niemand kann besser und pointierter Fragen stellen als Sie, und so bitte ich Sie gegen Ende unseres Gesprächs um eine Frage von Ihnen. Ich laufe sicher nicht davon.
Dann frage ich Sie, wo ich als nächstes hingehen soll?

Ich fände Pamela Rendi-Wagner interessant.
Zum Parteitag der SPÖ Ende November also. Ein guter Tipp.

 

Von Peter Klien am 19. 09. 2017 veröffentlicht
FPÖ-Wahlkampfauftakt, NR-Wahl 2017 / Willkommen Österreich www.youtube.com/watch?v=11FVHcVceOE

Peter Klien, Reporter ohne Grenzen –
Termine: www.peterklien.at/termine

Anmerkung der Redaktion: Peter Kliens Besuch des SPÖ-Parteitages hat nun bereits stattgefunden und wurde am 27. November bei Willkommen Österreich gesendet.

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About the author

ist Autorin und Journalistin.

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