Um seine Gipfel jagen Nebelschwaden. 1896 – nur 15 Jahre nach der Erstbesteigung, durchstieg die Österreicherin Rosa Friedmann als erste Frau die Watzmann-Ostwand im Berchtesgadener Land. Welch gewaltige Leistung! Einige Jahre später führte die Britin Beatrice Tomasson den frühen Frauen-Alpinismus zum Höhepunkt. 1901, an der majestätisch anmutenden Marmolata – Königin der Dolomiten – durchkletterte sie mit zwei heimischen Bergführern die Südwand. Diese Erstbegehung setzte einen Meilenstein in der Dolomitenkletterei.
In weniger schwindelerregende Höhen begab sich das Kollektiv Breathe In The City. Angepasst an die urbanen Strukturen im Mural Harbour, jedoch ganz schön hoch für ein DJ-Set, präsentierte Flip sein neues Album Experiences am Dach eines Linzer Hafengebäudes. Für das visuelle Spektakel sorgte die Tagtool Crew, die mit animierten Graphiken die sich hinter dem DJ auftürmende Hauswand mit unzähligen Beamern bespielte. Dabei partizipierten KünstlerInnen aus der ganzen Welt, die sich nach Voranmeldung in den Stream einloggten. Ebenso bestand die Möglichkeit des realen Erscheinens und künstlerischen Mitwirkens vor Ort.
Ob dieses lockere Zusammentreffen in Zukunft noch möglich sein wird, wird sich zeigen. Das Pendel schwingt Richtung virtuelle Realität. Wie weit die zeitgenössische Kunst hier euphorisiert vorprescht, demonstrierte bei einem Ars-Electronica-Panel zum Thema „Telling The Future Through Art and Technology“ etwa das Kollektiv Miro Shot mit seinen interaktiven Live-Events. Ein Hybrid aus Konzert, Installation, Theaterinszenierung und Live-Multiplay-Videogame. Eine Verschmelzung der künstlerischen Visionen und technischen Tools sowie der Potenziale des offenen Kollektivs aus MusikerInnen, Visual & Digital Artists, ProgrammiererInnen, SchreiberInnen und FilmemacherInnen. Ein Gesamtkunstwerk, das holographische Realitäten für die Menschen zusammen an einem Ort zur Verfügung stellt. Ich hoffe, das physische, gemeinsame Erleben nebeneinander und miteinander im selben Raum bleibt bestehen.
Derzeit werden wir rigoros vereinzelt und isoliert. Es erfolgt eine Reduktion auf virtuelle Interaktionen. Digitale Techkonzerne sind die globalen Gewinner des Rückzugs von der real-physischen Welt. Der Mensch verliert, ich als Mensch verliere: Meine Leidenschaft für den Fußballverein meines Herzens verblasst. Fan-Sein präsentiert sich nun am Bildschirm zuhause, jeder ist für sich alleine. Jeder trinkt für sich alleine. Niemand singt. Niemand feuert an. Kein gemeinsamer Jubel. Kein gemeinsames Gejammer. Emotionen können nicht mehr unmittelbar gelebt und geteilt werden. Ein Emoji dürfen wir posten. Juhuu – das ist Leidenschaft. Das Stadion ist leer. Und so leise, dass die Spieler in der Übertragung zu hören sind. Das ist gespenstisch. Die Redaktionssitzung von V-TV, das Video-Fanprojekt von Fans für Fans, abgehalten per Zoom. Das ansonsten lustige und sehr verbindende mehrstündige Treffen entpuppte sich als emotional erbärmlich und entbehrlich für mich. Ein seelenloser Austausch, der mich nicht berührt, der mir kein authentisches Miteinander ermöglicht und mich emotional verarmen lässt. Genauso wie der Blick in ein Heer identitätsloser Gesichter. Da verarmt die eigene Mimik, die Ausdruck von Emotion und Individualität ist. Eine erschlaffende oder verkürzte Muskulatur zieht Konsequenzen nach sich. Interessant in diesem Zusammenhang die Bezeichnung einiger mimischer Muskeln als musculus depressor … supercilii zieht die Augenbrauen nach unten … anguli oris zieht die Mundwinkel nach unten … labi inferioris zieht die Unterlippe nach unten … septi nasi zieht die Nasenflügel nach unten und verengt damit das Nasenloch. Bitte mal ausprobieren. Nomen est Omen. Ich schneid jetzt zuhause Grimassen oder versuche alle Gesichtsmuskeln abwechselnd oder miteinander zu aktivieren und trotzdem entspannt zu bleiben. Und jedem maskenfreien Gesicht schenke ich ein umwerfendes Lächeln!
Die Kolumne Spiele! wird ab 2021 nicht mehr in der Referentin veröffentlicht.
Wir bedanken uns bei Andrea Winter für ihre Arbeit bis dahin, distanzieren uns aber von Inhalten, die im Zusammenhang mit Corona-Leugnung und Verschwörungstheorien stehen.