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Das Feministometer

By   /  30. November 2023  /  No Comments

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Vor einigen Jahren fragte mich eine feministische Kollegin, die viel älter war als ich, wie lange ich schon Feministin sei. Sie sah mich an und mutmaßte – „Ich würde schätzen gegen 10 Jahre oder so?“ Und meinte dazu: „Nun, ich würde sagen, dass ich seit 36 Jahren meines Lebens in der feministischen Bewegung bin.“ In diesem Moment verunsicherte sie mich aber, und ihre Art, mich und meine Idee in Frage zu stellen, schien von ihrer Erfahrung als alte Aktivistin getragen zu sein. Natürlich war sie schon viel länger Feministin als ich. Und zu der Zeit, als sie begann, den Feminismus zu entdecken, hatte ich noch nicht einmal vor, auf die Welt zu kommen.

Bei einer anderen Gelegenheit fragte mich ein Mann, der überrascht war, dass ich über Frauenrechte sprach, misstrauisch: „Du bist Feministin? Du siehst aber nicht wie eine aus.“ – Meine Antwort darauf war: „Wie sehen Feministen denn aus?“ – Er erwiderte: „Ich weiß es nicht, auf jeden Fall nicht wie du.“ Ich verstand, dass ich erneut aufgrund meines äußeren Erscheinungsbildes beurteilt wurde. Und es scheint, als gebe es fixe Vorstellungen darüber, wie „echte“ Feministinnen aussehen, sprechen und sich verhalten sollten. Es gab Zeiten, in denen ich stundenlang darüber nachdachte, wie ich diesen Menschen, seien es Frauen, Männern oder andere Feministinnen, erklären sollte, dass mein Äußeres nichts über meine feministischen Überzeugungen aussagt. Ich mag vielleicht pastellfarbene Blumenkleider tragen und meine Haare wellig stylen, aber das hat nichts mit meinem Feminismus zu tun. Andere Male möchte mein lateinamerikanisches Guerilla-Ich diesen Leuten aber einfach nur sagen, dass sie sich verpissen sollen, und sie anschreien, woher sie die Idee haben, dass Feministinnen bestimmte Kleidungsvorschriften einhalten oder sich einem „Feministinnen-Etiketten-Kurs“ unterwerfen sollten. Ein wichtiger Aspekt des Feminismus besteht doch darin, Stereotypen und Vorurteile zu überwinden, nicht darin, selbst neue Etiketten herzustellen oder sich diesen zu unterwerfen.

Trotz meines Selbstverständnisses fühlte ich mich bis vor kurzem in der Bewegung aber selbst ein wenig fehl am Platz, ob ich nun in Lateinamerika oder in Europa war (das sind die Feministinnen, mit denen ich zu tun hatte), bis ich vor ein paar Wochen Roxane Gay und Mikki Kendall in einer Buchhandlung entdeckte. Nun, ich habe sie nicht buchstäblich getroffen, aber ich habe ihre Bücher gefunden. Sie gaben mir nicht nur das Gefühl, verstanden zu werden, sondern auch, weniger allein zu sein. Ich habe mich im Schreiben dieser beiden Frauen wiedergefunden, weil sie schwarze Schriftstellerinnen sind. Sie brechen mit dem Stereotyp, dass schwarze, braune und gemischte Frauen (die, die oft als „Women of Color“ bezeichnet werden) mehr sein können als jene Frauen aus exotischen Kulturen, oder mehr als das darstellen, was Roxane Gay als „magical negro“ bezeichnet – also die Einfügung einer schwarzen oder farbigen Figur in eine Erzählung, die der Protagonistin die Weisheit gibt, die sie braucht, um sich zu bewegen oder zu verändern. Und ich hatte auch das Gefühl, dass, wenn sie aus ihrer Wahrheit heraus schreiben können, ich es auch tun kann.

Die Kritik des Mainstream-Feminismus in Europa ist für mich als Latina-Frau oft schwer zu ertragen. Vielleicht aus denselben Gründen, aus denen es für viele andere schwierig ist. Wir, nicht-europäische Nicht-Mainstream-Feministinnen wollen das Prinzip der Schwesternschaft leben. Aber wir spüren eine Kritik, die so wirkt, als würden wir uns von dieser Idee der Einheit und Solidarität abwenden. Doch durch Roxanes Buch „Bad Feminist“ habe ich auch erkannt, dass der Feminismus an sich fehlerhaft ist, weil er von Menschen geführt wird, und Menschen sind von Natur aus fehlerhaft. Hinzu kommt, dass einige feministische Aktivistinnen den Feminismus zu ihrem persönlichen Markenzeichen gemacht haben und daher ihre Vorstellungen darüber, was Feminismus sein sollte, durchsetzen wollen. Es entsteht der Eindruck, dass es einen „Grad“ von Feminismus gibt, den es zu erreichen gilt. Doch ist es nicht offensichtlich, dass Feministinnen vielfältig sind und unterschiedliche Ansichten, Hintergründe und Motive haben? Wir kämpfen aus verschiedenen Perspektiven und in verschiedenen Kontexten. Wie Mikki Kendall in ihrem Buch „Hood Feminism“ betont, ist es falsch, den Feminismus anhand von jeweils eigenem politischen Wissen, Hintergründen, Handlungen und Medien zu bewerten. Wir sollten nicht einen Feminismus herstellen, der Rassismus, Transphobie, Homophobie oder andere Diskriminierungsformen reproduziert.

Die Frage, wie eine „echte“ Feministin aussieht, ist daher irrelevant. Die Vielfalt der Feministinnen zeigt, dass es nicht möglich ist, den Feminismus in starre Vorstellungen zu zwängen. Jede Frau, unabhängig von ihren persönlichen Vorlieben und ihrem äußeren Erscheinungsbild, kann Feministin sein. Der Feminismus sollte immer die Freiheit bedeuten, authentisch zu sein, sich auszudrücken, die eigene Meinung zu vertreten und sich nicht für die eigene Art und Weise, wie man den Feminismus lebt, rechtfertigen zu müssen. Ich lebe meinen „Feminismus mit Glitzer“, weil Feminismus für mich schon immer die Freiheit bedeutet hat, ich selbst zu sein.

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  • Published: 12 Monaten ago on 30. November 2023
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  • Last Modified: November 30, 2023 @ 5:14 pm
  • Filed Under: Kolumnen

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eine politische inkorrekte Frau.

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