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Man atmet ja auch dabei.

By   /  1. März 2016  /  No Comments

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Text und Bild im „Raum Lentos“: Das Kunstmuseum hat an Teresa Präauer das kuratorische Konzept herangetragen, mit der Zahl Sieben umzugehen. Norbert Trawöger hat Teresa Präauer getroffen.

Foto Teresa Präauer, Bildschirme nennen etwas einen blöden Spruch.

Foto Teresa Präauer, Bildschirme nennen etwas einen blöden Spruch.

Sieben Tage hat die Woche, der Wolf sieben Geißlein und Schneewittchen sieben Zwerge. Sieben Weltwunder kennt die Antike. Sieben ist die „Millersche Zahl“, die besagt, dass ein Mensch gleichzeitig nur bis zu sieben Informationseinheiten in seinem Kurzzeitgedächtnis auffassen kann. In der biblischen „Offenbarung“ hält der Erschaffer, der Schöpfer sieben Sterne in der rechten Hand. Eine schöne Vorstellung, die Teresa Präauer „haptisch-komisch“ fand. Präauer lebt in Wien, schreibt und zeichnet. Wie können Sie Schreiben und Zeichnen zugleich, wird sie gelegentlich gefragt: „Man atmet ja auch dabei“, hält sie entgegen. Der Mensch ist imstande gleichzeitig zu essen und zu atmen. Man müsse sich entscheiden, hat die Künstlerin früher oft gehört. Das absolute Gegenteil trifft für ihren Weg zu, die Dinge kommen immer mehr zusammen. Es fasziniert sie Arbeiten für Museen zu machen, die sehr textlastig sind. Eben im Wissen um die bildnerischen Mittel: „Bildanalyse, das kann ich wirklich“. Präauer hat in Berlin, Salzburg und Wien Germanistik und Malerei studiert. 2012 erhielt sie den aspekte-Literaturpreis für das beste deutschsprachige Prosadebüt, ihren Roman „Für den Herrscher aus Übersee“ (2012). Ihr zweiter Roman „Johnny und Jean“ wurde 2015 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und im gleichen Jahr las sie beim Bachmannpreis.

Das Kunstmuseum Lentos hat an sie das kuratorisches Konzept, mit der Zahl Sieben umzugehen, herangetragen. Umgehen heißt, ein Kunstwerk zu schaffen. Ihre Arbeit zeigt sich ab 17. März an der Längsseite des Kunstmuseums. Für die Vorbeigehenden, von Innen nach Außen. „Stars“ ist ein Stück für 7 Monitore, die mit Text und reduzierten grafischen Elementen bespielt werden. Es beginnt schwarz und endet schwarz, wiederholt sich im Loop, denkt nach über Anfang und Ende, Schwarz und Weiß, Tag und Nacht, das Universum und den Sternenhimmel. Präauer bringt ihre Bildschirme zum Sprechen, auch darüber, dass sie Bildschirme sind. Sie denken das Symbol Sieben mit. Sie unterhalten sich darüber, geben einander Regieanweisungen, liefern sich Schlagabtäusche, formieren gemeinsam ein Wort oder nennen etwas einen blöden Spruch. „Dies ist ein Touchscreen. Wenn du ihn berührst, fließt Champagner aus den Wolken.“ Der Screen ist weder berührbar, noch zu einer Reaktion fähig. Es ist ein augenzwinkerndes Umgehen mit der Tatsache, dass unsere Welt von Bildschirmen bestimmt wird, die uns obendrein eine Multifunktionalität suggerieren. Sie können aber ganz vieles nicht. „Das Handy kann mich nicht gut in Ruhe lassen“, sagt die Künstlerin. Unsere Interaktionsfähigkeit scheint uns unbegrenzt und ist doch oft nur Ersatz- und Scheinhandlung. Der Bildschirm ist vorgelagert vor die Welt. Manche Menschen sehen Wunderschönes nur mehr durch den Rahmen des Schirms, der abschirmt: „Sie haben nie das bloße Auge auf was gerichtet“. Genau Schauen hat Präauer durchs Malereistudium gelernt: „Ich bin richtig bildergeil. Ein altes Fotoalbum, das regt mich so auf“. Es bringt sie in Erregung, Aufregung, auch fürs Schreiben. Es hilft konkret zu bleiben.

„Ich bin jemand der die Form, diese Einschränkung liebt, diese aber dann austricksen will“.
Präauer legt sich gern ins Bett des Prokrustes, eine Bettstatt, die für den Riesen viel zu klein ist. Die kreative Leistung, die durch Einschränkung notwendig wird, interessiert sie unglaublich. Sie liebt es konzeptuell und dennoch sinnlich zu arbeiten. Das Poetische und das Analytische spielen immer zusammen. „Stars“ hat sie in einer bestimmten Taktung den sieben Sprechern zugeschrieben. Vielleicht ist es eine Partitur: „Ich habe das im Ohr und habe die unterschiedlichen Sprecher im Ohr“. „Stars“, die Sterne und die Stars. Sieben Sterne können für die Unendlichkeit des Sternenhimmels stehen. Auf Deckengewölben alter Kirchen finden sich geometrische Sternenhimmel, die erst gar nicht so tun als wären sie ein wirklicher Himmel. Sie bilden sich gar nichts auf die Illusion ein, sondern schaffen ein neues Muster, das symbolisch für etwas steht und nicht auf Abbildung aus ist. Wir brauchen uns gar nichts auf unseren subjektiven Standpunkt einzubilden, von dem aus wir den Sternenhimmel sehen, zeichnen. Dieser ist ohnehin von jedem Punkt der Erde anders. Präauer interessiert Kunst zu machen, die berührt, aber gleichzeitig sagt, pass ein bisschen auf. Lass dich reinfallen in die Arbeit, aber da kommt wer, der sagt ganz so ist es nicht. Und letztlich sind Sterne das, womit nicht nur Autorinnen und Autoren im Internet bewertet werden. Sterne auf Amazon heißen, das Buch ist gut oder eben scheiße. Absurd! Präauer hat sich als Reaktion auf diese Online-Bewertungen gedacht, dann sagt doch gleich: „Der Sternenhimmel bekommt von mir ein Like, die Erde zwei, das Gras drei und so weiter. Dann macht doch genauso weiter, ihr Bewerter“.

Es wird auch Nacht ums Lentos sein. Sternenhimmel, die Donau, der Champagner fließt. Man atmet ja auch dabei.

 

RAUM LENTOS
Teresa Präauer
STARS, 2016
Ein Stück für sieben Bildschirme
18. März bis 5. Juni 2016

Mit der magischen Zahl Sieben als Ausgangspunkt unternimmt Teresa Präauer mit uns eine Reise ins System der Sterne. Die präzise gestaltete Textintervention, montiert auf sieben Bildschirmen am Schnittpunkt zwischen öffentlichem und musealem Raum, interagiert und kommuniziert mit den Betrachterinnen und Betrachtern, führt aber im selben Moment einen Dialog mit sich selbst. Es formt sich ein vorwitziges autopoietisches System, das zwischen direkter Ansprache, Diskussion und deskriptiven Passagen auch grafische Referenzen bietet.
Kurator: Magnus Hofmüller

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