Wir halten als Chronistinnen fest: Menschen sind nach den Wahlen herumgegangen wie mit einem Kater aufgewacht. Verweinte Augen, resignierter Unglaube, kalte Wut. Die Gewinner, alias Fossilköpfe, sind zwar dem Untergang geweiht, aber bis dahin destabilisieren sie, was geht; bis dahin reißen sie alles mit in ihren destruktiven Abgrund, was lebt. Wir fragen uns: Wer räumt danach die Welt auf? Oder was dann übrig bleibt. Ohne Worte. Was die USA betrifft, hier festgehalten, bekannt und nur fürs Protokoll: Staatsanwältin verliert gegen verurteilten Verbrecher, der zum Sturm aufs Kapitol aufgerufen hat. Was Österreich betrifft: Volk wählt Volkskanzler, und eine Serie von Einzelfall-Tätern und Skandalen, die nicht mehr der Rede wert scheinen. Man wollte zwar einst in Ibiza ganz Österreich verschachern, oder hat mit dem BVT quasi den Karren voll in den braunen Gatsch gefahren, gibt sich neuerdings aber wieder staatstragend. Vielleicht ist das im neo-religiösen Wording a la „euer Wille geschehe“ so zu verstehen: Man möchte sich den Staat untertan machen.
Also, der Staat als Unternehmen. Trainingslager Leitkultur. In den USA grölen bereits designierte Minister auf den Bühnen, sie kommen u. a. von machtzentrierenden Technologie-Unternehmen, ballern mit ihren Egos herum wie toxische Clowns. Und noch viel mehr Desaster, klar. In Österreich laufen noch Koalitionsverhandlungen, und auch wenn diese ohne Herbert gelingen werden: Rechtsruck auf Rechtsruck. Die Weltbühne fühlt sich an, als würde permanent ein Stück vom anderen bröckeln.
Wir wechseln damit zu den Inhalten dieser Ausgabe: Im Herbst wurde das 30-jährige Jubiläum von maiz unter dem Motto „Kollektive Verantwortung – die Welt braucht uns!“ gefeiert. maiz, Verein von und für Migrant*innen, hat dazu einen Text verfasst, in dem festgehalten wird: „Unser Programm entstand aber auch inmitten tatsächlicher und diskursiver Kriege in der Welt, die immer mehr zur unaufhaltsamen Belastung der Erde und Menschenrechte werden.“
Mit dem Fokus auf die kleine, aber fokussierte Ausstellung Cache, die aktuell im Lentos zu sehen ist, beleuchten wir die Arbeit von vier Künstlerinnen und Arbeitsstipendiatinnen des Valie EXPORT Centers – Katrin Mayer, Anne Glassner, Claudia Larcher und Tabea Borchardt. Sie haben uns Beiträge zur Verfügung gestellt – künstlerische Arbeiten, die sozusagen im Cache zwischen Valie EXPORT und den eigenen Positionen, zwischen Vergangenheit und Gegenwart entstanden sind. In diesem Zusammenhang ein Vermerk auf die in dieser Referentin 38 auch an mancher Stelle etwas ausbrechenden Textformen: Sowohl bei der bereits oben genannten Katrin Mayer als auch beim Brucknermaterial-Beschwörer Florian Neuner finden sich experimentell-lyrische Formen, die sich inhaltlich und formal aus den jeweiligen Kontexten anreichern.
Und dann bleibt noch der kurze Überblick aufs wie immer selbst zu Erlesende: Über die zerquetschte und zerstörte Seele, oder auch über Mystik als revolutionäre Kraft schreibt Andreas Gautsch. Bei der Eröffnung des Denkmals 5 vor 12. Unerhörter Widerstand von Sabrina Kern und Mariel Rodriquez war Silvana Steinbacher. Christian Wellmann hat wieder einmal bei Time’s Up nach den Zukünften gefragt. Und Theatertourist Ralf Petersen hat sich in zwei Texten auf nächtliche Recherche in die größeren Linzer Theaterräume begeben. Dazwischen Kolumnist:innen und Zeichner:innen.
Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass in Linz im Herbst die Erstellung des neuen Kulturentwicklungsplans gestartet hat – es wird der dritte seiner Art, aka KEP3. Das Ganze ist als länger andauernder partizipativer Prozess angedacht, siehe auch: kep-linz.at.
Auch in diesem Zusammenhang:
Öffentlichkeit und Vergesellschaftungsprozesse sind wichtiger als je zuvor.
Jenseits der Bubble und von Partikularinteressen.
die Referentinnen,
Tanja Brandmayr und Olivia Schütz