Ein Beitrag zur aktuellen Nordico-Ausstellung Linz auf Sommerfrische. Die Referentin komplettiert mit einer Arbeit. Hintergrund: Das Thema Billige Sommerfrische wurde vom Nordico zuerst eingeladen, das Werk Billige Winterfrische dann jedoch wieder ausgeladen. Acht Menschen in Winterkleidung haben deswegen bei der Eröffnung Flugblätter schneien lassen. Diese Aktion wurde dann vom Nordico als irgendwie zur Eröffnung gehörend gepostet. Was jetzt?
Die Referentin möchte an dieser Stelle auf den kulturhistorischen Hintergrund der Billigen Sommerfrische hinweisen. Beziehungsweise soll auf Noel Fischers und Pauline Lotti Müllers Arbeit hingewiesen werden, die wegen der Konträrsetzung von Wetter (Sommer/Winter) und Klasse (Sommerfrische/Billige Sommerfrische) durchaus künstlerisch akzeptierte Mittel anwendet. Die Referentin fragt: Einladung, Ausladung, Eröffnungsaktion, was jetzt? An dieser Stelle soll das Flugblatt als erweiterter Teil der künstlerischen Arbeit verstanden werden, das über kulturhistorische und künstlerische Inhalte und verschiedene künstlerisch- und realperformative Aspekte der Arbeit Auskunft gibt. Bilden Sie sich selbst eine Meinung. Einleitung und Bilder wurden von der Referentin beigefügt. Sonst nur das Flugblatt im Original – als künstlerisches Artefakt.
Wir wollen uns nicht zensieren lassen und deswegen schneit es jetzt Flugblätter!
Unsere Videoarbeit „Billige Winterfrische/ cheap winter fresh“ (siehe QR-Code), in der wir auf die ungleich verteilten Klassenunterschiede zwischen der Bad Ischler und der Mühlviertler Sommerfrische aufmerksam machen wollten, wurde einfach aus dem Programm gestrichen.
Uns ist sehr wichtig, den inhaltlichen Rahmen genauer zu benennen, damit auch wirklich klar wird, wie problematisch dieses Verhalten des Nordicos ist. Es geht hier nicht nur um die Problematik der Kunstzensur allein, sondern um die Problematik der Zensur einer politischen Position und Frage, die unsichtbar gemacht werden soll.
Linz, die Stadt, in deren Stadtmuseum wir uns gerade befinden, besitzt einen starken Arbeiter*innen Hintergrund, genauso wie das gesamte Mühlviertel selbst. Dieser Arbeiter*innen-Hintergrund ist fest mit der Geschichte und Entstehung der Sommerfrische im Mühlviertel verwoben:
Die Menschen, die sich den Luxus einer Sommerfrische in den etablierten Städten wie der Sommerfrische-Hochburg Bad Ischl1 buchstäblich nicht leisten konnten, gingen dann eben auf die leistbarere Alternative ins Mühlviertel. Dies hat der Mühlviertler Sommerfrische auch ihre Bezeichnung als ,,billige“ Sommerfrische verschafft.
Dieses ungerecht verteilte Klassenverhältnis muss in einer Sommerfrische-Ausstellung, die einen starken Bezug zu Linz und dem Mühlviertel und gleichzeitig einen Bezug zu Kulturhauptstadt 2024 Bad Ischl besitzt, unbedingt sichtbar, ehrlich und vor allem kritisch reflektiert werden, anstatt auf Wunsch der Nordico-Autoritäten, einer Zensur zu unterliegen!2
Dieses ungerecht verteilte Klassenverhältnis darf nicht rein als Thematik der Vergangenheit betrachtet, und muss kritisch auf die Gegenwart reflektiert werden, weil es nie an Aktualität verloren hat.
Gerade auch im Kunst- und Kulturbereich dominiert diese Klassenschere extrem, weswegen es in diesem Kontext sehr wichtig ist, der Frage nachzugehen, ob bei der diesjährigen Kulturhauptstadt Bad Ischl, endlich auch die weniger Privilegierten wirklich profitieren dürfen.3 Ob es, wie in der Regel, bei einer (Selbst-)Inszenierung bleibt, die sich einem aktuellen oberflächlichen Trend anhängt (vgl. ,,Scheiß Neoliberalismus“-Ausrufe im Video) bleibt offen.
In all diesen Kontexten nun unsere Arbeit aus dem Programm zu streichen und dies lieblos in einem Satz, wie damals in der Schule, mit einer Themenverfehlung zu ,,begründen“, weil unsere Arbeit das Wort Winter anstatt Sommer im Titel beinhaltet, ist mehr als absurd, weil inhaltlich doch sehr deutlich auf die Mühlviertler Sommerfrische (und eben auch die Bad Ischler Sommerfrische) Bezug genommen wird.
Aber sehen Sie doch einfach selbst und bilden Ihre eigene Meinung!
1 Sogar der österreichische Kaiser Franz Joseph I. und andere Autoritäten der Elite gingen dort
bereits gerne auf Kur.
2 Die ,,De/Construction“ eines Museums darf nicht einfach nach einer Ausstellung, die sich währenddessen für diese ,,De/Construction“ auch noch selbst hochlobt, wieder aufhören! (vgl. ,,What the Fem*?“-Ausstellung)
3 Diesbezüglich kam in einem Gespräch mit dem Nordico der Input, dass durch die Kulturhauptstadt ja neue Arbeitsplätze geschaffen werden würden, an denen die Arbeiter*innen dann
arbeiten können. Mit der Frage des Profitierens fragen wir uns aber eher, ob Arbeiter*innen dort auch von der Kunst, der Kultur und der erfrischenden Erholung profitieren können, oder ob dies alles, wie sonst üblich, Luxusgüter für die Privilegierteren bleiben.
Linz auf Sommerfrische
Naherholung im Mühlviertel und Salzkammergut, bis 25. August 2024
nordico.at/ausstellungen/linz-auf-sommerfrische
Das Video Billige Winterfrische ist eine Arbeit, die durch die Lehrveranstaltung Projekt Kunstuni Linz/ Nordico BILLIGE SOMMERFRISCHE von Gudrun Wallenböck entstanden ist.