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Stolz auf Stolz.

By   /  1. September 2018  /  No Comments

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Mit meiner Freundin war ich in der Altstadt, wir sitzen an einem lauen Abend draußen. Ein Mann kommt zu uns her mit den Worten: „Entschuldigung, ich bin schon ein wenig betrunken, darf ich mich kurz zu euch setzen, ich werd auch nicht stören“. Wir nicken, schaut nicht so schlimm aus, weiter: „Entschuldigung, ich möchte nicht stören, aber worüber habt ihr gerade geredet, ich bin gleich wieder weg“. Wir schauen ihn an und sagen: „Filme aus den siebziger Jahren, Rocky und Saturday Night Fever“, und er: „Interessant, ich bin zwar betrunken, nichts für ungut, aber geht’s um den Inhalt oder wie man sich erinnert?“. Ich sage: „Hm“ und sehe ihn an und er meint plötzlich geradeheraus: „Es gibt ja Menschen, die meinen, es gibt jüdische und nicht-jüdische Filme“ und ich: „Bist du wahnsinnig?“. Seine Augen zucken weg und stattdessen ein Ausweichen, wie vor einem grade noch verhinderten Auffahrunfall und er meint, dass niemand mehr Feindbilder habe. Meine Freundin fragt: „Brauchst du Feindbilder?“. Er: „Jeder reagiert auf Reizwörter“, hier brauche er nur etwa „Erdogan“ zu sagen, woanders halt was anderes usw. Was alles im Netz stehe, man könne sich das gar nicht vorstellen usw. … alles im agitierten Ton … und dann kommt grade eine Kupfermuck’n-Verkäuferin, der wir zwei Euro spendieren, was er, der angeblich Betrunkene dann auch macht, ein Verhalten namens Anpassung, Tarnverhalten möchte ich sagen, denn ich nehme ihm seine Betrunkenheit mittlerweile nicht mehr so ganz ab. Ich habe den Verdacht, dass er ein Identitäts-Organisierter ist, denn die Frage nach dem jüdischen- und nicht-jüdischen Film ist so was von deppert bis ungeheuerlich, dass einem das Hirn stehen bleibt. Ich möchte das herausfinden. Aber er verwickelt die obdachlose Frau in ein Gespräch, sagt so etwas wie: „Du regst dich nur auf, dass die anderen dir Unrecht getan haben, du musst selbst was machen“, uswusw. Amikal lädt er sie ein. Meine Freundin, die meine Gedanken liest, flüstert mir währenddessen zu, dass sie eher glaube, dass dieser Typ so eine Art Traumatisierter sei, der den Blödsinn aufgeschnappt habe und geradezu zwanghaft das Gesagte wiederholen müsse, „weil so ein Vollschas weder emotional noch rational verdaut werden kann“, flüstert sie, eben quasi wie eine ideologische Traumatisierung. Ich frage mich kurz, ob SIE die Besoffene ist. Wir sehen ihn jedenfalls an, als er aufspringt und gehen will. Unerwartet sagt er wirklich: „Es tut mir leid. Was mich aber echt aufregt, ist diese Brücke vom Pöstlingberg zum Freinberg. Sollen da die Tiere vom Linzer Zoo drübergehen, oder was?“. Wir sind etwas ratlos, ein Brücken- wie Grenzgang das alles, wir wissen es nicht. Geben ihm aber trotzdem mit: „Du erholst dich schon wieder. Lass dich nicht verarschen“. Tatsache ist, dass es kursiert. Der Umstand, dass man wieder Antisemitismus hört auf den Straßen unseres Landes, ist schockierend. Er sitzt wie ein Krönchen auf alle anderen Menschenhasser-Ideologien. Dieser geschürte Hass ist unerträglich. Diese Dummheit tut weh. Ein anderes Beispiel, auch eine Freizeitsituation, meine Freundin erzählt es mir ein paar Tage später: Am Donaustrand torkelten zwei Vollbesoffene heran, diesmal wirklich Betrunkene und haben gerufen: „Jetzt kommen sie über die Grenzen, sie überrennen uns, jetzt kommen sie, sie greifen uns an“, dann geben sie den Juden Schuld (inklusive, was man mit ihnen machen sollte) und kurz darauf später beschimpfen sie eine schwarze Frau (als was, schreibe ich hier auch nicht). Vollbesoffen, ja. Die Menschen rundum sind befremdet. Meine Freundin war mit einem Freund bei der Donau, er wiederum hat Gäste aus dem Ausland dabei, die den Sommer über an einem FH-Projekt arbeiten. Sie waren entsetzt von dieser Situation. Diese Dinge kursieren im Fahrwasser von Identitätsgelaber und Heimatpartei, sind entfesselt von oben, durch eine Politik, die diese Dinge schürt. Sagt der Freund zu seinen Gästen. Schließlich treffen sich unsere Politiker mit internationalen Rechtsextremen, sagt jemand am Donaustrand noch, und: „Da können wir echt stolz sein“. Er sagte plötzlich fast schon hysterisch kichernd, erzählt sie, nämlich von wegen Banalität, Stolz und seine Gäste: „Die haben ja bei dieser Stolz-auf-Linz-Busen-Kampagne schon aufgeschrien vor Peinlichkeit, das war das Erste, was ihnen hier aufgefallen ist – negativ. Dieser ganze Aufwand der Stadt, für so eine Null-Aussage, was hat denn ein Busen mit Politik zu tun usw.“. Stimmt schon, Politik, Badestrand, Holz vor der Hütte, Rechtsextremismus – es ist anscheinend alles echt schwer auseinanderzuhalten, ja eh … sagen wir jetzt, very dry. Dazu kommt noch die Leistungsbereitschaft, darüber reden wir auch noch. Manche der politischen Verantwortlichen und Wirtschaftsträger scheinen wieder einen Klassenkampf entfesseln zu wollen. Man diskreditiert wieder, nicht nur die Schwachen, auf furchtbar überhebliche Weise, sondern gleich alle – zum Beispiel als faul und dumm. Elitengequatsche. Darüber reden wir. „Das gute alte ‚Teile und herrsche‘“, sagt meine Freundin, „in Seilschaften hängend, das gute neue Einpeitschen und Auspeitschen für die neue Zeit“, sage ich. Heimat meint Haltung – so heißt es neuerlich wieder – und währenddessen saufen die Menschen ab. Wir sitzen in einem Gastgarten in der Altstadt. Sie sagt nochmal zum Abschluss: „Es ist wie in den dreißiger Jahren, nur, dass nicht alles schwarz/weiß ist, wie in den Nazi-Dokus, sondern in Farbe.“ Na dann, Prost Mahlzeit. Stolz auf Stolz.

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  • Published: 6 Jahren ago on 1. September 2018
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  • Last Modified: Dezember 4, 2018 @ 4:36 pm
  • Filed Under: Kolumnen

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ist Zugereiste und war in der identitätsstiftenden Altstadt und am heimatlichen Eliten-Donaustrand.

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