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Das Land der Möglichkeiten ist meine kleine Welt.

By   /  5. Dezember 2018  /  No Comments

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Viele fragen es sich schon länger. Und kaum wer weiß, was mit dem „Land der Möglichkeiten“ genau gemeint ist, ein Werbesujet, das seit längerer Zeit in Oberösterreich seitens der Landeshauptmann-Partei lanciert wird. Der Claim soll vielleicht den amerikanischen Traum der unbegrenzten Möglichkeiten mit im Klang führen, aber die PR bleibt die Art der Möglichkeiten letztlich schuldig: Geht es um gute, schlechte, große, kleine, viele, wenige, keine oder doch einfach nur auf ewig undefinierbar bleiben wollende Möglichkeiten? Möglicherweise mögliche Möglichkeiten also? Besonders in Kombination mit dem vielsagend wie geheimnisvoll in sich hineinlächelnden Gesicht des Landeshauptmanns auf den Werbeflächen, entsteht ein leichtes Gefühl von abgehängten Karotten vor den Nasen. Ich bin mit meiner Freundin unterwegs, wir reden über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten im Land. „Aber immerhin wissen wir“, sagt sie, als wir zusammen spazieren gehen, „seit der Verleihung der letzten Kulturpreise zumindest, WIE VIELE Möglichkeiten es in der Kunst und Kultur sind – NÄMLICH 21!“. Und liest aus einem mitgebrachten Zeitungsausschnitt vor, OÖ Volksblatt, Ende September 2018: „Waterloo geehrt. Im Rahmen einer Feierstunde im Steinernen Saal des Linzer Landhauses ehrte Landeshauptmann Thomas Stelzer gestern 21 Oberösterreicher, die sich im Bereich von Kunst und Kultur verdient gemacht haben. ‚21 Personen, 21 Möglichkeiten, sich zu engagieren, 21 verschiedene Wege, Kunst und Kultur in OÖ mitzugestalten: Das vermittelt einen Eindruck davon, was in Oberösterreich alles möglich ist‘, so Stelzer. Zu den Geehrten zählte Sänger-Legende Waterloo (‚Hollywood‘), der die Kulturmedaille des Landes verliehen erhielt.“ Meine Freundin und ich sehen uns 21 Mal an und wundern uns, was alles möglich ist … … … „Sie werden sich noch wundern …“, sagt meine Freundin und der Rest ist eh klar … … … Aber wie das mit dem Hirn und den spontanen Wegen der Erinnerung so ist: Der Gedanke an good old Hollywood bringt mich über den zweiten 70er-Jahre-Heile-Welt-Homeland-Song von Waterloo&Robinson, „Meine kleine Welt“, zu einer ganz anderen Begebenheit, die ich einmal vor vielen Jahren, irgendwann in den 90ern, im Gasthaus Alte Welt erlebt hatte. Ein etwa 40jähriger Mann hatte sich die ganze Nacht ziemlich betrunken. Aus unternehmerischem Frust. Er hatte eine landwirtschaftliche Erfindung gemacht, die sich ökologisch-technisch visionär anhörte, und die es aus heutiger Sicht wahrscheinlich umso mehr wäre. „Aber weder Bauernverband noch Vertreter der Industrie noch Banken oder Politiker haben sich die Sache überhaupt angesehen“, sagte er, damals im Gasthaus Alte Welt, die ganze Nacht über, immer wieder zu mir und in die Runde. Und sagte dann immer wieder, mit Nachdruck und die ganze Nacht: „Nicht, wer es in New York schafft, der schafft es auf der ganzen Welt, sondern wer‘s in Oberösterreich schafft, der schafft es überall!“. Und er sang sowohl die New York-Nummer immer wieder an als auch zwischendurch ebenfalls wiederholt und immer wieder, auf recht schrille Weise, man glaubt es kaum und darum kenne ich die Nummer überhaupt: „Das ist meiiiiiiiine kleine Welt“. Und nahm dann immer noch kräftigere Schlucke. Er dürfte dann, nachdem er schon in der Früh, „Danke fürs Verhindern! Ich bin eh bald weg! Ab in die USA!“ gerufen hatte und irgendwann, als es dämmerte, aus dem Lokal gestolpert war, laut seiner eigenen Aussagen zuvor, mehr oder weniger direkt in den Flieger gestiegen sein. In welchen genau, weiß ich aber nicht.

„Hm“, sage ich, nach längerem Schweigen. Meine Freundin sagt, nach weiterem, ebenfalls längerem Schweigen: „Gehen wir in die Alte Welt?“. Die Geschichte habe ich ihr früher schon mal erzählt. Wir spazieren in Richtung Lokal.

 

Lokale Lokale, die fortlaufende Fortgeh-Kolumne des hiesigen Lokalkolorits, der unglaublichen Begebenheiten und der unerwarteten Wendungen, ist in dieser Referentin #14 an Stelle eines Editorials abgedruckt.

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About the author

Die Indianer-Brünhilde, naturverbunden wie kämpferisch, hat Sehnsucht nach einer Prärie ohne Polit-PR, und, besonders nach Besuchen der 68-Revival-Ausstellungen, nach einem wilden Ruf nach dem Unmöglichen.

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