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Ein Mann, der gerne noch was werden möchte.

By   /  1. Dezember 2017  /  No Comments

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Oberösterreich ist um ein unwürdiges Schauspiel zum Thema „Frauen und Führungspositionen“ reicher. Wie es in einer Aussendung des Landeshauptmanns und Kulturreferenten vom 20.11.2017 hieß, „wird der Vertrag auf Wunsch von Dr.in Gerda Ridler in beiderseitigem Einvernehmen vorzeitig aufgelöst.“ Eingeleitet von dem Satz: „Vor dem Hintergrund der anstehenden Neupositionierung der einzelnen Kulturinstitute und Häuser des Landes Oberösterreich.“ – ein Satz, der hier so unangebracht wie nur irgendwie möglich ist. Denn die „anstehende Neupositionierung“ – wie es der Satz insinuiert – als solche hat wohl kaum damit zu tun, dass die Leiterin das Haus verlässt. Wohl aber die Informations- und Kommunikationsfehlleistungen, von denen die Neupositionierung begleitet wurde. Am 8. November war in einer Tageszeitung zu lesen, dass ihr Vertrag wohl nicht mehr verlängert werde. Bereits davor war hinter vorgehaltener Hand zu hören, dass der Lenkungsausschuss, der für diese Neupositionierung eingerichtet wurde, sowohl ohne Gerda Ridler (wie offenbar zum aktuellen Zeitpunkt ohne jede andere Expertin mit internationaler Expertise) besetzt werden würde. Über Zeitpunkt und Inhalt der Veröffentlichung der Neupositionierungspläne war sie als wissenschaftliche Direktorin laut OÖN vom 5. 10. nicht eingeweiht. Derartige Kommunikationsaussetzer „passieren“ nicht einfach. Sie haben Struktur, sie haben System, sie haben Absicht. Machen wir uns nichts vor: egal, in welche Positionen Frauen kommen und vielleicht noch kommen werden, überall sitzen sie schon – jene Männer, die es sich in den vergangenen Jahrzehnten dort gemütlich gemacht haben, gut vernetzt sind und sich abgesichert haben – wenige durch außerordentliches Talent, immense Anstrengung oder den Willen mehr als andere zu geben, viele durch das gegenseitige Wissen um die Leichen in den Kellern der jeweils anderen und brüderliches zur-Seite-Stehen, sollten die fragilen Konstrukte des Machterhalts bedroht werden.

Und jede kluge Frau ist so eine Bedrohung.

Eine Kleinstadt wie Linz und ein Bundesland wie Oberösterreich eignen sich ganz wunderbar für solche Spielchen. Da gibt es viele Leichen, eine Handvoll Clubs, denen man(n) beizutreten hat, viel Mittelmäßigkeit und immer was zu tratschen. Um Inhalte geht es längst nicht mehr, nur noch darum, die höchstpersönlichen Anliegen am geschicktesten zu verkaufen.

Das vorgegebene Regelwerk ist klar: Gesicht zu Markte tragen, Smalltalk-affin sein. Sich überall blicken lassen und zu allem was zu sagen haben. Immer wieder ein freundliches Gesicht auch zu noch so derben Schmähs machen, mitspielen halt. Sich nicht so anstellen. Nicht zu viel und nicht zu lange nachdenken. Wer dieses Regelwerk missachtet, ist quasi selbst schuld, wenn sie sich den Unmut der Honorigen zuzieht. Da heißt es dann: ihr Hang zur Selbstdarstellung sei zu wenig ausgeprägt gewesen. Spannend, wie wir immer noch dazu tendieren, Erklärungen für das Geschasst-werden nicht bei denen zu suchen, die schassen, sondern bei denen, die geschasst wurden. Schon vor Jahren stand eine Direktorin in der Kritik bei Politik, Tourismus und Medien, nicht etwa, weil ihre Ausstellungen zu wenig Qualität zeigten oder zu wenig Internationalität in die Stadt gebracht hätten, sondern schlicht, weil sie zu unnahbar gewesen sei, den lokalen Größen zu wenig geschmeichelt habe. Sie hat nicht in das Linzer oder Oberösterreich-Konzept einer Frau in Führungsverantwortung gepasst. Weil sich damals kaum noch jemand traute, das öffentlich und als Begründung für die ablehnende Haltung einer Museumsleiterin gegenüber kundzutun, wurden Besucher_innenzahlen hervorgekramt, die den plötzlich recht hohen Anforderungen der Politik nicht entsprachen. Heute ist nicht einmal mehr von dieser Scham etwas übriggeblieben. Unverhohlen werden bei Besprechungen, Eröffnungen oder auf Bühnen wieder Witze gegen Frauen gemacht, wird auf die Nennung, Würdigung oder Einladung von Frauen vergessen – ungeachtet ihres Verdienstes an dem zu Eröffnenden – worauf an anderer Stelle und am Beispiel von Dagmar Schink, Geschäftsführerin des Valie Export Centers bereits hingewiesen wurde. Es geht allerdings immer noch ein Stück tiefer: als mir eine Freundin erzählte, wie unverhohlen frauenfeindlich ihr gegenüber sich ein hochrangiger Landesbeamter äußerte, konnte ich es kaum glauben. Im Sinn von: sie wissen nicht – oder vielmehr schon –, was sie sagen, und fühlen sich auf jeden Fall unendlich sicher. Dass das nicht so gut ankommt beim weiblichen Gegenüber: Drauf geschissen quasi und tatsächlich, es ist wieder die Rede davon, was Frauen dürfen, was sie dürfen sollen und was Männer nicht wollen, dass sie dürfen. Genierer gibt’s kaum noch. Mir waren die Zeiten lieber, in denen sie sich für solche Aussagen und politischen Handlungen noch geschämt haben. Heute regieren teflonartige Politiker, an denen alles abperlt, die keine Regung oder Scham zeigen, wenn sie Kulturvereine, Künstlerinnen und Künstler, berufstätige Mütter und Väter so mit Sparsanktionen belegen, dass kaum noch Zeit zum Aufbegehren, Lesen und Denken bleibt. Oder wenn sie eben Frauen in Führungspositionen ohne jegliche fachliche Begründung abdrängen. Und Gerda Ridler ist womöglich nur die erste von einigen hervorragend arbeitenden Frauen, die nun wieder Platz machen müssen – einvernehmlich natürlich – für einen Mann, der so gerne noch was werden möchte in diesem Bundesland.

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  • Published: 6 Jahren ago on 1. Dezember 2017
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  • Last Modified: Dezember 2, 2017 @ 12:24 am
  • Filed Under: Kolumnen

About the author

wiltrud katherina hackl forscht zu und schreibt über konstruktionen von weiblichkeit und wasser und ist aktuell als universitätsassistentin an der kunstuni linz tätig, wo sie u.a. zu flüssen als orte der erinnerung lehrt. für ihr projekt „die flüssin“ sammelt sie geschichten von und mit flüssen. wiltrudhackl.com

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